Deutsche Bahn: Grubes Rückzug ist eine Kapitulation
Statt der erwarteten Vertragsverlängerung kam das Aus: Die überraschende Entscheidung von Bahnchef Grube deutet auf ein Zerwürfnis hin - und ist auch für die Regierungskoalition eine Hypothek. Ein Kommentar.
Rüdiger Grube ist kein Manager, der einfach hinschmeißt, wenn es hakt. Umso dramatischer ist sein völlig überraschender Rücktritt als Chef der Deutschen Bahn. Für Grube persönlich ist dieser Abgang, mit dem niemand gerechnet hatte kurz vor dem Finale seiner Amtszeit, eine bittere Niederlage; mehr noch: eine Kapitulation. Denn der Streit mit dem Aufsichtsrat über sein Gehalt dürfte am Ende nur die Kulisse gewesen sein. Dahinter steht offenbar ein grundsätzlicher Dissens zwischen dem Eigentümer Bund und dem Konzern-Chef.
Es dürfte wieder einmal um den Kurs gehen, den die Bahn nehmen soll in den kommenden Jahren. Womöglich war es auch eine Frage mangelnder Wertschätzung. Grube war mit Haut und Haaren seit 2009 Bahn-Chef und wollte dies für weitere drei Jahre bleiben – mit voller, auch finanzieller Unterstützung des Eigentümers. Diese Unterstützung fiel nicht so aus, wie sich Grube erhofft hatte.
Nun fährt die Bahn ohne ihn – und ob sie besser fährt, ist ungewiss. Mit der Ruhe im Unternehmen, die sich die Regierung gewünscht (und zuletzt bekommen) hat, ist es jedenfalls vorbei. Für den Schienenkonzern, der ein politisches Unternehmen ist, hat acht Monate vor der Bundestagswahl der Wahlkampf begonnen.
So war es auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, der sich als einer der ersten meldete: In Ruhe solle in der Koalition nun beraten werden, wer Grube folgen solle. SPD-Verkehrspolitiker assistieren: Es gebe niemanden, der sich aufdränge. Mit anderen Worten: Der Ex-Kanzleramtschef und Merkel-Vertraute Ronald Pofalla, den manche als Grubes „Kronprinz“ in den Startlöchern sahen, muss es nicht werden. Die Opposition will ihn ohnehin nicht, und wer weiß schon, wer nach der Wahl im September Bahnpolitik macht.
Die Bahn braucht Milliarden für Investitionen
Doch naiv wäre es zu glauben, die Deutsche Bahn werde künftig von einem zwar kompetenten, aber politisch unverdrahteten Manager geführt, der von außen kommt. Das Unternehmen braucht mehr denn je die Nähe zur Regierung, das heißt: zum Finanzminister. Denn die Bahn muss in den kommenden Jahren Milliarden in das marode Netz, in neue Züge und in die Digitalisierung investieren. Milliarden, die der hoch verschuldete Konzern nicht hat. 2,7 Milliarden Euro schoss der Bund im vergangenen Jahr schon nach. Die Reduzierung der Schienen-Maut, über die diskutiert wird, wird weitere Milliarden kosten. Mit unangenehmen Nebenwirkungen: drohende Preiserhöhungen im Personenfernverkehr. Bezahlen wird am Ende wohl der Steuerzahler.
Die Bahn auf dem Rückweg zur Bundesbahn? Rüdiger Grube stand für einen selbstbewussten Staatskonzern, hatte das Projekt „Zukunft Bahn“ und die Digitalisierung zur Chefsache erklärt. Zu selbstbewusst gerieten seine ambitionierte Umsatz- und Gewinnziele, die er kleinlaut verwarf. Pünktlichkeit und Service blieben Baustellen, die Güterbahn ist ein Sanierungsfall. Doch Grube blieb ansprechbar, war bis zur Erschöpfung engagiert und kommunikativ, beeindruckte mit Detailwissen. Es wird nicht einfach, nach der Vollbremsung vom Montag, die Führung der Bahn schnell wieder in Schwung zu bringen.