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Protest vor dem Bundestag. SPD-Chef Schulz und SPD-Fraktionsvorsitzende Nahles empfingen Siemens-Mitarbeiter.
© Silas Stein/dpa

Aktuelle Stunde im Bundestag: Politiker klagen Siemens-Vorstand an

Siemens will fast 3500 Arbeitsplätze in Deutschland abbauen, im Bundestag stoßen die Pläne auf scharfe Kritik - vor allem von ostdeutschen Abgeordneten.

Siemens muss sich wegen des geplanten Stellenabbaus in Deutschland massive Kritik von Politikern und Vertretern der amtierenden Bundesregierung gefallen lassen. Am Dienstag erreichten die in der vergangenen Woche bekannt gegebenen Pläne des Unternehmens, fast 3500 Stellen vor allem in Ostdeutschland und Berlin zu streichen, den Deutschen Bundestag. In einer aktuellen Stunde, die die SPD beantragt hatte, warfen Politiker aller Fraktionen (mit Ausnahme der AfD) Siemens angesichts eines Milliardengewinns Verantwortungslosigkeit vor. Am Mittag hatten Siemens-Beschäftigte vor dem Bundestag demonstriert. Empfangen wurden sie von SPD-Chef Martin Schulz und SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles. Ein gutes Dutzend Beschäftigte verfolgte auch die Debatte im Bundestag.

„Die Siemens-Belegschaft muss für krasse Managementfehler bluten“, sagte Schulz in der Bundestagsdebatte. „Das ist nicht das Verhalten von verantwortungsbewussten Managern.“ Der geplante Stellenabbau sei „inakzeptabel“ und ein „altes Mittel, das kapitalistische Unternehmen immer nutzen“, wenn ihnen nichts mehr einfalle. Für die besonders betroffenen Regionen im Osten Deutschlands seien dies „schwere Schläge“. Siemens gefährde den Standort Deutschland, sagte Schulz. Siemens will seine Werke in den sächsischen Städten Görlitz und Leipzig mit zusammen 920 Arbeitsplätzen schließen, in Berlin sollen fast 900 Arbeitsplätze wegfallen. Auch in Offenbach und Erfurt sind Einschnitte vorgesehen. Zusammen mit dem Personalabbau im Ausland stehen 6900 Stellen zur Disposition.

"Siemens-Bashing hilft nicht weiter"

Redner von Union und FDP verwiesen auf den Strukturwandel im weltweiten Kraftwerks- und Antriebsgeschäft, das Siemens nun umbauen müsse, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Außerdem schaffe der Konzern im Gegenzug in anderen Bereichen in diesem Jahr 5000 neue Jobs. „Siemens-Bashing hilft nicht weiter“, griff der CDU-Abgeordnete Joachim Pfeiffer Martin Schulz an. Auch Pfeiffer appellierte an die Siemens-Führung, frühere Abkommen zu Standort- und Beschäftigungsgarantien einzuhalten und alle Instrumente wie Altersteilzeitregeln oder Qualifizierungen im Interessenausgleich mit der Belegschaft zu nutzen.

Gut verdient. Dem Siemens-Konzern geht es insgesamt blendend.
Gut verdient. Dem Siemens-Konzern geht es insgesamt blendend.
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„Ich kann den Frust der Menschen in der Region verstehen“, sagte der sächsische FDP-Abgeordnete Thorsten Herbst. So hänge über der Lausitz das „Damoklesschwert“ des Kohleausstiegs, das traditionsreiche Bombardier-Waggonwerk in Görlitz sei in Gefahr und nun schließe auch noch Siemens seine Werke in Sachsen. „Warum kann ein so großer Konzern, der langfristig entscheidet, nicht neue und andere Produkte an diesen Standorten produzieren“, fragte Herbst. Er hoffe, dass das letzte Wort bei Siemens dazu noch nicht gesprochen sei.

Auch Stephan Kühn von den Grünen sprach von einem „Job-Kahlschlag“. Das Siemens-Werk in Görlitz, wo Dampfturbinen produziert werden, sei einer der „letzten Leuchttürme in der strukturschwachen Region“. Die Auftragsbücher seien voll. Dies werde in der fernen Siemens-Zentrale, wo man viel zu lange an der „alten Energiewelt“ festgehalten habe, aber offenbar nicht zur Kenntnis genommen. Kühn zitierte Werner von Siemens mit den Worten: „Für augenblicklichen Gewinn verkaufe ich die Zukunft nicht.“

Siemens-Betriebsräte tagen in Berlin

An diesem Mittwoch beginnt in Berlin eine Siemens-Betriebsrätetagung der IG Metall, erwartet werden bis zu 3000 Teilnehmer. Für Donnerstag hat die Gewerkschaft zu einer weiteren Siemens-Großkundgebung in Berlin aufgerufen.

IG-Metall-Vorstandsmitglied Jürgen Kerner bekräftigte am Dienstag, die Arbeitnehmer würden harten Widerstand gegen den Stellenabbau leisten: „Wir werden dann mit der Siemens-Führung über die Schließungspläne verhandeln, wenn diese zurückgenommen werden. Vorher gibt es nichts zu besprechen.“ Als letztes Mittel schloss Kerner auch Streiks nicht aus. Ein Siemens-Sprecher betonte, das Unternehmen habe einen „fairen und offenen Dialog“ zugesagt und die Arbeitnehmervertreter zu Gesprächen eingeladen. Diese seien bedauerlicherweise nicht gesprächsbereit. Ein Regierungssprecher hatte am Montag gesagt, die Bundesregierung gehe davon aus, dass sich die Unternehmensführung nun in enger Abstimmung mit den Arbeitnehmervertretern um faire Regelungen für die betroffenen Standorte kümmere.

Henrik Mortsiefer

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