Trumps neuste Strafzölle: Schlechte Laune von Kansas bis Nord-Dakota
Die USA und China wollen diese Woche erneut gegenseitig die Zölle erhöhen. Auch Trump-Unterstützern geht dieser Handelsstreit langsam zu weit.
Der Handelskrieg zwischen den Vereinigten Staaten und China dürfte an diesem Donnerstag eine neue Qualität erreichen. Beide Seiten werden wohl weitere milliardenschwere Strafzölle erheben.
Die USA hatten vor zwei Wochen eine Liste mit 300 chinesischen Produkten veröffentlicht, auf die sie die Importzölle um 25 Prozent anheben werden, was – sofern diese im gleichem Umfang wie bisher geliefert werden würden – die Güter aus China um insgesamt rund 16 Milliarden Dollar (14 Milliarden Euro) verteuern würde. Auf der Liste stehen unter anderem Chemikalien für die Industrie und die Landwirtschaft, Düngemittel zum Beispiel. Die Chinesen haben bereits als Antwort angekündigt, im gleichen Volumen Zölle auf US-Güter einzuführen. Deren Liste reicht von Kohle bis zu medizintechnischen Produkten.
Der Konflikt der beiden Supermächte, der damit begonnen hatte, dass die USA zunächst 25 Prozent auf chinesische Güter im Volumen von ungefähr 50 Milliarden Dollar eingeführt hatten, verschärft sich somit beträchtlich. Signale der Entspannung gibt es kaum. Immerhin haben sich beide Seiten nun darauf verständigt, dass eine chinesische Delegation „noch im August“, wie es hieß, zu Verhandlungen nach Washington reist. Zugleich prüft die Trump-Administration bereits den übernächsten Schritt – eine Anhebung von Zöllen für weitere Güter um zehn Prozent in einem Gesamtvolumen von 200 Milliarden Dollar (175 Milliarden Euro). Am 6. September soll das Ergebnis dieser Prüfung vorliegen. Sollten auch diese Zölle eingeführt werden, hat China bereits angedroht, weitere Maßnahmen im Volumen von 60 Milliarden Dollar zu ergreifen.
US-Präsident Donald Trump hatte wiederholt erklärt, dass die Zölle dazu dienen, die USA wieder auf Augenhöhe mit dem Handelspartner zu bringen. Er verwies auf das bilaterale Handelsbilanzdefizit zuungunsten Amerikas. China habe sich über Jahrzehnte an den USA bereichert. Gleiches sagte Trump mehrfach mit Blick auf die Außenhandelsbilanz mit Deutschland (siehe dazu Seite 15). Gleichwohl hatten er und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach einem persönlichen Treffen vereinbart, dass die USA und EU vorerst auf weitere Zollschritte verzichten – wobei unklar blieb, wie lange diese Zusage Bestand hat. Am Montag wurden Abgesandte Junckers in Washington zu Gesprächen erwartet. Ergebnisse des Treffens waren bis Redaktionsschluss nicht bekannt.
„Unser Land wurde auf Zöllen erbaut, und Zölle ebnen uns den Weg zu neuen großartigen Handelsabkommen – im Gegensatz zu den fürchterlichen und unfairen Abkommen, die ich von meinem Amtsvorgänger geerbt habe“, twitterte Trump vergangene Woche zum Thema. Gleichwohl zeigt die Entscheidung seiner Administration, sich bei den Zöllen auf chinesische Industrieprodukte – und nicht auf Konsumgüter – zu konzentrieren, dass Trumps Regierung Verbrauchern in den USA zumindest kurzfristig steigende Preise ersparen möchte.
Die protektionistische Handelspolitik provoziert zugleich wachsenden Widerstand von Unternehmensverbänden und Politikern aus Trumps Republikanischer Partei, die bisher zu seinen stärksten Unterstützern zählten. „Nach Inkrafttreten von Zöllen im Volumen von 50 Milliarden Euro und angesichts einer anhaltend fehlenden Strategie im Kampf gegen Chinas schädliche Handelspolitik, ist nun die Zeit reif dafür, dass die Vereinigten Staaten und China an den Verhandlungstisch zurückkehren und eine Lösung erarbeiten“, erklärt zum Beispiel Myron Brilliant, ein führender Kopf der mächtigen US-Handelskammer.
Senator von Kansas: Wir spüren negative Auswirkungen
Mittlerweile schlagen auch einst verlässliche Republikaner-Freunde Trumps Alarm in Washington, da sie zunehmend Druck von der Basis bekommen, speziell der in der Landwirtschaft. „Zölle sind für unsere Produzenten und Verbraucher wie Steuern, zudem spüren wir bereits die negativen Auswirkungen im Form schrumpfender Marktanteile“, sagte der republikanische Senator für den Bundesstaat Kansas, Pat Roberts, dem Tagesspiegel. „Ich hoffe, dass die Administration daran arbeitet, diese Situation schnell zu bereinigen und die Exportmärkte, auf die unsere Landwirte und Viehhalter angewiesen sind, wiederherstellt“, fügte er hinzu. Roberts ist zugleich Vorsitzender des einflussreichen Landwirtschaftsausschusses des Senats.
Für die Republikaner gewinnt die Debatte zu einem ungünstigen Zeitpunkt an Schwung. Bei den Kongresswahlen im November geht es für die Partei darum, die Mehrheit in dieser Kammer zu verteidigen. Der parteiinterne Streit in diesen Handelsfragen könnte in einigen Staaten Wählern Impulse zugunsten der Demokraten liefern.
So hat zum Beispiel das einflussreiche Spendernetzwerk rund um die Industriellen Charles und David Koch, zwei Königsmachern der Republikaner, bereits erklärt, dass sie in Nord-Dakota nicht den Kongressabgeordneten Kevin Cramer unterstützen werden. Begründung: Dieser stehe hinter Trumps Handelspolitik. Cramer will nun Senator von Nord-Dakota werden und hätte eigentlich ganz gute Chancen in diesem Staat an der kanadischen Grenze, wo Trump bei den Präsidentschaftswahlen 2016 noch 63 Prozent der Stimmen gewonnen hatte.
Plötzlich hat eine Demokratin wieder Chancen
Ohne die potenten Wahlkampfhelfer hat nun Cramers Gegnerin, die amtierende demokratische Senatorin Heidi Heitkamp, wieder deutlich bessere Chancen auf eine Wiederwahl. Trump schoss Anfang des Monats in einem Tweet zurück gegen die milliardenschweren Kochs. Die Brüder seien „ein Witz in Kreisen der wahren Republikaner“. Sie seien nämlich „gegen sichere Grenzen und gegen starken Handel“.
Der ländlich geprägte Staat Nord-Dakota ist ein wichtiger Produzent von Sojabohnen, die vor allem nach China exportiert werden. Entsprechend lautstark haben die örtlichen Farmerverbände mehrfach ihre Besorgnis zum Ausdruck gebracht, dass der Handelskrieg ihr Geschäft schädigen werde. Seit Juni sei der Wert der Sojabohnenernte bereits um fünf Milliarden Dollar gefallen, teilt der Amerikanische Sojabohnenverband (ASA) mit. Bisher waren die USA nach Brasilien Chinas zweitgrößter Lieferant für diese eiweißhaltige Bohne. China ist der weltgrößte Importeur.
Ob der Streit weiter eskaliert, dürfte sich spätestens Ende kommender Woche zeigen, wenn die Delegation aus Peking in Washington eingetroffen ist. Zunächst sprechen Beamte auf Arbeitsebene. Die Minister oder gar die Präsidenten der weltgrößten Handelsmächte sitzen vorerst nicht mit am Tisch.
Der Autor Gabriel T. Rubin ist Washington-Korrespondent des „Wall Street Journal“ und im Rahmen des Deutsch-Amerikanischen Journalisten-Austauschprogramms, Arthur F. Burns Fellowship, ein Gast der Tagesspiegel-Redaktion in Berlin. Lesen Sie auch von Juliane Schäuble, der Washington-Korrespondentin des Tagesspiegels, die Wirtschaftsreportage über den angeknacksten Mythos Harley-Davidson.