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Bundesbank-Studie: Reiche werden reicher, Arme ärmer

Was sie vermögen: Das Geld ist in Deutschland zunehmend ungleich verteilt. SPD und Grüne sehen Handlungsbedarf. Und die Spanier haben mehr auf der Bank als wir Deutschen.

Berlin - 442 000 Euro. So viel muss ein Deutscher mindestens besitzen, um zu den reichsten zehn Prozent des Landes zu gehören – und damit zu der Gruppe von Menschen, die zusammen fast 60 Prozent des gesamten Vermögens in Deutschland auf sich vereinen. Das geht aus einer Studie der Bundesbank hervor, die damit ein viel schärferes Bild zeichnet als der Anfang März vorgestellte und heftig umstrittene Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung.

Nach dem Bericht der Regierung besitzen die reichsten zehn Prozent angeblich „nur“ 53 Prozent des Einkommens und damit deutlich weniger als jetzt von der Bundesbank attestiert. Das könnte daran liegen, dass die Daten der Bundesbank aktueller sind. Die Linke vermutet aber, dass der Regierungsbericht geschönt ist. „In Deutschland sind die Vermögen noch konzentrierter als im frisierten Reichtums- und Armutsbericht der Bundesregierung“, meint die stellvertretende Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht. Für Katrin Göring-Eckhardt, grüne Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, belegen die Zahlen „erneut nicht nur ein großes Wohlstandgefälle, sondern auch verfestigte soziale Strukturen“.

Netto verfügte ein typischer deutscher Haushalt Ende 2010, als die Bundesbank die Bürger befragte, über ein Vermögen von 51400 Euro. Das ist der sogenannte Medianwert, das heißt, es gibt gleich viele Haushalte, die ärmer und die reicher sind. Gleichzeitig sind die Werte netto gerechnet, das heißt, vom Vermögen sind die Schulden bereits abgezogen. Unter Vermögen versteht die Bundesbank alles vom Geld auf dem Sparbuch über Immobilien, Fonds, Lebensversicherungen bis hin zum Goldschmuck und zum Auto. Die ärmsten sieben Prozent der Deutschen haben sogar ein negatives Nettovermögen, sprich, sie haben mehr Schulden als Vermögen.

Spitzenverdiener sollen mehr abgeben

SPD und Grüne sehen sich durch die Bundesbank-Studie in ihrer Forderung bestätigt, die Reichen stärker besteuern zu müssen. „Starke Schultern können mehr tragen, schwache Schultern brauchen Entlastung“, sagte Göring-Eckardt dem Tagesspiegel. „Deshalb wollen wir höhere Steuereinnahmen bei den Spitzenverdienern und entlasten die unteren Einkommen.“

Ähnlich sieht das auch Joachim Poß, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion. „Die Spitzenverdiener müssen mehr zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen“, sagte er. Er fordert, den Spitzensteuersatz auf 49 Prozent anzuheben und wieder eine Vermögenssteuer einzuführen. Damit hat er auch Ulrike Mascher auf seiner Seite, die Präsidentin des Sozialverbands Vdk. „Unter Helmut Kohl als Kanzler hatten wir einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent, heute liegen wir etwa zehn Prozent darunter – das macht keinen Sinn“, sagt sie.

Aus dem Bundesarbeitsministerium hieß es zu der Studie der Bundesbank am Freitag lediglich: „Auch in anderen Staaten sind die Vermögen unterschiedlich verteilt.“ Es sei jedoch wichtig, „Aufstiegschancen zu gewährleisten und weiter zu verbessern“. Ziel der Politik müsse es sein, „eine größere Durchlässigkeit zu erreichen, damit es möglichst vielen Menschen gelingt, Armut zu vermeiden und Vermögen zu bilden“.

Die Studie der Bundesbank zeigt allerdings nicht nur die Ungleichverteilung der Vermögens in Deutschland – sondern auch, dass die Haushalte hierzulande deutlich weniger Geld und Sachwerte haben als die Nachbarn in Frankreich, Spanien oder Italien. So ist das Nettovermögen eines Spaniers gut 90 000 Euro höher als das eines Deutschen.

Geld für Zypern

Das erbost viele deshalb, weil sich die Bundesrepublik besonders stark an der Rettung der Krisenstaaten beteiligt. Der SPD-Politiker Poß fordert deshalb: „Bevor das Geld der europäischen Steuerzahler eingesetzt wird, sollten Länder, die Hilfen wollen, stärker auf die vorhandenen privaten Reichtümer zurückgreifen.“ Sein FDP-Kollege Frank Schäffler stimmt ihm zu: „Es ist ungerecht, dass europäische Steuerzahler für zyprische oder spanische Privatvermögen haften sollen“, sagt er.

Dabei liegen die Daten, wie hoch das Vermögen eines Haushalts etwa in Zypern im Schnitt ist, noch gar nicht vor. Denn die Studie, die die Bundesbank jetzt vorgelegt hat, ist nur der erste Teil einer Erhebung, an der alle 17 Notenbanken der Euro-Gruppe teilgenommen haben. Die Gesamtergebnisse hält die Europäische Zentralbank (EZB) bisher allerdings noch unter Verschluss. Dabei könnten sie der Debatte eine weitere Brisanz verleihen. „Die Bundesregierung muss daher umgehend von der EZB verlangen, die Studie für Zypern zu veröffentlichen“, fordert die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht.

Carla Neuhaus

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