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Wir bauen Elektroautos: Die Fabrik von Kangdi Vehicles in Changxing bei Shanghai. Fünf Millionen E-Autos sollen bis 2020 auf Chinas Straßen rollen.
© imago/China Foto Press

Elektromobilität in China: Schneller als Google

In China beginnt jetzt mit staatlicher Hilfe das „Internet der Autos“. Die nächste digitale Revolution soll aus dem Reich der Mitte kommen.

Chinas Automobilsektor steht vor fundamentalen Veränderungen. Durch die staatliche Förderung der Elektromobilität versucht die chinesische Führung schon seit geraumer Zeit, die heimische Autoindustrie zu stärken. Das, was heute bereits in der E-Mobilität gelingt, dürfte sich bald in einem neuen Bereich fortsetzen.

Denn China sieht in der zunehmenden Vernetzung von Fahrzeugen eine neue und noch größere Chance, politisch in den Automobilsektor einzugreifen und die Entwicklung eigener Technologien und Geschäftsmodelle zu fördern. Für deutsche Autobauer auf dem chinesischen Markt dürfte dies ungemütliche Auswirkungen haben.

Die E-Mobilität beweist, wie wirkungsvoll chinesische Industriepolitik sein kann. Die Verkaufszahlen für E-Autos stiegen zuletzt rapide an. Während in China 2013 insgesamt nur rund 18 000 E-Fahrzeuge verkauft wurden, kletterte die Zahl 2014 um mehr als 400 Prozent auf beachtliche 75 000.

Chinesen investieren massiv in die Förderung von E-Autos

Das politische Ziel von fünf Millionen E-Autos, die bis 2020 auf Chinas Straßen fahren sollen, liegt damit zwar immer noch in der Ferne. Doch die Zahlen zeigen auch, was die chinesische Führung bereit ist einzusetzen, um ihre Ziele zu erreichen.

Bislang können chinesische Autobauer nur 40 Prozent Marktanteil für sich behaupten, Autohersteller mit ausländischer Beteiligung halten hingegen rund 60 Prozent der Anteile. Die Förderung der E-Mobilität soll chinesischen Autobauern daher einen neuen Absatzmarkt bieten, auf dem sich chinesische Autos – und nach Möglichkeit nur chinesische Autos – behaupten können.

Deswegen investiert die chinesische Regierung massiv in die Förderung von E-Autos und schließt dabei alle Fahrzeuge, die nicht in China entwickelt und produziert wurden, von Subventionen, Steuerbefreiung und öffentlicher Beschaffung aus. Dies führt dazu, dass die große Mehrheit der in China verkauften E-Autos bereits heute von heimischen Herstellern stammt.

Das Internet der Autos: Alle Daten gehören dem Staat

Für die Zukunft setzt China jedoch nicht nur auf E-Mobilität, um heimische Autobauer zu stärken. Ein weiteres Feld der chinesischen Industriepolitik im Automobilsektor zeichnet sich ab: die Einbettung des Autos in eine digitale Infrastruktur. Analog zum Internet der Dinge ist in China bereits von einem „Internet der Autos“ die Rede.

Auf diese Weise entstehen Unmengen an Daten. Daten, die sensible Informationen über die Fahrzeuge sowie über Fahrverhalten und Vorlieben ihrer Fahrer enthalten. In Deutschland tobt eine Debatte, wer solche Daten erheben und verarbeiten darf. In China dagegen steht außer Frage, dass diese Daten zuallererst dem Staat gehören.

Erste vom Staat initiierte Pilotprojekte werden dieses Jahr beginnen, um die Erhebung und Verarbeitung von Fahrprofilen mit sogenannten On-Board-Units (OBUs) zu testen, aufgrund derer Versicherungsprämien ermittelt werden. Städte wie Wuhan rühmen sich ihrer Fortschritte beim Aufbau eines „Internets der Autos“, das über innerstädtische Maut-Brücken und elektronische Lizenzplaketten, die Daten über Fahrzeug und Fahrer enthalten, eine Nachverfolgung des gesamten innerstädtischen Verkehrs möglich macht.

Ein staatliches Militärunternehmen wiederum hat eigenen Angaben zufolge ein auf chinesische Satellitentechnologie gestütztes „Internet der Autos“ entwickelt und will dieses noch in diesem Jahr unter anderem in den neuen SUVs des chinesischen Autobauers Geely testen.

Hauptsache schneller als die Konkurrenz

Doch auch die Privatwirtschaft engagiert sich bei der Entwicklung des „Internets der Autos“, darunter Chinas Schwergewichte der Internet- und Telekommunikationsbranche: Alibaba, Tencent, Huawei und Co. folgen in ihren Kooperationen mit Autoherstellern wie Shanghai Automotive und Chang’an zwar durchaus wirtschaftlichen Interessen. Doch Planungspapiere von Ministerien legen nahe, dass sie vor allem deshalb in den Automobilsektor vordringen, weil der Staat diese Kooperationen will und fördert.

Er hofft, dass so etwas vom Glanz der erfolgreichen Konzerne auf die heimische Autoindustrie abfärbt. Denn die nächste digitale Revolution soll aus China kommen. Und während Google und Apple ebenfalls das Auto für sich entdecken, lautet in China die Devise, diesmal schneller zu sein als die großen Vorbilder und Konkurrenten aus den USA.

Um die Entwicklung der Automobilbranche nach ihren Vorstellungen zu lenken, entwickelt die chinesische Führung im Zuge der zunehmenden Vernetzung immer schlagkräftigere Konzepte. Die Szenarien reichen von Alleingängen in der Standardisierung über die obligatorische Erhebung und Nutzung von Fahrprofilen durch den Staat bis hin zum Verbot nicht chinesischer Systemsoftware und der erzwungenen Freigabe von Programm-Quellcodes.

Das Beispiel der E-Mobilität zeigt, dass China bereit ist, derartige Anstrengungen zu unternehmen, um heimischen Firmen größere Marktanteile zu verschaffen. Deutsche Autobauer werden auf dem chinesischen Markt daher in Zukunft nicht nur mit neuen und starken Konkurrenten wie Alibaba konfrontiert sein, sondern bald auch mit der Frage, ob sie bereit sind, ihre Prinzipien zur Sicherheit von Daten und Technik im Tausch gegen Marktanteile über Bord zu werfen.

Die Autorin ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Mercator Institut für China Studien (MERICS)

Mirjam Meissner

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