Rohstoffe für die Industrie: Schatzsuche um jeden Preis
Die deutsche Industrie benötigt Rohstoffe, die es hier nicht gibt. Die Beschaffung in anderen Ländern der Welt ist häufig ein Problem – auch ethisch.
Sie wirkt ein bisschen wie auf verlorenem Posten. Auf dem Podium ist Barbara Unmüßig nicht nur die einzige Frau unter den vier Gästen, sondern steht auch mit ihrem Anliegen ziemlich alleine da. Sie erwarte von der Politik, dass sie bei den Regeln zu Rohstoffimporten sozialen und ökologischen Kriterien ebenso viel Gewicht einräumt wie wirtschaftlichen Interessen. „Das findet aber nicht statt“, sagt die Vorstandsfrau der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung auf dem 4. BDI-Rohstoffkongress am Donnerstag in Berlin. Wie zum Beweis ist sie auf dem Podium eingerahmt von zwei Vertretern der Wirtschaft und dem für Industriepolitik zuständigen Abteilungsleiter aus dem SPD-geführten Bundeswirtschaftsministerium.
Deutschland, eines der größten Industrieländer der Welt, hat einen enorm großen Rohstoffhunger. Dieses Land kann nicht einmal ein Viertel des Bedarfs an Bodenschätzen aus eigener Produktion decken. Steine und Erden, Salze und Kali – davon gibt es hierzulande mehr als genug. Was fehlt, sind fossile Brennstoffe. Öl und Gas kommen vor allem aus Russland, Norwegen und Großbritannien.
Kein Flugzeug fliegt, kein Handy klingelt
Was fehlt, sind aber auch und vor allem Rohstoffe für die Zukunft. Viele wichtige Industriemineralien, Seltene Erden und Erze müssen deutsche Unternehmen nahezu vollständig importieren. Ohne sie „fliegt kein Flugzeug, klingelt kein Handy, dreht sich kein Windrad“, verdeutlicht Peter Willbrandt, Chef von Aurubis, dem nach eigenen Angaben zweitgrößten Kupferhersteller der Welt, in seiner Rede.
BDI-Chef Ulrich Grillo weist auf die Folgen der Energiewende hin. Diese werde zwar die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern reduzieren. „Allerdings wird sich diese in in Richtung metallische und mineralische Rohstoffe verschieben.“ Und die kommen oft aus Entwicklungs- und Schwellenländern.
Mit Rohstoffpartnerschaften will die Regierung helfen
Afrika und Südamerika sind die Steinbrüche der Neuzeit. Rund drei Viertel der Weltproduktion an Platin kommt aus Südafrika, mehr als 90 Prozent der Seltenen Erden aus China, Brasilien soll die Welt noch 500 Jahre lang mit Eisen versorgen können. Oft sind es Bürgerkriegsgebiete, Diktaturen und Staaten mit sozial tief gespaltenen Gesellschaften, die die Schätze der Gegenwart verwalten.
Die Bundesregierung unterstützt deutsche Unternehmen mit sogenannten Rohstoffpartnerschaften. Die Regierungsabkommen, unter anderem mit der Mongolei und Kasachstan, sollen ihnen den Zugang zu Märkten erleichtern, in dem sie die politischen Rahmenbedingungen schaffen.
Apple muss sich dem Gesetz beugen
Doch wie sollen sich deutsche Unternehmen in politisch instabilen Ländern verhalten? Welche ethischen Grundsätze können sie von ihren Handelspartnern verlangen? Ab wann gelten Arbeitsbedingungen als unmenschlich? Und wie lassen sich Lieferketten von der Mine bis ins Handy so lückenlos nachvollziehen, dass Hersteller Ausbeutung ausschließen können? Die deutsche Industrie setzt nach eigenen Angaben auf freiwillige und europäisch koordinierte Lösungen.
Von derlei freiwilliger Selbstkontrolle halten Kritiker wenig. „Wir würden uns ein Vorgehen nach dem US-Vorbild wünschen“, sagt Unmüßig. Laut US-Gesetz, dem Dodd-Frank-Act, müssen Unternehmen nachweisen, dass sie nicht über Umwege Konflikte in der Republik Kongo oder angrenzenden Staaten finanzieren. Daraufhin hatte zum Beispiel der Technologiekonzern Apple angekündigt, möglichst komplett auf den Einsatz von Rohstoffen verzichten, die in Konfliktregionen gefördert werden.
Nationale Lösungen wie diese könnten hilfreich sein, räumt Dierk Paskert, Geschäftsführer der Rohstoffallianz – einer Plattform der Industrie zur Bündelung ihrer Interessen bei der weltweiten Beschaffung von Rohstoffen – ein. Wer aber international Druck erzeugen und ethische Mindeststandards schaffen wolle, müsse sich vor allem mit China auseinandersetzen. Rund 40 Prozent des weltweiten Rohstoffhungers entfalle auf die Chinesen.
Simon Frost
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