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Die Kühltürme des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde in der Lausitz.
© Patrick Pleul/dpa

Studie zur Energiewende: Verzicht auf fossile Energieträger könnte Millionen Todesfälle verhindern

Ein Verzicht auf das Verbrennen von Kohle oder Erdöl könnte Todesfälle deutlich reduzieren. Aber die Reduktion des Feinstaubs hätte auch unerwünschte Folgen.

Würde man komplett auf das Verbrennen fossiler Energieträger verzichten, gäbe es jährlich etwa 3,6 Millionen Todesfälle weniger. Zu diesem Ergebnis kommen Computersimulationen einer internationalen Forschergruppe unter der Leitung von Jos Lelieveld vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. Fossile Brennstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas machten etwa zwei Drittel der globalen Luftverschmutzung aus, schreibt das Team in der Fachzeitschrift "PNAS". Weitere Quellen seien die Landwirtschaft, das Verbrennen von Biomasse sowie industrielle Schadstoffe.

Der kühlende Effekt fiele weg

"Würde man sämtliche Luftverschmutzungsquellen eliminieren, stiege die Zahl sogar auf über fünf Millionen pro Jahr", wird Ko-Autor Andy Haines von der London School of Hygiene and Tropical Medicine in einer Mitteilung des Instituts zitiert. In Deutschland könnten so demnach jährlich 124.000 Todesfälle vermieden werden. Die Forscher kombinierten ein globales Atmosphärenchemie-Klima-Modell mit aus Studien abgeleiteten gesundheitlichen Auswirkungen von Luftverschmutzung. Dazu gehörten Herz-Kreislauferkrankungen, chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen und Lungenkrebs.

Für das Klima hätte der Verzicht nicht nur gewünschte Folgen. Denn den Berechnungen zufolge tragen fossile Brennstoffe zu 70 Prozent zum kühlenden Effekt von Feinstaub bei. Die winzigen Partikel in der Luft reflektieren Sonnenlicht und sorgen so für eine geringere Erwärmung von Land- und Meeresflächen.

Würden keine von Menschen verursachten Feinstaubpartikel mehr in die Luft entlassen, hätte dies – im Vergleich zum jetzigen Status quo – kurzfristig eine zusätzliche Erhöhung der globalen Jahresmitteltemperatur um 0,73 Grad Celsius zur Folge. Durch eine gleichzeitige starke Reduktion kurzlebiger klimaschädlicher Gase wie Methan, Ozon und teilfluorierte Kohlenwasserstoffe würde die Erwärmung aber auf 0,36 Grad Celsius beschränkt, ergaben die Simulationen.

In den Tropen würde es mehr regnen

Das Verschwinden des Feinstaubs hätte auch Auswirkungen auf Niederschläge weltweit. "Durch die Verringerung der Aerosolkonzentrationen steigt der tropische Niederschlag tendenziell an, da die Partikel die Ozeane vor Sonnenstrahlung abschirmen, was die Verdampfung hemmt und den Wasserkreislauf verlangsamt", schreiben die Forscher. Indien bekäme demnach 10 bis 70 Prozent mehr Niederschlag ab, Nordchina 10 bis 30 Prozent, Zentralamerika, Westafrika und die Sahelzone jeweils 10 bis 40 Prozent mehr.

Thomas Leisner, Leiter des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), sagt, die Berechnungen entsprächen dem neuesten Stand der wissenschaftlichen Methodik. Er hält die Zahlen vorzeitiger Todesfälle aber für zu hoch. Bei der Berechnung solcher Todesraten gebe es noch große Unsicherheiten. Die Diskussion über den Sinn von Feinstaub- und Stickoxid-Grenzwerten, die kürzlich intensiv in Deutschland geführt wurde, hatte mit der Kritik von Lungenärzten an ähnlichen, aber weniger ausgereiften Modellrechnungen begonnen. (Tsp, dpa)

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