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Noch machen die Online-Bestellungen im Lebensmittelgeschäft nur einen Anteil von einem Prozent aus.
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Update

Frische Lebensmittel online bestellen: Sechs Lieferdienste im Praxistest

Nächste Runde im Kampf um den bequemen Kunden: Amazon bringt jetzt auch frische Lebensmittel – und die alteingesessenen Händler in Zugzwang. Sechs führende Anbieter im Tagesspiegel-Praxistest.

Von Maris Hubschmid

Nun also ist eingetreten, wovor alle gezittert haben: Seit wenigen Wochen liefert das Unternehmen Amazon bei Mausklick nicht nur Bücher, Staubsauger oder Babystrampler, sondern auch Milch, Eier, Obst und Gemüse an die Haustür. Der übermächtige US-Konzern wagt sich vor in den vermutlich sensibelsten Bereich des Online-Handels – frische Lebensmittel. Und das in einem Land, in dem der Preisdruck enorm ist und der Anspruch der Konsumenten hoch. Zwar beschränkt sich das Zustellgebiet vorerst nur auf den Raum Berlin und Potsdam. Aber schon jetzt scheint die Welt des Lebensmittelhandels aus den Fugen.

Die schien doch so klar geregelt: Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland teilen das Geschäft unter sich auf. Sie dominieren 85 Prozent des stationären Marktes. Jetzt wildert ein Branchenfremder in ihrem Revier, einer, der zwar keine Fleischwurstfachverkäufer ausbildet – aber über Milliarden Kundenadressen verfügt.

Edeka, Marktführer in Deutschland, hatte bis zuletzt gezögert, sein Geschäft ins Internet zu verlagern. Wohl auch, weil viele Kaufleute im Verbund fürchten, dass man sich selbst Konkurrenz macht. Lediglich Produkte aus dem sogenannten Trockensortiment gab es bislang bei Edeka24.de. Doch siehe da: „Bald beginnen wir auch mit dem Versand von Frische-Artikeln“, informierte der Dienst seine Kunden Mitte Mai und versprach 20 Prozent Rabatt auf alles, weil man Platz schaffen müsse.

Anbieter liefern ausgerechnet in Städten mit vielen Supermärkten

Was aus der E-Mail nicht hervorgeht: Edeka hat mit der Übernahme der Kaiser’s-Tengelmann-Kette auch deren Lieferdienst Bringmeister geerbt, eine Verschmelzung ist wohl nur eine Frage der Zeit. Der neue Bringmeister-Slogan „Wir besorgen es ganz Berlin“ mag nicht jedem Appetit machen. Wichtig ist dem neuen Eigner wohl aber vor allem die Betonung des Wörtchens „ganz“. Angreifer Amazon hatte zum Start noch allerhand Postleitzahlen von seinem Service ausgenommen, beliefert aber jetzt das ganze Stadtgebiet und Potsdam. Ebenfalls ausschließlich in Berlin und Potsdam ist seit Oktober 2016 Kaufland unterwegs. Bring24 konzentriert sich auf Köln. Ausgerechnet in den Städten, wo der nächste Supermarkt selten mehr als ein paar Minuten entfernt liegt, bringen sich die Online-Dienste in Stellung.

Rewe trägt seine Produkte mittlerweile in immerhin 75 Städten auf Wunsch bis unters Dach oder in den Vorratskeller. Im vergangenen Jahr konnte das Unternehmen seinen Umsatz online um 60 Prozent auf 100 Millionen Euro steigern. Rentabel ist der Geschäftsbereich gleichwohl auch im siebten Jahr nach seiner Einführung nicht, räumte der Vorstand unlängst ein.

Noch machen die Online-Bestellungen im Lebensmittelgeschäft insgesamt auch bloß einen Anteil von gerademal einem Prozent aus. Mittelfristig seien zehn bis zwölf Prozent möglich, wie sie auch in anderen Produktsegmenten erreicht werden, prognostizieren Analysten. Um viel Geld geht es in jedem Fall: Der Lebensmittelhandel in Deutschland hat ein Gesamtvolumen von mehr als 175 Milliarden Euro.

Wir haben sechs große Anbieter getestet und Frischmilch, Käse, Schinken, Joghurt, Bio-Eier, Kopfsalat, Cherrytomaten und Erdbeeren bestellt.

Wer wird uns morgen den Kühlschrank füllen? Das Rennen ist eröffnet.

AMAZON

Seitdem Amazon auch noch frische Lebensmittel liefert, bietet das US-Unternehmen Kunden jetzt eine Rundum-Versorgung. Wer Amazon hat, muss das Haus nicht mehr verlassen. Das kann man aus gesellschaftlichen Gründen ablehnen. Der Qualität des neuen „Fresh“-Lieferdienstes tut das aber keinen Abbruch. Nutzen können ihn Prime-Kunden, die in Berlin oder Potsdam wohnen. Die Auswahl ist riesig, es gibt über 80000 frische Waren. Zudem arbeitet Amazon mit Partnern wie Butter Lindner, Rausch oder Basic zusammen. Für eine Lieferung am selben Tag kommen sie aber nicht infrage. Ich habe daher aus dem Standardangebot bestellt– morgens um elf – und habe ein Zeitfenster zwischen 16 und 18 Uhr bekommen. Der Lieferant kam um fünf, die Lieferung war komplett, gut gekühlt, frisch, unversehrt und in umweltfreundliche Papiertüten verpackt. Eine Liefergebühr fällt bei Einkäufen ab 40 Euro nicht an, nach einer einmonatigen Gratisphase kostet der Dienst aber knapp zehn Euro im Monat. Das macht nichts. Ein Preisvergleich mit dem nahen Edeka-Markt zeigt nämlich: Amazon ist bei allen Waren deutlich billiger. Heike Jahberg

REWE

Dass der Online-Einkauf bei Rewe recht lange dauert, liegt zunächst einmal am Angebot: Frischmilch? 19 Angebote. Käse? 246. Puh, sich zu entscheiden fällt noch schwerer als in der Filiale. Dazu kommt, dass der Mindestbestellwert 40 Euro beträgt. Also noch einen Sechserpack Wasser in den Warenkorb, den ich nur ungern in den sechsten Stock hochtrage, und ein Paket Kaffee, der nie fehlen darf. Geschafft. Als alle Lebensmittel auf dem Einkaufszettel abgehakt sind und die geforderte Summe erreicht ist, fühle ich mich erleichtert. Zumindest kurz. Dann lese ich: Der Kopfsalat kann gerade nicht geliefert werden. Stattdessen schlägt Rewe die viel teurere Salatmischung oder einen Eisbergsalat vor. Oh, und die gewünschten Erdbeeren kann ich auch nicht bekommen. Dafür aber Blaubeeren. Oder Bananen. Also weiter grübeln.

Für die Lieferzeit zwischen sieben und neun Uhr am nächsten Tag verlangt Rewe dann noch einmal 4,90 Euro. Würde ich mir die Sachen abends oder am freien Samstag bringen lassen, würde es mich noch einen Euro mehr kosten. Nicht wenig, dafür muss sich der Einkauf schon lohnen. Morgens bekomme ich überpünktlich eine SMS, dass es demnächst bei mir klingeln wird. Was stimmt. Der Fahrer ist freundlich, nichts fehlt. Die Lieferung klappt so gut, dass der etwas nervige Einkauf schon fast vergessen ist. Marie Rövekamp

BRINGMEISTER

Der Spruch klingt frech: „Bringmeister besorgt es ganz Berlin.“ So wirbt Edeka für den Lieferservice, den die Kette von Kaiser’s übernommen hat. Online soll es eine Auswahl „wie im Supermarkt“ geben. Auf den ersten Blick bestätigt sich das. Schnell füllt sich der Einkaufskorb mit Milch, Eiern, Tomaten, Erdbeeren, Sahne, Keksen. Schwierig wird es jedoch beim Fruchtjoghurt. 63 Sorten zeigt die Seite an – hinter den meisten steht aber: „in Kürze wieder verfügbar“. Ausgerechnet bei einem Allerweltsprodukt werde ich nicht fündig.

Vielleicht liegt das an der Bestellzeit am Freitagabend – ein paar Tage später ist wieder Joghurt in zig Varianten bestellbar. An diesem Wochenende muss es ohne gehen. Dafür bin ich überrascht, selbst Wurst von der Frischetheke ordern zu können, und wähle Schinken. Mitgeliefert wird der aber leider nicht – laut Lieferschein war er dann doch nicht verfügbar. Die übrigen Waren kommen pünktlich und heile an. Drei Euro kostet der Dienst an diesem Samstagabend. Je nach Wochentag und Uhrzeit gehen die Lieferkosten aber auf sechs Euro hoch. Und: Man muss mindestens für 35 Euro einkaufen. Carla Neuhaus

KAUFLAND

Ein paar Klicks und schwupp den Einkauf erledigt – so schnell geht das mit der Bestellung auf der Homepage von Kaufland dann aber doch nicht. Das liegt daran, dass die Produktsuche per Stichwort nur unzureichend funktioniert. Dafür ist das Angebot an Produkten riesig. Nachdem die Einkaufsliste abgearbeitet ist, zeigt die Rechnung allerdings einen Preis von weit unter 40 Euro – der Mindestbestellwert für eine Lieferung frei Haus. Also nutze ich die Gunst der Stunde und lege auch noch eine Familienpackung Waschmittel und diverse Getränke in den virtuellen Einkaufskorb.

Die Lieferung soll zwei Tage später innerhalb eines zweistündigen Zeitfensters am Abend erfolgen. Eine SMS informiert mich, dass der vereinbarte Termin eingehalten wird und „Julian“ die Lieferung überbringt. Kurze Zeit später schleppt ein freundlicher junger Mann meine Einkäufe in den dritten Stock. „Hast du das alles selbst eingekauft?“, fragt mein kleiner Sohn den Mann beeindruckt. Ich freue mich vor allem über die vollständige Lieferung und die Frische der Produkte: Alles ist einwandfrei. Sarah Kramer

ALLYOUNEEDFRESH

Woher wissen die, dass ich eine Schwäche für Kokosnuss-Joghurt habe? Nie zuvor habe ich Lebensmittel online bestellt. Doch von 200 denkbaren Geschmacksrichtungen bietet AllyouneedFresh, Tochter des weltgrößten Logistikkonzerns Deutsche Post DHL, mir Kokos als Erstes an. Unheimlich. Viel schneller als im Supermarkt um die Ecke geht es nicht, was wohl auch daran liegt, dass AllyouneedFresh nach eigenen Angaben etwa drei Mal so viele Produkte im Sortiment hat wie ein konventioneller Markt. Aber leider keine Erdbeeren – derzeit, heißt es. Dabei ist Hochsaison. Auch das trage ich mit Fassung, wundere mich aber, warum die Seite mir wiederholt Kiwis als Alternative anbietet. Die Registrierung läuft unkompliziert: Mail- Adresse angeben, Passwort wählen. Zahlung per Paypal, Rechnung, Amazon Payments, Kreditkarte und Sofortüberweisung ist möglich, ohne Extragebühr. Die Lieferung ist ab 40 Euro gratis.

Ich bestelle um 22 Uhr und kann für die Lieferung ein zweistündiges Zeitfenster am folgenden Abend wählen. Die Termine ab zehn Uhr sind vergeben. Per SMS und Mail werde ich eine Stunde vorher an die Lieferung erinnert. Der freundliche DHL-Fahrer kommt pünktlich– und ruft auf dem Handy an, weil er das gut sichtbare Klingelschild nicht gefunden hat. Am Ende ist alles da. Auch Salat und Tomaten wirken frisch. Die Bio-Heumilch hat allerdings nur noch drei Tage bis zum Mindesthaltbarkeitsdatum. Als ungefragtes Extra gibt es einen Gratisbecher veganen Crème-fraîche-Ersatz. Und vier Plastiktüten für einen Einkauf, den ich auch in zwei großen Papiertüten untergebracht hätte. Preislich liegt der Anbieter gefühlt zwischen Penny und Rewe. Kann man wieder machen. Kevin P. Hoffmann

MYTIME

Die Produktsuche ist einfach, das Angebot umfangreich – ich finde alles, was ich brauche. Einzig Bio-Varianten lässt Mytime vermissen: Nach Eingabe des Suchbegriffs „Bio-Schinken“ etwa präsentiert mir die Seite lediglich ein Gläschen Schinkennudeln von Hipp. Im Vergleich ist manches ein paar Cents teurer als in dem stationären Supermarkt, den ich gewöhnlich frequentiere. Dafür bekomme ich als Neukunde fünf Euro Rabatt. Den gibt es aber auch nur, weil ich einen Bestellwert von 30 Euro erreiche.

Dann das Erstaunen: Es ist Montagvormittag, als frühesten Liefertermin kann ich Samstag auswählen. Es liegt zwar ein Feiertag dazwischen – aber nur einer! Notgedrungen entferne ich ein paar Artikel wieder aus dem Warenkorb, die ich für ein Essen am Freitag benötige. Dafür muss ich doch wieder losgehen. Prompt rutsche ich unter die 30-Euro- Marke – der Rabatt ist futsch. Am Ende schlägt Mytime mir dann unerwartet nicht nur 4,99 Euro Versandkosten, sondern auch noch 4,90 Gebühr für „Frischegarantie“ drauf, weil ein Teil der Lebensmittel gekühlt werden muss. Der soll mich Samstag zwischen acht und zwölf Uhr erreichen. Für die übrigen Produkte wird „Samstag–Montag“ angegeben. Wie soll man da planen?

Am Samstag, draußen der Sommer, warte ich auf den Boten. Acht, neun und zehn Uhr verstreichen, elf und zwölf schließlich auch– so viel zum Namen „Mytime“. Obwohl ich meine Handynummer angegeben habe, meldet sich niemand. Kommen die noch? Um 12:30 Uhr klingelt es. Erst auf Nachfrage erklärt der DPD-Fahrer die Verspätung mit den Worten, es habe „einen Systemausfall gegeben“. Immerhin: Alle Produkte sind da – und von super Qualität. Mit prächtigen Erdbeeren gehe ich endlich raus in die Sonne. Maris Hubschmid

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