Von Bolle bis Kaiser's: Diese Händler haben Berlin geprägt
Die Supermarktkette Kaiser’s ist jetzt endgültig aus Berlin verschwunden. Einst gab es tausende Lebensmittelhändler in der Stadt: Ein Blick zurück.
Die letzten Kaiser’s-Schriftzüge in Berlin sind abmontiert – am vergangenen Montag wurden in der Reinickendorfer Residenzstraße, der Reichsstraße in Westend, der Friedrichstraße und am Leipziger Platz die vertrauten roten Leuchtbuchstaben von der Wand geholt. Stattdessen steht da jetzt „Edeka“ – Konkurrent Rewe hat seine Läden längst umgeflaggt. Erneut verschwindet ein Unternehmen aus dem Stadtbild, das für viele Kunden ein Stück Kindheit, Zuhause, und ja – auch ein Stück Berlin bedeutet hat. Kaiser’s reiht sich damit ein in eine lange und ehrenwerte Riege von Händlern, denen der Sprung ins Heute nicht gelungen ist.
DeFaKa, Stiller und Leiser
Erinnert sich noch jemand an das DeFaKa, das Deutsche Familienkaufhaus? Als einer der Ersten führte es ein Kunden-Kreditsystem ein, das sich im Nachkriegsdeutschland großer Beliebtheit erfreute. Bis in die 70er Jahre hinein thronte das DeFaKa in der eigens erbauten „runden Ecke“ Tauentzien-/Rankestraße, wo heute Modeketten und ein Fitnesscenter zu finden sind. Noch vor wenigen Jahren beherbergte das Gebäude auch das Schuhgeschäft Leiser – ein traditionsreiches Berliner Unternehmen, das es noch immer gibt, wenn auch an anderer Stelle. Wer weiß noch, dass es einst einen Wettbewerber mit dem passenden Namen Stiller hatte? Darüber lachte man gerne in West-Berlin, dass die beiden Schuh-Ketten „Stiller“ und „Leiser“ hießen.
Carisch Kaffee und die Gebrüder Manns
Der Betrieb des DeFaKa wurde 1954 von Horten übernommen. Noch so ein Name, den es nicht mehr gibt. Und nicht nur Kaiser’s war einst für seinen Kaffee bekannt, auch Carisch, das seinerseits eine Kanne im Logo trug. Gegründet von dem Berliner Kaufmann Ca(rl) Ri(chard) Sch(midt), gab es Carisch vielerorts in der Stadt, zum Beispiel auf der Potsdamer Straße. Weil die Geschäfte schwieriger wurden, verkaufte die Familie ihre Läden 1973 an einen gewissen Erivan Karl Haub, Eigner der Firma Tengelmann – und zu dem Zeitpunkt auch schon Besitzer der Kaiser’s-Märkte. Vielen in Berlin Aufgewachsenen dürften die Gebrüder Manns ein Begriff sein, deren Supermärkte später in Meyerbeck aufgingen – ehemals Meyer, ehemals Beck, alles nicht mehr da. 2008 wurden die 20 verbliebenen Filialen an – genau: Kaiser’s verkauft. Heute Verlierer, war Kaiser’s in der Geschichte also oft Nutznießer. Der Wandel der Berliner Händlerlandschaft, er ist ein Beleg dafür, dass Erfolg und Misserfolg oft nah beieinanderliegen – und nichts für die Ewigkeit gemacht ist.
Palm Zigaretten: Die mit dem Negerjungen
Das Kaufhaus Held am Walther-Schreiber-Platz war eine beliebte Adresse für Schnäppchenjäger. Foto Klinke, Kajot-Moden, Modehaus Boeldicke, Koffer-Panneck, die Bäckereien Pech und Wittler: passé. Nicht zu vergessen der Zigarettenhändler Palm, wo Rentner sich Zigaretten für zehn oder 20 Pfennig das Stück einzeln in Papiertüten packen ließen. Der „Negerjunge“ im Logo: fern jeder politischen Korrektheit. Und das war erst die halbe Stadt!
An diese und weitere große Verkaufsstätten, die der Vergangenheit angehören, erinnern wir in unserer Fotostrecke. Sicher ist wohl: Kaiser’s wird nicht der letzte Händler sein, der untergeht. Ursprünglich gab es tausende Lebensmittelhändler in der Stadt. Heute sind es um die 500, heißt es beim Handelsverband Berlin-Brandenburg. Dabei hat sich die Zahl der Läden insgesamt sogar erhöht. 21 000 Ladengeschäfte sind registriert – vom Späti bis zum KaDeWe. „Die Verkaufsfläche hat sich seit 1990 sogar verdoppelt“, sagt Geschäftsführer Nils Busch-Petersen. Das liegt daran, dass es immer mehr Filialisten gibt. Gewachsen sind in jüngster Zeit vor allem die Discounter. Ein Berliner Problem: „Wir haben nationale Player und viel Kleingewerbe. Aber immer weniger mittelständische Händler.“
Niemals geht man so ganz
Man sei, so heißt es bei Edeka, „überrollt worden von Anfragen von Menschen, die einen Leuchtschriftzug haben wollten“. Bei Kaiser’s geht das Licht aus – aber in den Partykellern der Stadt wird die Erinnerung weiterglühen.
Mitarbeit: Bernhard Schulz, Elisabeth Binder
Hinweis der Redaktion: In dieser Textversion haben wir den Begriff "Negerjunge" nach Leser-Anmerkungen in Anführungszeichen gesetzt. Der Begriff ist bewusst gewählt, er soll die Perspektive der damaligen Zeit widerspiegeln.