Reform der Lebensversicherungen: Renate Künast: Regierung knickt bei Vertreterprovisionen ein
Schon kommenden Freitag soll der Bundestag die Reform rund um die Lebensversicherungen. Ex-Verbraucherministerin Künast wirft der Regierung Nachlässigkeit vor.
Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Am Montag findet eine Anhörung zur geplanten Reform der Lebensversicherung statt, am Mittwoch beschäftigt sich der Finanzausschuss mit dem Thema, und am Freitag soll der Bundestag das Projekt abschließend durchwinken. Wenn dann noch der Bundesrat mitspielt und der Reform am Freitag der Folgewoche grünes Licht gibt, könnten die neuen Regeln für Versicherte, Versicherer und Versicherungsvermittler bereits Ende Juli oder Anfang August in Kraft treten. So schnell ist selten ein Projekt durchgezogen worden.
Manchen macht diese Eile stutzig. „Es ist schon erstaunlich, dass die Bundesregierung ganz schnell sein kann, wenn sie nur will“, sagte Renate Künast (Grüne) dem Tagesspiegel. „Das war bei den Diätenerhöhungen im Frühjahr so und nun wieder.“ Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Recht und Verbraucherschutz vermutet dahinter Methode. „Ich werde das Gefühl nicht los, dass die große Koalition aufgrund der Fußball-WM auf eine geringe öffentliche Aufmerksamkeit hofft.“
Tatsächlich ist es bei den Versicherungsunternehmen derzeit ruhig. „Es gibt Anfragen, aber kaum Kündigungen“, sagte Marcus Nagel, Lebensversicherungschef der Zurich Deutschland, dem Tagesspiegel. „Die meisten Kunden wollen bleiben.“ Susanne Meunier, Altersvorsorgeexpertin der Stiftung Warentest, freut das: „Eine Lebensversicherung zu kündigen, ist nur in Ausnahmefällen sinnvoll.“
Das Reformpaket aus dem Bundesfinanzministerium sieht ein Bündel von Maßnahmen vor, das der Versicherungsbranche durch die Niedrigzinsphase helfen und Schieflagen vermeiden soll. Dazu zählen Kürzungen bei den Ausschüttungen an Aktionäre und ausscheidende Kunden für den Fall, dass ein Versicherer seine Zinsgarantien nicht mehr in vollem Umfang bedienen kann. Für Kunden wackeliger Unternehmen könnte es daher sinnvoll sein, jetzt noch zu kündigen und den Vertrag nach den alten, möglicherweise günstigeren Regeln abzuwickeln.
Vorgesehen ist zudem eine Senkung des Garantiezinses von derzeit 1,75 auf 1,25 Prozent für alle Neuverträge, die ab dem 1. Januar 2015 geschlossen werden. Während diese Maßnahmen – trotz vereinzelter Kritik – in der kommenden Woche wahrscheinlich abgenickt werden dürften, sorgt eine weitere, geplante Änderung für Streit. Vertreterprovisionen sollen künftig in Euro und Cent angegeben werden, damit der Kunde weiß, was der Vertreter an dem Abschluss verdient. Versicherungswirtschaft, Vermittlerverbände und die Gewerkschaft Verdi laufen dagegen Sturm. Die Angabe der Abschlussprovision sei irreführend und gefährde Arbeitsplätze, warnen sie unisono.
Auch Zurich-Manager Nagel hat Vorbehalte. Ein selbstständiger Versicherungsmakler bekomme derzeit rund fünf, eine Agentur circa drei Prozent der Versicherungssumme als Provision für den Abschluss. Doch unterm Strich seien die Kosten ähnlich, weil die Versicherer ihre internen Vermittler anders als die selbstständigen Makler finanziell unterstützen. „Wir haben sehr große Unterschiede bei den Provisionen“, räumt Nagel ein. „Aber man muss auf die Gesamtkosten schauen.“
Die Politik ist dazu bereit. Wichtig sei es, die Balance zu wahren, sagte Ralph Brinkhaus, Vizechef der Unions-Bundestagsfraktion, dem Tagesspiegel. An der Reform der Lebensversicherung müssten alle angemessen beteiligt werden: die Versicherer, die Aufsicht, die Vermittler und die Kunden. „Natürlich werden wir im parlamentarischen Verfahren über alle kritischen Punkte sprechen – dazu gehört auch die Frage der Offenlegung von Vertriebskosten“, betonte der Finanzpolitiker. Im Bundesfinanzministerium will man die Gesamtreform nicht an der Vertreterprovision scheitern lassen. Dort könnte man sich daher wohl auch mit einer Lösung anfreunden, in der nicht die einzelne Vertreterprovision, sondern nur die Gesamtkosten aufgelistet würden.
Renate Künast ärgert das gewaltig. „Gerade erst war man im Bundesfinanzministerium ganz stolz auf sich selbst, dass man hier ein Umdenken hinbekommen hatte“, sagte die Ex-Verbraucherministerin. Jetzt solle dieses Umdenken „still und heimlich“ wieder zurückgedreht werden. „Der Lobbydruck scheint im Finanzministerium schwerer zu wiegen als die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher.“
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