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Fingerspitzengefühl. Vera Gäde-Butzlaff wurde von den privaten Eigentümern zur Gasag geholt, auch um das Verhältnis zum Land Berlin zu verbessern. Als ehemaliger Chefin der BSR traut man ihr das zu.
© Mike Wolff

Interview mit Gasag-Chefin Gäde-Butzlaff: „Die Gasag zu filetieren, wäre inakzeptabel“

Vera Gäde-Butzlaff, die neue Chefin des Energieversorgers, über das Verhältnis zum Land Berlin und zu den privaten Eigentümern.

Vera Gäde-Butzlaff, geboren 1954 in Bad Gandersheim in Niedersachsen, hat Jura an der FU Berlin studiert. Sie begann ihre Karriere als Richterin, arbeitete dann in verschiedenen Verwaltungen in Berlin, Frankfurt (Oder) und Magdeburg. Von 2007 bis Ende 2014 führte sie die landeseigene Berliner Stadtreinigung BSR. Im Frühjahr 2015 löste sie Stefan Grützmacher als Gasag-Chef ab.

Frau Gäde-Butzlaff, seit März sind Sie Chefin der Gasag AG und haben 100 Tage im Amt hinter sich. Sie wechselten von der Wertstoff- in die Energiebranche. Was ist für Sie anders geworden?

In der Entsorgung und Reinigung wird auf den Straßen gearbeitet. Das Stadtbild ist davon geprägt. Sie sehen auch sofort, wenn etwas nicht optimal läuft. Der Entsorgungsbranche sind große Themen stabil vorgegeben wie Ressourcenwirtschaft. In der Energiewirtschaft ist alles in Bewegung: Wie gestalten wir die Energiewende in einer wachsenden Stadt? Wie können wir als Gasag unsere Rolle als Energiemanager in der Stadt optimal ausfüllen? Wie platziert man sich in wachsenden Märkten wie Erneuerbaren und Energiedienstleistungen?

Gibt es auch Parallelen zur BSR?

Ja, auch die Gasag ist ein Traditionsunternehmen, das sich Berlin verpflichtet fühlt. Ich hatte als BSR-Chefin auch immer mit der Gasag zu tun. Beide Unternehmen haben die ersten Klimaschutzvereinbarungen mit dem Land unterzeichnet, die Gasag als privater, die BSR als öffentlicher Partner. Und beide Unternehmen sind aus der Stadt nicht wegzudenken, auch wenn man an Sport-, Kultur- oder Jugendförderung denkt.

Der Umsatz der Gasag brach um 15 Prozent von 1,3 auf 1,1 Milliarden Euro ein. Auch der Jahresüberschuss halbierte sich auf 32,3 Millionen Euro. Woran lag das?

Ich spreche nicht von Einbruch. Wir hatten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen den wärmsten Winter. Das hat in der gesamten Branche zu solchen Gewinneinbußen geführt. Das hat sich bei der Gasag auch besonders bemerkbar gemacht, da wir in Berlin vergleichsweise wenig Industriekunden haben, die unabhängig vom Wetter Gas abnehmen.

Was bedeutet der halbierte Gewinn für das laufende Geschäftsjahr? Wird die Gasag weniger investieren, stehen konkrete Projekte auf der Kippe?

Nein. Wir planen weiterhin Investitionen in Höhe von jährlich knapp 100 Millionen Euro bis zum Ende des Jahrzehnts. Das ist wichtig für die Infrastruktur, aber auch für Handwerk und Gewerbe in Berlin.

Die Gasag will mehr in das Stromgeschäft einsteigen. Sie versorgen in Berlin rund 500 000 Kunden mit Gas, 33 000 mit Ökostrom. Bleibt es bei der Mehrspartigkeit?

Alle drei Eigentümer, Eon, Gaz de France und Vattenfall, haben zugestimmt, dass wir in erneuerbare Energien investieren. Wir werden uns konsequent im Wärmesektor engagieren, das Gasnetz weiter für die Energiewende fit machen und nach unserem starken Start auch im Stromgeschäft unser hohes Tempo halten.

Wie lange schaut sich das Ihr Miteigentümer Vattenfall an?

Vattenfall ist wie Eon und Gaz de France auch ein Mitwettbewerber der Gasag. Das ist eine Besonderheit, mit der wir aber gut zurechtkommen. Der Vorstand vertritt mit seiner Strategie die Interessen der Gasag. Dies wird von allen unseren Aktionären respektiert.

Erst ab 2017 darf geschmunzelt werden

Fingerspitzengefühl. Vera Gäde-Butzlaff wurde von den privaten Eigentümern zur Gasag geholt, auch um das Verhältnis zum Land Berlin zu verbessern. Als ehemaliger Chefin der BSR traut man ihr das zu.
Fingerspitzengefühl. Vera Gäde-Butzlaff wurde von den privaten Eigentümern zur Gasag geholt, auch um das Verhältnis zum Land Berlin zu verbessern. Als ehemaliger Chefin der BSR traut man ihr das zu.
© Mike Wolff

Man hört aus der Berliner Politik Kritik, dass Gasag und Vattenfall zu wenig für die regionale Wertschöpfung tun würden. Stimmt das?

Die Gasag kann mit ihrer vollständigen Ausrichtung auf den regionalen Markt ja wohl kaum gemeint sein, denn Berlin ist unsere DNA. Klar ist auch: Energiewende geht in Berlin nicht gegen das Land, sondern nur in Partnerschaft. Die Gasag will Partner von Berlin sein. Und wenn jemand regional vernetzt ist, ist es die Gasag – mit dem Handwerk, den Wohnungsunternehmen, mit der Wirtschaft und Tausenden von Marktpartnern.

Energiewende ohne Gasag geht nicht?

Richtig. Die Energiewende ist eine komplexe Aufgabe, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette, also in Erzeugung, Speichern, Handel, Vertrieb und in den Heizungskellern dieser Stadt entschieden wird. Das können wir mit dem lokalen Blickwinkel besser als alle anderen. Überlegungen, die Gasag zu filetieren und zu einem Steinbruch zu machen, sind deshalb inakzeptabel und würden Berlin um Jahre zurückwerfen. Der Wunsch nach Rekommunalisierung und Rückkauf der Gasag steht politisch im Raum. Die Gasag wäre auch als Nukleus für ein Stadtwerk sehr geeignet. Aber das könnten wir nicht ohne Handel und Vertrieb und auch nicht, wenn wir an den Stadtgrenzen unsere Aktivitäten einstellen müssten.

Der Senat will mit Gasag und Vattenfall über eine Beteiligung an den Unternehmen sprechen. Über die Gasag spricht man mit den Anteilseignern Eon, Vattenfall und Gaz de France. Die Gespräche sollen Ende August abgeschlossen sein. Was wäre für die Gasag die beste Lösung?

Es gibt noch keine Entscheidung. Es wird mit allen drei Eigentümern darüber verhandelt, ob sie eine Partnerschaft mit Berlin eingehen und ob sie verkaufen würden. Sollten Anteile verkauft werden, wünschen wir uns von den jetzigen und künftigen Eigentümern, dass der Weg der Gasag als Energiemanager weitergeführt wird. Die energiepolitischen Wünsche von Berlin erfüllen wir schon. Unabhängig von den Gesprächen läuft der Betrieb bei der Gasag gut weiter.

Die Gasag hatte dem Land zwei Angebote unterbreitet: eines für die alleinige Konzession, das andere für ein Kooperationsmodell mit dem Land. Die Gasag bot 25,1 Prozent der Anteile an der Netzgesellschaft NBB. Würden Sie die Anteile auch erhöhen – unabhängig von der juristischen Prüfung der Konzessionsvergabe?

Wir stehen zu unserem Angebot für das Berliner Netz. Würde das Land dieses Angebot annehmen, hätte es den modernsten und kommunalfreundlichsten Konzessionsvertrag der Republik mit umfassenden Einflussmöglichkeiten. Das Land hat in dem Verfahren die Möglichkeit, sich zu entscheiden, ob es unser Konzessions- oder unser Kooperationsangebot annehmen will. Da die endgültige Vergabe noch offen ist, kann ich zu den Details leider nicht mehr sagen.

Das Gasnetzkonzessionsverfahren ist gescheitert, Klagen vom Land und der Gasag sind vor Gerichten anhängig. Entscheidungen stehen erst 2016 an. Das Karenzjahr ist vorbei, in diesem Jahr haben Sie einen weiteren Vertrag mit dem Senat. Werden Sie verlängern?

Wir werden die Bindungsfrist wahrscheinlich verlängern. Die Gasag schätzt ihre Chancen vor Gericht nach dem Urteil des Landgerichts sehr gut ein. Aber niemand hat ein Interesse an einem langen Verfahren. Ein kompletter Neustart bei der Vergabe der Konzession ist unserer Meinung nach ausgeschlossen, da das Verfahren formell abgeschlossen war.

Es gibt Ärger um die Besetzung Ihres Aufsichtsrates. Eon hat den ehemaligen Thüga-Chef Ewald Woste nominiert. Vattenfall hält an Gerhard Jochum als Vorsitzendem fest. Wer wäre Ihnen lieber?

Ich werde das nicht kommentieren. Aus der Mitte des Aufsichtsrates wird der neue Aufsichtsratsvorsitzende gewählt. Ein Vorstand hat damit nichts zu tun.

Unter Ihrer Führung hatte die BSR eine sehr innovative Werbestrategie: „We kehr for you“. Wann können wir im Berliner Stadtbild über die Gasag schmunzeln?

Wir arbeiten daran. 2017 feiern wir unser 170-jähriges Jubiläum. Dann kann man die Altersweisheit mit ein wenig Spaß garnieren.

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