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Ansage. „Allen muss klar sein, dass der Status Quo bei Opel keine Option ist“, sagte PSA- Chef Carlos Tavares nach der 2,2 Milliarden Euro teuren Übernahme.
© Christophe Ena/AP/dpa

Nach PSA-Übernahme: Schonfrist für Opel läuft ab

Nach der Übernahme des Autobauers erwartet PSA-Chef Tavares ein Sanierungskonzept – das Management muss in der kommenden Woche liefern.

Tina Müller hat ihren Schreibtisch bei Opel in Rüsselsheim schon Ende September geräumt. Sie ist der erste prominente Abgang nach der Übernahme des Autobauers durch den französischen Wettbewerber PSA (Peugeot/Citroën). Müller, verantwortlich für die viel beachtete Werbe-Kampagne „Umparken im Kopf“, sei auf eigenen Wunsch gegangen, heißt es offiziell. Aber wohl auch, weil Opel vor sehr unruhigen und ungewissen Zeiten steht.

Dies hat PSA-Chef Carlos Tavares nach der 2,2 Milliarden Euro teuren Übernahme von Opel und der britischen Schwestermarke Vauxhall zum 1. August von General Motors (GM) deutlich gemacht. „Allen muss klar sein, dass der Status Quo bei Opel keine Option ist.“ Das Unternehmen produziert zu teuer, verkauft zu wenige Autos, fährt jeden Tag einen Verlust von rund vier Millionen Euro ein. 100 Tage hat Tavares Opel-Chef Michael Lohscheller gegeben, um einen Sanierungsplan auf den Tisch zu legen – am 8. November soll er dem Opel-Aufsichtsrat präsentiert werden. Der Plan wird weitere Einschnitte bringen, wenn auch nicht sofort.

Bis Ende 2018 sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen

Noch gilt eine Bestandsgarantie zumindest für die 19000 der insgesamt 38000 Opelaner in Deutschland. Und für die Opel-Fabriken. PSA erfüllt die laufenden Tarifverträge, die bis Ende 2018 betriebsbedingte Kündigungen ausschließen und ebenso bis 2020 das Aus für die Opel- Werke. Auch die mit GM vereinbarten Aufträge für das Internationale Entwicklungszentrum von Opel in Rüsselsheim mit seinen 7700 Experten sollen abgeschlossen werden.

Aber was wird dann? Opel geht es weiter nicht gut, eher sogar noch schlechter als in den vergangenen Jahren. Im September sind die Absatzzahlen in Europa im Vergleich zum Vorjahresmonat um 10,5Prozent auf knapp 91000 Fahrzeuge abgesackt. Auch in Deutschland ging es leicht um 0,3Prozent auf rund 21800 Autos nach unten. Seit 1999 steckt der Auto-Hersteller in den roten Zahlen mit addierten Verlusten von 13 Milliarden Euro. Während die Franzosen im ersten Halbjahr einen Gewinn von 1,26 Milliarden Euro verbuchen konnten, war es bei Opel schon wieder ein Minus von fast 400 Millionen Euro. 1,7 Milliarden Euro Synergien und Einsparungen soll der Zusammenschluss pro Jahr bringen, ab 2020 soll Opel endlich einen Betriebsgewinn einfahren.

Management verspricht abgestimmten "Zukunftsplan"

Die Verunsicherung im Unternehmen ist beträchtlich. Lohscheller hat versprochen, einen „Zukunftsplan“ in enger Abstimmung mit dem Betriebsrat und den Gewerkschaften auszuarbeiten und vorzulegen. Vom möglichen Stellenabbau betroffene Mitarbeiter soll ein anderer Job im Unternehmen angeboten werden, Altersteilzeit soll voll ausgeschöpft werden, fordert der Betriebsrat. Bedroht sind mittel- und langfristig möglicherweise das Werk in Eisenach und die Motoren- und Komponentenfabrik in Kaiserslautern. Schließlich sollen Antriebsstränge künftig aus Frankreich kommen. Und PSA setzt voll auf Elektromobilität. Ab 2023 sollen vier von fünf Modellen aus dem Konzern elektrisch fahren. Opel hat zwar den Ampera-E. Der aber wird – mehr als stockend – von GM geliefert. Letztlich könnten auch Opel-Modelle, die unter der Regie von GM geplant wurden und in Deutschland vom Band laufen sollten, auf der Kippe stehen. Immerhin arbeiten Entwicklungsteams von PSA und Opel schon länger sehr gut zusammen und haben mehrere Modelle gemeinsam auf den Markt gebracht, die unter den Marken Peugeot und Opel verkauft werden.

Das ändert aber nichts daran, dass es bei Opel Einschnitte geben muss. PSA hat sie unter der Regie von Tavares schon hinter sich. 33000 Stellen wurden von 2011 bis 2016 gestrichen, die Produktivität deutlich gesteigert, so dass PSA wieder Gewinne einfährt.

Experten sehen bis zu 6000 Jobs in Gefahr

Branchen-Experte Stefan Bratzel von der Fachhochschule in Bergisch-Gladbach betont, dass Opel weiter saniert werden und mittelfristig mit einem deutlichen Stellenabbau gerechnet werden müsse. Es sei denn, Opel kann seinen Marktanteil erkennbar erhöhen. Deutlicher wird Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. Mit jedem verkauften Auto verbuche PSA einen Gewinn von 913 Euro, bei Opel dagegen falle ein Verlust von 686 Euro an. „Hätte Opel die gleiche Arbeitsproduktivität wie PSA hätten die 2016 von Opel und Vauxhall hergestellten Autos mit 33205 Mitarbeitern produziert werden können – das wären 4965 Mitarbeiter weniger.“ Weil Dudenhöffer auch im Entwicklungsbereich Doppelfunktionen bei PSA wähnt, sieht er bei Opel mittelfristig sogar 6000 Jobs auf der Kippe.

Dass PSA-Chef Tavares Ernst machen dürfte, zeigt die Entwicklung in Großbritannien. Dort soll im Vauxhall-Werk Elsmere Port jede vierte der rund 1600 Stellen wegfallen. Die von Opel-Chef Lohscheller im August als „Geburt eines europäischen Champions“ gefeierte Übernahme durch die Franzosen dürfte für die Opelaner noch sehr kompliziert werden.

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