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Siemens-Beschäftigte auf der Straße. Am Donnerstagmorgen setzte sich der Protestzug gegen den Stellenabbau in Berlin in Bewegung.
© Hannibal Hanschke/rtr
Update

Demo gegen Stellenabbau: Schulz nennt Siemens-Pläne „asozial“

Die Siemens-Beschäftigten machen ihrem Zorn auf der Straße Luft und ziehen mit einem langen Autokorso durch Berlin. Auch der IG-Metall-Chef kündigt eine harte Gangart an.

Die Proteste gegen den Abbau tausender Arbeitsplätze im Siemens-Konzern haben am Donnerstag an Schärfe deutlich zugenommen. Arbeitnehmervertreter und Gewerkschafter sind weiterhin nicht bereit, mit der Unternehmensführung über die geplante Streichung von weltweit fast 7000 Stellen zu sprechen. „Wir werden nicht auf der Grundlage von Schließungsplänen verhandeln“, sagte IG-Metall-Vorstandsmitglied und Siemens-Aufsichtsrat Jürgen Kerner auf einer Protestkundgebung in Berlin, zu der rund 2000 Teilnehmer gekommen waren. „Siemens ist kein Sanierungsfall.“

Konzernchef Joe Kaeser reagierte erstmals auf die harte Kritik von Politikern, unter anderem von SPD-Chef Martin Schulz. Dieser bezeichnete den Stellenabbau auf der Berliner Kundgebung unter dem Jubel der Beschäftigten als „asozial“. „Dass durch Arbeitsplatzabbau die Effizienz des Unternehmens gesteigert wird, heißt übersetzt: Damit wir noch ein bisschen mehr Gewinn machen, schmeißen wir die Leute raus“, sagte der SPD-Chef.
Kaeser wies dies zurück. Siemens gehe „absehbare Strukturprobleme proaktiv an“ und suche nach „langfristigen Lösungen“, schrieb er in einem Brief, aus dem das „Handelsblatt“ zitierte. Das schwierige „Energieerzeugungsgeschäft“, das vom Stellenabbau nun besonders betroffen ist, sei auf die „in der Sache richtige, aber in Ausführung und Timing höchst unglücklich umgesetzte Energiewende“ zurückzuführen. Siemens kämpfe mit einem „Wettbewerbsnachteil, mit dem unsere Hauptwettbewerber mit ihren Regierungen nicht zu kämpfen haben.“

SPD-Chef Schulz bei der Kundgebung von Siemens-Mitarbeitern in Berlin.
SPD-Chef Schulz bei der Kundgebung von Siemens-Mitarbeitern in Berlin.
© Reuters/Hannibal Hanschke

Zur Kundgebung am Tagungshotel der jährlichen Siemens-Betriebsräteversammlung in Neukölln waren Teilnehmer aus ganz Deutschland angereist. Dicht an dicht standen sie nebeneinander, mit Trommeln, Trillerpfeifen und Tröten. „Das ist Steinzeitkapitalismus“, sagte Klaus Abel, Erster Bevollmächtigter der IG Metall in der Hauptstadt. Abel verwies auf den Siemens-Gewinn von mehr als sechs Milliarden Euro. „Wehrt Euch! Empört Euch!“, rief er. Zuvor hatten Beschäftigte mit einem Korso aus 100 Autos gegen die angekündigten Stellenstreichungen demonstriert.

Siemens will seine Werke in den sächsischen Städten Görlitz und Leipzig mit zusammen 920 Arbeitsplätzen schließen, in Berlin sollen fast 900 Arbeitsplätze wegfallen. Auch in Offenbach und Erfurt sind Einschnitte vorgesehen. Insgesamt sollen in Deutschland rund 3500 Stellen abgebaut werden. Begründet wies dies mit einer absehbaren Auftragsflaute in der Kraftwerkstechnik und bei Generatoren. Sollte das Werk in Görlitz, wo die Auftragsbücher voll sein sollen, tatsächlich geschlossen werden, würde sich die Arbeitslosigkeit dort von 15 Prozent auf 23,5 Prozent erhöhen. „An einem Industriearbeitsplatz hängen immerhin vier, fünf weitere, zum Beispiel die von Zulieferern“, sagte der ostdeutsche IG-Metall- Chef Olivier Höbel. „Viele tausend Existenzen stehen auf dem Spiel.“

Jörg Hofmann kündigt "ordentlichen Krawall" an

Siemens-Personalchefin Janina Kugel verteidigte vor den Betriebsräten ebenfalls die Pläne zur Umstrukturierung der Kraftwerks- und Antriebssparte. „Für die Betroffenen ist das nicht immer nachvollziehbar, dessen bin ich mir bewusst“, sagte sie laut Redemanuskript. „Deshalb müssen wir so vielen Mitarbeitern wie möglich einen Ausweg anbieten.“ Es sei der Markt, der Siemens die Pflicht zu handeln diktiere. „Lediglich wie wir handeln, bestimmen wir. Aber wenn wir nicht handeln, riskieren wir, diese Geschäfte ganz zu verlieren“, sagte Kugel.

Die Arbeitnehmervertreter zeigten sich unnachgiebig. IG Metall-Chef Jörg Hofmann kündigte in der „Süddeutschen Zeitung“ an, seine Organisation werde „nun ordentlich Krawall machen“. Siemens solle vielmehr über Investitionen Jobs schaffen. „Wir werden die Beschäftigten ganz bestimmt nicht alleine ihrem Schicksal überlassen“, betonte er. Vage blieb Hofmann aber bei der Frage, ob es zu Ausständen bei dem Konzern kommt: „Streik bleibt immer das letzte Mittel.“

Mehrere Landes-Wirtschaftsminister sowie die Berliner Wirtschaftssenatorin luden den Siemens-Vorstand zu einem Gespräch ein. Man erwarte Erläuterungen über die Standortschließungen, teilten Ramona Pop (Grüne) und die Minister Martin Dulig aus Sachsen, Wolfgang Tiefensee aus Thüringen und Albrecht Gerber aus Brandenburg (alle SPD) mit.
Auch Siemens-Chef Joe Kaeser ging auf die Kritiker aus der Politik ein. Er lud SPD-Chef Schulz außerdem zum Dialog ein: Er stehe ihm „jederzeit gerne persönlich zur Verfügung“, schrieb Kaeser.

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