Umfrage zu Lieferproblemen: Rohstoffmangel gefährdet Aufschwung
Die globalen Lieferketten sind gestört, Materialien rar und teuer. Eine Umfrage zeigt, wie deutsche Firmen darunter leiden.
Als im März die auf Grund gelaufene „Ever Given“ den Suezkanal blockierte und sich die Containerschiffe tagelang bis ins Rote Meer stauten, wurde anschaulich, wie fragil der globale Warenverkehr ist. Nun, fast ein halbes Jahr später, hat VW angekündigt, die Produktion nach der Sommerpause nur eingeschränkt wieder starten zu können: Es würden Halbleiter aus Asien fehlen. Denn die weltweiten Lieferketten sind nach wie vor gestört, nicht nur wegen der aufsehenerregenden Havarie in Ägypten, sondern auch aus aktuelleren Anlässen wie der Teilschließung des chinesischen Mega-Hafens Ningbo. Und mit alldem hat auch die deutsche Wirtschaft schwer zu kämpfen.
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83 Prozent der Unternehmen hierzulande klagen laut einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) unter 3000 Firmen über Lieferengpässe bei gleichzeitig stark gestiegen Preisen für Rohstoffe und Vorprodukte. Das betreffe nicht nur international orientierte Industrien, sondern Betriebe aller Branchen und Größen. Die weltweiten Handelsbeziehungen seien massiv gestört, „es wird gerade der Konjunkturaufschwung ausgebremst“, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier bei der Vorstellung der Ergebnisse am Donnerstag. Die Probleme in den Lieferketten hätten sich in diesem Jahr regelrecht aufgetürmt und „dürften den Erholungsprozess der Wirtschaft merklich erschweren“.
Zu wenige Container, kein Platz auf Schiffen
70 Prozent der Befragten erklären sich die Schwierigkeiten so, dass im jüngsten Aufschwung zwar die Nachfrage gestiegen sei, die Produktionskapazitäten aber zu gering blieben. Jeweils rund die Hälfte nennt als Gründe außerdem Produktionsausfälle bei Zulieferern sowie Transportprobleme. Konkreter: Es gebe aktuell zu wenige Container als auch unzureichend Platz auf Schiffen, sagen rund drei Viertel der Befragten. Je ein Viertel klagt über zu wenig Transportpersonal sowie Frachtkapazität auf Straße und Schiene sowie in der Luft. Weil weniger Menschen fliegen, gebe es auch weniger Möglichkeiten, Waren im Frachtraum von Passagiermaschinen zu befördern, so der DIHK. Gleichzeitig würden Corona- Beschränkungen immer noch zu Produktionsausfällen führen.
Welche Rohstoffe und Vorprodukte dadurch aktuell besonders knapp und teuer sind, unterscheidet sich von Branche zu Branche. Im Maschinenbau und der Metallindustrie mangelt es laut der Umfrage vor allem an Stahl und Aluminium. Das Baugewerbe braucht neben Stahl mehr Holz und Kunststoffe, Letztere fehlen in der Chemieindustrie. Im Einzelhandel mangelt es an manchen Lebensmitteln und Textilien, in diversen Branchen auch an Kupfer und Verpackungen. Und die Autobauer warten weltweit auf Halbleiter, weswegen sie teilweise die Produktion drosseln.
Ein Viertel der Firmen hat Produktion gedrosselt oder gestoppt
Ein vorübergehendes Problem, wie der Chef des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) Sebastian Dullien erklärt. Angesichts der gut gefüllten Auftragsbücher der deutschen Autoindustrie gehe er davon aus, dass „sobald die Lieferprobleme gelöst sind, auch hier wieder mit sehr gut ausgelasteten Kapazitäten gearbeitet wird.“
Rund ein Viertel der befragten Unternehmen haben ihre Produktion wegen Lieferengpässen und Preissteigerungen gedrosselt oder gestoppt, hat der DIHK in seiner Untersuchung ermittelt. Bei 43 Prozent gibt es demnach Umsatzausfälle, 42 Prozent konnten bestehende Aufträge nicht abarbeiten und 17 Prozent mussten neue Aufträge ablehnen. Die große Mehrheit der Befragten klagt aber vor allem, dass ihr Planungsaufwand gestiegen sei (60 Prozent) und sie länger auf bestellte Waren warten müssten (73 Prozent), die auch noch deutlich teurer geworden seien (88 Prozent). Knapp zwei Drittel seien auf der Suche nach neuen Lieferanten, ein kleiner Teil behelfe sich angesichts des Mangels mit alternativem oder recyceltem Material, so Außenwirtschaftsexperte Treier. „Das bedeutet richtigen Stress in den Unternehmen.“
„Haben es nicht nur mit einem kurzfristigen Anstieg der Preise zu tun“
Zwei Drittel der betroffenen Firmen wollen die höheren Preise laut der DIHK-Umfrage an die Konsument:innen weitergeben. Auf diesen Zusammenhang hatte auch Simon Junker, Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), angesichts der zuletzt um 3,8 Prozent gestiegenen Verbraucherpreise hingewiesen: Die Verwerfungen im Frachtverkehr führten zu „vorübergehenden Knappheiten, die die Kosten der Unternehmen steigen lassen, an die Kund:innen weitergegeben werden, aber dann irgendwann auch verschwunden sind“, hatte er kürzlich im Interview mit dem Tagesspiegel gesagt.
Volker Treier vom DIHK meint jedoch, die Ergebnisse der aktuellen Umfrage würden darauf hindeuten, „dass wir es nicht nur mit einem kurzfristigen Anstieg der Preise zu tun haben“. Möglicherweise werde das Vorkrisenniveau beim Bruttoinlandsprodukt erst Mitte 2022 wieder erreicht. Damit rechnen auch 53 Prozent der Befragten, nur ein Fünftel geht von einer Besserung noch in diesem Jahr aus. Im kommenden Weihnachtsgeschäft sei noch einmal mit einer Verschärfung der Situation zu rechnen, sagte Jens Hildebrand, Chef der Außenhandelskammer in China, der die Ergebnisse der DIHK-Umfrage mit Treier vorstellte.
Der Außenhandelsverband BGA erwartet immer noch ein Exportplus von 13 Prozent. „Wir bleiben bei unserer Prognose für das Gesamtjahr, auch wenn es zahlreiche Unsicherheiten gibt“, so Verbandschef Anton Börner. „Fehlende Ware, rasant steigende Containerpreise und mangelnde Verlässlichkeit bestimmen aktuell den unternehmerischen Alltag und sind eine immense Herausforderung. Im ersten Halbjahr stiegen die Ausfuhren von Waren „Made in Germany“ um 16,7 Prozent auf 673,1 Milliarden Euro gegenüber den ersten sechs Monaten 2020. Im vergangenen Jahr hatte die Corona-Krise tiefe Löcher in die deutsche Exportbilanz gerissen. Mit dpa, rtr
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