Deutsche Bahn: Rüdiger Grube verliert den Machtpoker
Rüdiger Grube fürchtet den Gesichtsverlust im Aufsichtsrat und tritt überraschend zurück. Nun muss die Bahn einen neuen Chef suchen.
„Herr Grube ist ab morgen nicht mehr bei der Deutschen Bahn.“ – Diesen Satz hatte man im Bahn-Tower am Potsdamer Platz für Montag nicht vorbereitet. Ein Sprecher muss ihn dann trotzdem sagen: Rüdiger Grube ist am Montagmittag nach fast acht Jahren völlig überraschend als Vorstandsvorsitzender der Bahn zurückgetreten. Dabei hatte der Aufsichtsrat doch eigentlich am Vormittag seine Vertragsverlängerung bis zum Jahr 2020 abnicken wollen.
Nur für drei, nicht für zwei weitere Jahre stehe er als Chef des Staatskonzerns zur Verfügung, hatte der 65-Jährige schon vor der Aufsichtsratssitzung gesagt – und dies am Montag vor dem Gremium mit Nachdruck wiederholt. In der Sitzungsvorlage waren drei Jahre notiert. Über diesen Kompromiss, über den im Vorfeld mit Grube lange diskutiert worden war, sollte abgestimmt werden. Doch einige Mitglieder des 20-köpfigen Aufsichtsrats – „nicht aus der Bundesregierung“, so ein Teilnehmer – hätten dennoch mit Grube darüber diskutieren wollen. Eine nicht abgestimmte Intervention. Erfolge und Misserfolge des Managers kommen auf den Tisch, der Personalausschuss berät. Um Geld sei es dabei noch gar nicht gegangen, heißt es später.
Unklar ist, wer neuer Chef wird
Doch Grube lässt sich auf Verhandlungen nicht ein. Er fürchtet einen Gesichtsverlust, sieht eine einstimmige Entscheidung des Aufsichtsrates zu seinen Gunsten in Gefahr – und tritt schließlich zurück. Ein Machtpoker, den niemand erwartet hatte. Auch Grube nicht, der ihn mit einer kapitalen Niederlage verliert. „Er war schon enttäuscht und hat das auch zum Ausdruck gebracht“, sagt ein Aufsichtsrat. Grubes Posten übernimmt nun kommissarisch Finanzvorstand Richard Lutz. Wer letztlich neuer Bahn- Chef wird, ist unklar.
Die Überraschung ist am Montag groß, weil eigentlich ausgemacht war, dass die Bundesregierung an Grube festhalten wollte. Nicht für fünf Jahre – dann wäre Grube 70 –, sondern für drei. Nach Konzernregeln wäre schon mit 65 Jahren eigentlich das Ende von Grubes Karriere bei der Bahn erreicht. Allerdings hatten sich die Aufseher auch bei seinem Vorgänger Hartmut Mehdorn darüber hinweggesetzt. Da der Konzern jedoch wiederholt seine Planziele verfehlte und zuletzt sogar eine Kapitalerhöhung benötigte, war die Vertragsverlängerung umstritten. Doch die Regierung wollte Unruhe im Konzern vermeiden.
„Wir brauchen einen externen Kandidaten“
Auch Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) spricht am Montag von einer „so nicht zu erwartenden Wendung“. Die teils heftige Auseinandersetzung hat auch den Minister, der nicht dem Aufsichtsrat angehört, überrascht. In einer Mitteilung dankt Dobrindt Grube: „Die Zusammenarbeit mit Herrn Grube war über die Jahre von gegenseitigem Respekt geprägt.“ Grube habe die Bahn modernisiert, die Digitalisierung vorangebracht, für mehr Kundenorientierung und neue Angebote gesorgt und die Pünktlichkeit der Züge verbessert.
Die Bahn kämpft seit Jahren mit Problemen im Güterverkehr und leidet zudem unter dem angekündigten EU-Austritt Großbritanniens, wo der Konzern mit seiner Tochter Arriva stark vertreten ist. Auf dem wichtigen Auslandsmarkt schlägt bereits jetzt der Wertverfall des Pfundes zubuche. Im Fernverkehr macht der Bahn die Konkurrenz der Fernbusse zu schaffen. Zwar sind die Züge dank Sonderangeboten wieder gut gefüllt, frühere Gewinnzahlen aber in weite Ferne gerückt. Um die Verschuldung zu begrenzen, erhält die Bahn vom Bund einen Milliarden-Zuschuss. Zudem werden ihr eigentlich bis 2020 vereinbarte Dividendenzahlungen an den Staat von 1,4 Milliarden Euro erlassen.
Die Entscheidung über einen Nachfolger liegt nun bei der Bundesregierung. „Wir brauchen einen externen Kandidaten“, heißt es am Montag im Aufsichtsrat. Als ein Kandidat gilt aber nach wie vor der frühere Kanzleramtschef und CDU- Politiker Ronald Pofalla, der seit 2015 bei der Bahn ist und inzwischen im Vorstand den Bereich Infrastruktur verantwortet.
Grünen wollen Sondersitzung des Verkehrsausschusses
Der SPD-Verkehrspolitiker Martin Burkert plädierte für einen Nachfolger, der für pünktlichere Züge und Fortschritte bei der Güterbahn sorgt. „Es braucht jetzt einen Bahnchef, der Qualität und Zuverlässigkeit voranbringt und DB Cargo wieder aufs richtige Gleis setzt“, sagte er. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD), bislang im Aufsichtsrat, forderte: „Die Bahn muss vom Schienennetzbetreiber zum Mobilitätsanbieter werden. Die anstehenden Personalentscheidungen werden diesem Ziel Rechnung tragen müssen.“ Die Grünen setzten sich für eine Sondersitzung des Verkehrsausschusses des Bundestages ein. „Die gescheiterte Vertragsverlängerungen legt offen, dass das Vertrauen zwischen Eigentümer, Aufsichtsrat und Bahnmanagement zerstört ist“, sagte Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Grünen- Bundestagsfraktion.
Die Deutsche Bahn ist einer der größten Arbeitgeber Deutschlands und beschäftigt allein hierzulande 195 000 Menschen. In Berlin ist der Konzern Arbeitgeber Nummer eins mit mehr als 17 000 Beschäftigten. Zusammen mit dem internationalen Geschäft beschäftigt der Staatskonzern 300 000 Menschen. Der Jahresumsatz liegt bei etwa 40 Milliarden Euro. (mit rtr)