Havarie im Suezkanal: Da lacht die Globalisierungskritik – aber sie irrt
Die freigelegte „Ever Given“ im Suezkanal ist eine Mahnung: Globalisierung muss klüger werden. Sie abzuschaffen wäre dagegen Quatsch. Ein Zwischenruf.
Globalisierungskritiker haben in diesen Tagen viel Grund zur Freude: Wenn im Suezkanal ein Riesenkahn auf Grund läuft, wackelt in der deutschen Chemieindustrie der Schichtplan. Wenn Großbritannien die Ausfuhr eines Fetts sperrt, kann Biontech in Deutschland keinen Impfstoff mehr herstellen.
Die Verletzlichkeit der Lieferketten und der wachsende Protektionismus zeigen, wie angreifbar das Konzept der globalen Arbeitsteilung geworden ist. Es aufzugeben wäre dennoch ein Fehler. Besser ist, es sicherer zu machen.
Gerade in der Pandemie wird deutlich, wie wichtig globale Ressourcen sind, um diverse Impfstoffe schnell, reichlich und preisgünstig herstellen zu können. Es ist ein Segen, dass die Menschen überall auf der Welt elektronische Geräte aus Asien bestellen können, um ihren Berufsalltag zu bewältigen. Mikrochips, von denen zurzeit zu wenige aus asiatischen Megafabriken geliefert werden, sind in Deutschland weder in der Menge noch in der Qualität noch zu dem Preis herzustellen.
Allerdings gibt es ein paar Lehren: Erstens: Es ist klüger, auf mehrere Lieferanten zu setzen, als alle Produkte aus einer Region und über einen Lieferweg zu beziehen. Bisher profitieren Vietnam und Indien von den Anstrengungen der europäischen und amerikanischen Hersteller, ihre Abhängigkeit von China zu reduzieren. Gut wäre, wenn weitere Länder dazukämen.
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Zweitens: Es ist höchste Zeit, den Streitschlichtungsmechanismus der Welthandelsorganisation wiederzubeleben. Weil Großbritannien und die USA keinen Impfstoff nach Europa liefern, aber reichlich Vakzine von hier einkaufen, hat die EU in der vergangenen Woche die Pistole auf den Tisch gelegt. Es ist richtig und wichtig, hart zu verhandeln. Wer von anderen Freihandel verlangt, muss ihn selbst auch üben. Doch jetzt muss man dafür sorgen, dass die Waffen weggesteckt und faire Lösungen gesucht werden.
Gäbe es den freien Welthandel nicht, die Welt sehe immer so aus
Die Havarie der „Ever Given“ im Suezkanal ist eine Mahnung. In den Containern auf dem Schiff steckt alles Mögliche, sie sind eine Momentaufnahme der Globalisierung.
Holländische Fahrradbauer fürchten um den Saisonstart, deutsche Maschinenbauer um Chips und Vorprodukte, französische Pharmafirmen um Grundstoffe für die Herstellung ihrer Medikamente.
Gäbe es den freien Welthandel nicht, wäre der Effekt ähnlich, nur dauerhaft. Weniger Globalisierung hätte vor allem drei Effekte: Die Waren werden teurer. Die Qualität wird schlechter. Und die Ungleichheit in der Welt wird noch größer - weil ganze Regionen aus den fetten Märkten ausgesperrt würden.
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