Deutsche Bahn: Rüdiger Grube tritt zurück - Bahn will "zeitnah" über Nachfolger entscheiden
Vorstandschef Rüdiger Grube verlässt den Konzern - mit sofortiger Wirkung. Während Finanzvorstand Richard Lutz den Konzern übergangsweise übernimmt, will Bundesverkehrsminister Dobrindt sich auf keinen Nachfolger festlegen.
Paukenschlag bei der Deutschen Bahn: Rüdiger Grube hat am Montag seinen Rücktritt erklärt. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Aufsichtsratskreisen. Zuvor hatte "Spiegel Online" darüber berichtet. Dem Nachrichtenportal zufolge verlässt er den Konzern mit sofortiger Wirkung. Er sei darüber verärgert gewesen, dass der Aufsichtsrat sich nicht an Absprachen gehalten habe. Übergangsweise soll Finanzvorstand Richard Lutz die Führung des Konzerns übernehmen. Das teilte der Aufsichtsrat am Montag mit. Der Aufsichtsrat habe einstimmig Grubes Bitte entsprochen, mit sofortiger Wirkung „seinen laufenden Vertrag durch eine Auflösungsvereinbarung zu beenden“, teilte die Bahn mit. Das Kontrollgremium wolle „zeitnah“ über eine Nachfolge entscheiden.
Vertragsverlängerung auf drei Jahre war zugesichert
Eigentlich war der Aufsichtsrat am Montag in Berlin zu einer Sondersitzung zusammengekommen, um den Vertrag des Vorstandsvorsitzenden zu verlängern. Doch bereits während der Vertragsverhandlungen hatte es Differenzen gegeben. Anders als von Grube gewünscht sollte es aber keine Gehaltserhöhung geben, berichtete das "Handelsblatt" am Montag. Grube hatte seit 2009 ein Festgehalt von 900.000 Euro bekommen. Hinzu kamen Boni. 2015 verdiente Grube so gut 1,4 Millionen Euro.
Der 65-Jährige und der Bund als Eigentümer verständigten sich nach intensiven Verhandlungen aber darauf, den Vertrag um drei Jahre zu verlängern. Grube habe im Gegenzug auf eine Gehaltserhöhung und auf eine Abfindung im Falle eines vorzeitigen Abgangs verzichtet.
In der Aufsichtsratssitzung des Staatskonzerns am Montag habe man ihm dann aber doch nur zwei weitere Jahre als Vorstandschef geben wollen, hieß es.
Grube verlässt den Konzern inmitten einer großangelegten Initiative, die Qualität, Kundenzahl und Ergebnis der Bahn deutlich verbessern sollte. Erst kürzlich erklärte Grube das Programm „Zukunft Bahn“ zur Chefsache.
Aufsichtsratschef Utz-Hellmuth Felcht würdigte Grubes Verdienste. „Die Digitalisierung der DB ist ebenso mit seinem Namen verbunden wie das Qualitätsprogramm „Zukunft Bahn“, sagte er.
Dobrindt fordert zügige Entscheidung um Nachfolge
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) zeigte sich überrascht vom Rücktritt des Bahnchefs Rüdiger Grube. „Das ist in der Tat eine so nicht zu erwartende Wendung“, sagte Dobrindt am Montag am Rande der CSU-Vorstandssitzung in München. Es habe in den letzten Tagen immer wieder Diskussionen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat gegeben, am Schluss herrschte „wenig Einigungsbereitschaft auf beiden Seiten“. Die Nachfolge müsse nun „möglichst zügig“ gelöst werden. Dobrindt gestand zu, dass sich die Bahn unter Grubes Führung modernisiert habe und Fortschritte bei der Digitalisierung gemacht habe. „Von daher ist in der Tat auch eine Dynamik bei der Bahn zu sehen, die von allen auch geteilt wird.“
Pofalla als Nachfolger?
Zu möglichen Kandidaten wie dem Vorstandsmitglied und früheren Kanzleramtschef Ronald Pofalla, der in der Vergangenheit als möglicher Nachfolger Grubes genannt wurde, wollte sich Dobrindt nicht äußern. „Wir gehen jetzt einfach auf die Suche. Es gibt jetzt überhaupt keinen Grund, jetzt im Vorfeld schon irgendwelche Namen ins Gespräch zu bringen“, sagte er.
In den sozialen Netzwerken diskutierte man trotzdem über den Namen Ronald Pofalla als möglicher Nachfolger. Der ehemalige CDU-Politiker war Ende des Jahres zum neuen Infrastrukturvorstand aufgestiegen. Damals hatte Pofalla etliche Gegner im Aufsichtsrat: „Er verbessert seine Position, aber als Grubes Nachfolger ist er noch nicht gesetzt“, hieß es im Dezember. Der Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch schrieb auf Twitter: "Jetzt nicht #Pofalla, wenn die #GroKo Anstand hat".
SPD will mitreden
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz kündigte an, dass seine Partei bei der Nachfolge Grubes mitreden wolle. Über die Besetzung des Postens werde in der Koalition entschieden, sagte er am Montag. Die Koordinierung der Gespräche in dem Regierungsbündnis betreibe nach wie vor Vizekanzler Sigmar Gabriel, aber in enger Abstimmung mit ihm als designiertem Nachfolger für den Parteivorsitz. SPD-Fraktionsvize Sören Bartol riet, nun nichts zu überstürzen: „Da gibt es niemanden, der sich sofort aufdrängt.“
SPD-Verkehrspolitikers Martin Burkert lobte Grube und forderte, der Nachfolger solle sich verstärkt dem Thema Zuverlässigkeit sowie dem Güterverkehr widmen. "Rüdiger Grube war nach Hartmut Mehdorn der Richtige, um die Deutsche Bahn wieder zur Ruhe zu bringen", sagte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag am Montag. "Es braucht jetzt einen Bahnchef, der Qualität und Zuverlässigkeit voranbringt und DB Cargo wieder aufs richtige Gleis setzt."
„Rüdiger Grube stand für Stuttgart 21, mit seinem Rücktritt ist auch S21 am Ende“
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter bewertete den Rücktritt Grubes in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" als "Chance für einen Neuanfang". Dafür müsse der Bund Rückendeckung geben. Hofreiter forderte mit Blick auf Stuttgart 21 unter anderem den Ausstieg aus "unnötigen Prestigeobjekten". Sein Fraktionsvize Oliver Krischer kritisierte, Grube sei der Sündenbock für die falsche Bahnpolitik Dobrindts. Statt eine Schienenverkehrsoffensive zu starten, „durfte Grube nur den Mangel verwalten, während Schulden und Verspätungen immer mehr zunahmen.“
Die Linken-Verkehrspolitikerin Sabine Leidig sieht nicht die Vertragsverlängerung als Grund des Rücktritts, sondern das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart21.Grube trieb den Bau voran, obwohl er die damit verbundenen finanziellen Verpflichtungen für den Konzern kritisch bewertete. „Er hat sich ganz offensichtlich verspekuliert“, teilte Leidig mit und verwies auf gestiegene Kosten für das Bauvorhaben. Gegner von Stuttgart 21 hoffen auf das Aus des Projekts: „Rüdiger Grube stand für Stuttgart 21, mit seinem Rücktritt ist auch S21 am Ende“, sagte der Sprecher der Stuttgarter Parkschützer, Matthias von Herrmann.
Die Verbände reagierten unterschiedlich auf Grubes überraschenden Abschied. Der Fahrgastverband Pro Bahn bedauerte den Rücktritt. „Grube hat nicht alles umgesetzt, was er wollte, aber er blieb mit uns und den Kunden im Gespräch“, sagte Pro-Bahn-Ehrenvorsitzender Karl- Peter Naumann dem Tagesspiegel. Grube habe die Bahn „nicht autokratisch“ geführt. „Wir wünschen uns einen Nachfolger, der so offen ist“, sagte Naumann.
Die Eisenbahner-Gewerkschaft EVG plädierte dafür, „schnell einen geeigneten Nachfolger“ zu finden. Das Bündnis „Bahn für Alle“ begrüßte Grubes Abgang. „Grube hat das Kerngeschäft – inländischer Schienenverkehr – ausbluten lassen“, sagt Monika Lege, Verkehrsreferentin beim Umweltverband Robin Wood.
Grube selbst sah die "Trendwende geschafft"
Rüdiger Grube war seit 2009 Vorstandschef des bundeseigenen Konzerns mit weltweit 300 000 Angestellten und rund 40 Milliarden Euro Umsatz. Er übernahm die Führung nach der Affäre um massenhafte Ausspähung von Mitarbeiter-E-Mails unter seinem Vorgänger Hartmut Mehdorn.
Durch den Kauf der Auslandsverkehrstochter Arriva trieb er die internationale Ausrichtung voran. Nach einem Verlustjahr 2015 konnte Grube zuletzt auf ein verbessertes Ergebnis und eine gestiegene Pünktlichkeit der Züge verweisen. Vor wenigen Tagen noch hatte Grube noch von "vielen spürbaren Verbesserungen" für die Kunden gesprochen. Beim Geschäftsergebnis sei die "Trendwende geschafft", betonte er. Und er sah den zum Jahresbeginn auf fünf Mitglieder verkleinerten Vorstand "gut für die Zukunft aufgestellt".
Spott auf Twitter
Nun also eine Zukunft ohne Rüdiger Grube. Sein überraschender Rücktritt war für die Netzgemeinde ein gefundenes Fressen. Beliebt waren vor allem Witze zu Verspätungen in sämtlichen Variationen.
Einige Nutzer hatten bereits einen Vorschlag parat, welchen Job der Ex-Bahnchef übernehmen könnte.
(mit AFP, dpa, Reuters)