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Um „grünen“ Stahl herzustellen, soll Wasserstoff statt Koks als Reduktionsmittel genutzt werden.
© Imago/Jürgen Eis

Fossilfreie Stahlindustrie: Schweden setzt auf Stahl aus Wasserstoff

2020 soll eine Pilotanlage im schwedischen Luleå als erste weltweit CO2-frei produzieren.

Es ist weltweit eines der ehrgeizigsten Vorhaben für eine klimaneutrale Industrie: Die allererste Pilotanlage zur Stahlherstellung ohne fossile Energien entsteht zurzeit im schwedischen Luleå. Statt mit Koks soll Stahl dort mit Wasserstoff hergestellt werden. Hybrit heißt das Gemeinschaftsprojekt, zu dem sich der Stahlkonzern SSAB, der Bergbaukonzern LKAB und der Energiekonzern Vattenfall zusammengetan haben. Kommenden Sommer soll die Anlage die Produktion aufnehmen und eine Tonne Stahl pro Stunde herstellen.

Um „grünen“ Stahl herzustellen, müssen die Macher auf einen bewährten und hocheffizienten Prozess verzichten. Grundlage für die Stahlproduktion ist Roheisen, das heute noch wie seit alters her im Hochofen hergestellt wird. Der Prozess verringert den Sauerstoffgehalt von Eisenerz mit Hilfe von Koks. Kohlenmonoxid (CO), das bei der Verbrennung des Koks’ entsteht, nimmt dabei Sauerstoff aus dem Eisen auf und wird zu Kohlendioxid (CO2).

Die Idee hinter Hybrit ist, Wasserstoff statt Koks als Reduktionsmittel zu nutzen. „Im industriellen Maßstab hat man das schon mit einem anderen Gas gemacht, nämlich mit Methan“, berichtet der Leiter von Hybrit, Mårten Görnerup. Methan besteht aus Kohlenstoff und Wasserstoff, der Prozess der Reduktion verläuft im Prinzip wie im Hochofen. Nur wird das Eisen nicht geschmolzen, sondern in einem nicht-flüssigen Prozess von den Sauerstoffanteilen befreit. Herauskommt ein Zwischenprodukt – Eisenschwamm – das dann zu Stahl weiterverarbeitet wird.

Das Projekt wird mit 50 Millionen Euro gefördert

Methan durch Wasserstoff zu ersetzen, ist aber nicht ganz einfach: „Der chemische Mechanismus ist anders, außerdem muss mehr Energie zugeführt werden“, erklärt Görnerup. Doch wenn die Erbauer der Anlage es schaffen, den Prozess aus dem Labor im größeren Maßstab zum Laufen zu bringen, winkt ihnen ein großer Lohn: Statt des Klimagases Kohlendioxid entsteht einfach nur Wasserdampf.

Der schwedischen Regierung ist das Unterfangen einen kräftigen Zuschuss wert. Mit umgerechnet 50 Millionen Euro wird es von der Energieagentur des Landes gefördert. „Es ist die größte Zuwendung in der Geschichte der Energieagentur. Wir konnten sie nur machen, weil die Regierung die Initiative ,Klimasprung’ ausgerufen hat“, sagt Klara Helstad von der Energieagentur. Mit dieser Initiative will Schweden der erste fossilfreie Sozialstaat der Welt werden.

Der Grund für die Vorreiterrolle Schwedens bei der Dekarbonisierung der Industrie: Der Stromsektor ist durch die viele Wasserkraft schon nahezu fossilfrei. Und die weitverbreiteten Fernwärmenetze werden zu einem guten Teil klimaneutral mit Holz befeuert. Die Schweden müssen also im Industriebereich ansetzen, um ihre Minderungsverpflichtungen aus dem Paris-Abkommen zu erfüllen. Durch Hybrit könnten die CO2-Emissionen des Landes um bis zu zehn Prozent reduziert werden, hat die Energieagentur ermitteln lassen.

In 15 Jahren soll CO2-freier Stahl konkurrenzfähig sein

Der saubere Strom aus Wasserkraft hilft dabei. Mit ihm soll der Wasserstoff für die Anlage in Luleå hergestellt werden. Die Technik dafür ist schon erprobt: Strom fließt in Wasser und spaltet es in Wasserstoff und Sauerstoff. Nur teuer sind die dafür nötigen Elektrolyseure noch.

Insgesamt soll die Produktion des CO2-freien Stahls aus Luleå aber gar nicht so viel mehr kosten als die des herkömmlichen: 20 bis 30 Prozent im Vergleich zu einer heutigen Anlage werden es sein, schätzt Görnerup. Er rechnet sogar damit, dass das Produkt im Jahr 2035 zu konkurrenzfähigen Preisen auf den Markt kommt. Dann erst soll die fossilfreie Stahlherstellung im industriellen Maßstab funktionieren und 100 bis 200 Mal mehr Stahl produzieren als die Pilotanlage.

Drei Faktoren werden dem Projekt in die Hände spielen, glaubt Görnerup: „Koks ist weltweit nur zu schwankenden Preisen und manchmal sogar nur beschränkt verfügbar“, sagt er. Deshalb sei es attraktiv, diesen Grundstoff zu ersetzen. Außerdem würden die Kosten für das Verschmutzen der Atmosphäre mit CO2 durch den Emissionshandel der EU künftig steigen. Gleichzeitig rechnet Görnerup mit weiter sinkenden Kosten der erneuerbaren Energien.

Auch in Linz gibt es eine Pilotanlage

Das ist für das Projekt deshalb wichtig, weil die Elektrolyseure auch mit Windstrom betrieben werden sollen. „Wenn viel Wind weht, können wir die Wasserstoffspeicher füllen und wenn wenig Wind weht, können wir das Gas für die Produktion einsetzen. Das passt extrem gut mit dem erneuerbaren Energiesystem zusammen“, sagt er.

Allein sind die Schweden mit ihrem Projekt nicht. In Linz errichtet der österreichische Konzern Voestalpine zusammen mit Siemens einen der weltweit größten Elektrolyseure zur CO2-freien Herstellung von Wasserstoff. Damit sollen dessen Einsatzmöglichkeiten in den verschiedenen Prozessstufen der Stahlerzeugung sowie das Zusammenspiel mit dem Stromnetz getestet werden, teilte Voestalpine mit.

Der Hybrit-Partner Vattenfall untersucht derweil weitere industrielle Prozesse, in denen grüner Wasserstoff zu einer CO2-Reduktion beitragen kann. Dies betrifft den Einsatz in Raffinerien, bei der Zementherstellung und bei der Produktion von Grundstoffen in der chemischen Industrie.

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