Abgaben für Kleinanleger: Olaf Scholz, der Anti-Aktionär
Immer weiter erhöht der Finanzminister die Kosten für Kleinanleger. Dabei sollen die Bürger doch privat vorsorgen. Verbände warnen vor dramatischen Folgen.
Dass Olaf Scholz von Aktien privat nicht allzu viel hält, hat er mehrmals öffentlich kundgetan. Auf die Frage der „Bild am Sonntag“, wie er denn sein Geld anlege, wiegelte der Bundesfinanzminister schon 2018 ab: „Damit beschäftige ich mich kaum. Es liegt einfach auf dem Sparbuch.“ Und damit scheint er zufrieden zu sein. Als er vor wenigen Wochen erneut danach gefragt wurde, sagte er erneut zufrieden lächelnd: „Es ist auf meinem Girokonto, ich kriege also auch keine Zinsen.“
Nun muss er sich als Bundesminister mit einer gesicherten Altersvorsorge und einem Bruttogehalt von fast 20.000 Euro tatsächlich nicht groß darum sorgen, wovon er im Alter leben wird. Dass der SPD-Politiker aber auch seine Politik nach dieser Façon auszurichten scheint, könnte für tausende Kleinanleger teuer werden. Denn einerseits heißt es seit Jahren aus der Politik – auch aus der sozialdemokratischen –, die Bürger müssten privat fürs Alter vorsorgen. Andererseits macht Scholz die lukrativste Form der Vorsorge immer teurer.
Auf lange Sicht verspricht keine Form der Anlage eine solche Rendite wie Aktien. Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) meint, dass das Verlustrisiko bei Aktienfonds wie Exchange Traded Funds (ETF) ab 30 Jahren gleich null sei. Trotzdem bittet Scholz die Kleinanleger nun mit zahlreichen kleinen Änderungen zur Kasse.
Von der Finanzwirtschaft kriegt Scholz so keinen Cent
Die größten Auswirkungen dürfte die geplante Finanztransaktionssteuer haben. Sie soll nach französischem Vorbild eingeführt und bei jedem Besitzübergang einer Aktie erhoben werden. Auch für Fondssparpläne im Rahmen der Riester-Rente soll keine Ausnahme gemacht werden.
Zudem sollen die steuerlichen Verrechnungsmöglichkeiten bei Totalverlust mit Aktieninvestments eingeschränkt werden. Und auch der Solidaritätszuschlag soll auf Aktiengeschäfte weiterhin erhoben werden, auch wenn der Käufer diesem nach seinem Einkommen nicht mehr zahlen müsste. Dass Scholz die Abgeltungssteuer von rund 25 Prozent auf Aktiengewinne abschaffen und durch den meist deutlich höheren, ans individuelle Einkommen gekoppelten Steuersatz ersetzen will, ist schon länger bekannt.
Warum kehrt man nicht wieder zu dem Modell zurück, was sich bis vor 20 Jahren bestens bewährt hatte: Wer spart und das langfristige Anlageziel durch eine entsprechende Haltedauer unter Beweis stellt, hat bei einem eventuellen Verkauf von Anteilen steuerliche Vorteile. Auf diese Weise wurde Zocken am Kapitalmarkt besteuert und langfristige Investition belohnt.
schreibt NutzerIn Firefighter_No9
Kleinanleger-Verbände laufen nun Sturm gegen diese Vorhaben. Sie werfen Scholz vor, falsche Anreize zu setzen und mit der Finanztransaktionssteuer ein falsches Signal zu setzen. „In ihrer jetzigen Form trifft die geplante Steuer nicht die großen Player der Finanzbranche, sondern Kleinaktionäre“, sagte Daniel Bauer, Vorstandsvorsitzender der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger dem Tagesspiegel. „Große Akteure können sie leicht umgehen; sie können auf andere Produkte wie Derivate, oder einfach in andere Länder ausweichen.“ Von denen, die Scholz treffen wollte, da ist sich Bauer sicher, „wird er keinen Cent sehen“.
Auch Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereingung für Wertpapierbesitz, sagte: „Es hat nichts mit Fairness zu tun, wenn der Kleinanleger, der 50 Euro pro Monat in einen ETF einzahlt, jetzt zur Kasse gebeten wird.“ Solche Investments sollten nicht bestraft, sondern gefördert werden.
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Auch beim deutschen Fondsverband BVI spricht man von einer „Schnapsidee“ und bestätigt, dass die Steuer jeden Fondssparer direkt treffen würde. „Bei der Altersvorsorge wäre eine Finanztransaktionsteuer besonders widersinnig“, sagt ein Sprecher. „Mit der einen Hand fördert der Staat das Riester-Sparen, mit der anderen würde er es über die Steuer wieder wegnehmen.“
Wird der Mittelstand geschwächt?
Über die geringere Rendite für Anleger hinaus warnen die Verbände vor dramatischen Folgen. Da man damit rechne, dass der Anfangssteuersatz von 0,2 Prozent schnell auf zwei bis vier Prozent ansteigt, würden Anleger vermehrt auf Derivate, Anleihen oder andere Produkte ausweichen. „Das ist volkswirtschaftlich gefährlich, denn gerade der deutsche Mittelstand kann sich dann schlechter finanzieren“ sagt Bauer.
Mittelständlern fehle häufig der Zugang zum internationalen Kapitalmarkt. „Wenn sich dann mittelständische Unternehmen über Anleihen Geld beschaffen müssen, sinkt ihre Eigenkapitalquote, die gerade in Krisenzeiten wichtig ist, um auch Durststrecken zu überbrücken.“ So könne die Finanztransaktionssteuer am Ende sogar zu mehr Insolvenzen führen und nicht nur deutsche Aktionäre, sondern die ganze Wirtschaft gefährden.
Lobbyarbeit verhindert andere Ausgestaltung der Steuer
Wie wahrscheinlich diese Kettenreaktion wäre, ist umstritten. „Inwieweit die Folgewirkungen der Finanzierung deutscher Unternehmen schadet, ist empirisch nur sehr schwer vorherzusagen“, sagt Johannes Voget, Wirtschaftsprofessor an der Uni Mannheim. „Dieser Effekt ist möglich, aber nicht gesichert.“ Dass diese Steuer die Ursachen der Finanzkrise keinesfalls anpackt, bestätigt er allerdings. „Dafür ist sie nicht zielgerichtet genug.“
Dorothea Schäfer, Forschungsdirektorin für Finanzmärkte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, sieht die geplante Steuer hingegen weniger kritisch. Sie stärke den Anreiz langfristig zu investieren, schließlich würde vor allem der Hochfrequenzhandel teurer. Auch die Beibehaltung des Solidaritätszuschlages sei aus verteilungspolitischen Gründen gerechtfertig. Schäfer hofft zudem, die Regelung sei „ein erster Schritt zu einer umfassenden Finanztransaktionssteuer“. Dass eine solche Abgabe, die auch die großen Banken trifft, bislang nicht kommt, ist nach Meinung alle Experten Ergebnis massiver Lobbyarbeit.
Dominika Langenmayr von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt kritisiert indes auch die geplante Änderung bei Totalverlusten. „Ein Anteil an einem insolventen Unternehmen hat fast keinen Wert, diesen reellen Verlust sollte auch das Steuerrecht anerkennen“, sagt die VWL-Professorin. Hinzu käme, dass ein Aktionär, der kurz vor der Insolvenz seine Aktie veräußert hat und somit den entstanden Verlust steuerlich anrechnen kann, anders behandelt würde als ein Aktionär, der die Aktie bis zur Insolvenz hält. „Dies trifft möglicherweise gerade Kleinaktionäre, die die Entwicklung der Unternehmen in ihrem Portfolio nicht so genau mitverfolgen, während ein institutioneller Investor eher noch rechtzeitig verkauft“, so Langemayr.
Finanzministerium erwartet "moderate" Folgen für Anleger
Auch in der Politik sind die scholzschen Pläne nicht unumstritten. Die Abkehr von einer echten Finanztransaktionssteuer bezeichnet Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Grünen als „Katastrophe“. „Die geplante Aktiensteuer hat nichts mit den versprochenen Zielen zu tun.“ Die Beschränkung der Verrechnungsmöglichkeit von Totalverlusten hält sie hingegen für richtig, da hier die Gefahr von Steuertrickserei lauere.
Und auch in der großen Koalition erntet der Finanzminister scharfen Widerspruch. Es sei „unverständlich, dass die Steuer Kleinanleger belasten würde, während sie von professionellen Händlern leicht durch den Kauf von Derivaten umgangen werden kann“, sagte Astrid Hamker, Präsidentin des CDU-Wirtschaftsrat dem Tagesspiegel. Es müsse eigentlich ein zentrales Anliegen der Politik sein, dass die Menschen zusätzlich zur gesetzlichen Rente privat vorsorgen.
Im Finanzministerium kann man diese Kritik nicht verstehen. Vor dem Hintergrund, dass auf Aktiengeschäfte ja auch keine Mehrwertsteuer erhoben werde, seien die Auswirkungen auf Privatanleger „moderat“. „Im Vergleich zu anderen Gebühren beim Aktienkauf ist der angestrebte Steuersatz sehr gering“, sagt ein Sprecher auf Nachfrage. Dass weniger Geld in deutsche Firmen fließen könnte, glaubt man an der Wilhelmstraße auch nicht; in Frankreich hätten sich langfristig auch keine größeren Ausweichreaktionen gezeigt. Und er verweist darauf, dass eine Begünstigung der Bezieher von Kapitaleinkünften derzeit nun mal nicht im Vordergrund stünde. Warum auch, könnte man denken, der Finanzminister ist mit seinem Geld auf dem Girokonto ja auch zufrieden.
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