Elektromobilität: Ideen zum Anzapfen
Wie keine andere chinesische Stadt treibt Peking die Elektromobilität voran. Dabei rückt Berlin als Wirtschaftspartner immer mehr in den Fokus.
Berlin ist stolz auf sein internationales Schaufenster Elektromobilität. Seit 2012 können die Hauptstädter sie zunehmend in der Praxis erleben: elektrische Carsharing-Angebote sind entstanden, öffentliche Ladesäulen wurden eingeweiht, innovative Verkehrskonzepte erprobt, neue Fahrzeugtypen getestet und Streifenwagen der Polizei elektrifiziert.
Das alles macht Berlin aber nicht nur für sich. Die eine oder andere bewährte Idee würden die mehr als 200 Unternehmen und Institutionen, die sich in der Region auf dem Feld der Elektromobilität betätigen, gerne auch exportieren. Zum Beispiel nach China. Keine Nation treibt die Entwicklung der Elektromobilität so forciert voran wie die Volksrepublik. „Was China fehlt, ist eine umfangreiche Roadmap, wie sich die verschiedenen Teile des E-Mobilität-Marktes entwickeln sollen“, sagt Julian Schwabe, Analyst für die China Greentech Initiative in Peking. Deshalb lohne sich eine Zusammenarbeit mit Berlin für Peking vor allem mit Blick auf die Strategiebildung, glaubt er.
Chinas Hauptstadt steht unter einem besonderen Handlungsdruck. Mit mehr als fünf Millionen Fahrzeugen ist sie die verkehrsreichste Stadt im Land. Zwar kämpft sie mit einer restriktiven Zulassungspolitik gegen den Verkehrskollaps und den wiederkehrenden Smog an. Trotzdem: Bei der Feinstaubbelastung ist Peking trauriger Rekordhalter.
China muss einen „lebensfähigen Markt“ noch aufbauen
Bereits 2009 wurde Peking als eine der ersten Städte zur Pilotregion in Sachen Elektromobilität auserkoren. Seither hat die Hauptstadt ihre Busflotte um mehrere hundert elektrische Fahrzeuge erweitert. Auch Carsharing-Angebote und Taxis mit Elektroantrieb sieht man immer häufiger im Stadtbild. Fünf Millionen Fahrzeuge mit alternativem Antrieb will China bis 2020 auf seinen Straßen haben. Ende 2013 war die Volksrepublik von diesem Ziel noch weit entfernt: Gerade einmal 18 000 Elektro- und Hybridfahrzeuge wurden gezählt.
Die chinesische Regierung habe den Aufwand und die Komplexität des Problems unterschätzt, sagt Schwabe. So fördert der Staat, je nach Region, zwar den Kauf eines privaten Pkw mit E-Antrieb mit umgerechnet bis zu 15 000 Euro. „Das hat aber in keiner erkennbaren Weise dazu geführt, dass sich der Markt für E-Autos weiterentwickelt hat“, sagt Schwabe. China sei es bisher nicht gelungen, einen „lebensfähigen Markt“ aufzubauen, meint der Analyst. So ist der Halter eines E-Fahrzeugs in Peking beispielsweise damit konfrontiert, dass es kaum öffentlich nutzbare Ladesäulen gibt. Die hohen Grundstückspreise in der dicht bebauten Innenstadt machen die Installation zu einer teuren Angelegenheit.
„Das sind die gleichen Probleme, die wir in Europa haben“, sagt Gernot Lobenberg, Leiter der Berliner Agentur für Elektromobilität emo. Mit geschätzt 10 000 Euro pro Ladesäule sind die Geräte auch hierzulande kein Schnäppchen. Intelligente Lösungen sind gefragt. Das Berliner Start-up Ubitricity etwa schlägt ein Ladekabel vor, mit dem sich das Elektroauto theoretisch in die Straßenlaterne stöpseln lässt. Anfragen aus China gab es angeblich schon.
Deutsche Unternehmen liefern die nötige Technologie
Nun kommt es darauf an, dass nicht jeder Netz- und Fahrzeuganbieter sein eigenes Süppchen kocht. „Es kann ja nicht sein, dass in Peking oder Berlin verschiedene Ladeinfrastrukturen aufgebaut werden müssen, um verschiedene Fahrzeuge bedienen zu können“, sagt Lobenberg. Die Bemühungen um eine sogenannte „diskriminierungsfreie Ladeinfrastruktur“, in der ein Stecker in alle Fahrzeugmodelle und Ladesäulen passt, stehen derzeit ganz oben auf der Agenda im Gespräch mit ausländischen Partnern, Energieversorgern und internationalen Konzernen.
Doch der Wunsch, einheitliche Standards zu schaffen, steht im Widerspruch zu manch anderen industriepolitischen Interessen, befürchtet Lobenberg. Denn eines haben Berlin und Peking gemeinsam: Beide wollen Weltmarktführer in der Elektromobilität werden. „Das Thema Wettbewerb ist heiß diskutiert, zwischen den Wettbewerbern selbst, aber auch in der Politik“, sagt Lobenberg. „Zu einer vernünftigen Abstimmung zu kommen, ohne die Entwicklung der Elektromobilität insgesamt zu behindern, wird eine große Herausforderung sein.“
Andererseits sind Joint Ventures zwischen deutschen und chinesischen Firmen gerade groß in Mode. Während China seinen Vorsprung in der Fertigung und Entwicklung von Lithium-Ionen-Batterien weiter ausbauen konnte, bringen deutsche Unternehmen das nötige Know-how in der Antriebstechnologie mit. „Das sind komplexe Sachverhalte, die weit über die Batterieherstellung hinausgehen“, sagt Lobenberg.