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Bruno Le Maire und Olaf Scholz.
© Eric Vidal/Reuters

Finanztransaktionssteuer: Berlin und Paris specken ab

Was hinter dem Vorschlag der Finanzminister Olaf Scholz und Bruno Le Maire für eine neue EU-Steuer steckt.

Die Finanztransaktionssteuer ist tot. Es lebe die Finanztransaktionssteuer. So könnte man den Vorstoß auf den Punkt bringen, den Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und sein französischer Kollege Bruno Le Maire am Montag beim Euro-Finanzministertreffen vorgelegt haben. Die Idee einer Steuer auf Börsenumsätze, die in der Finanzkrise als Mittel gegen einen als gefährlich eingestuften sekundenschnellen Turbohandel mit Wertpapieren aufkam, galt in der EU zuletzt als nicht mehr durchsetzbar. Ein Grund: Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte sein Veto gegen eine breiter angelegte Steuer eingelegt und wollte nur einer abgespeckten Form zustimmen – kaum mehr als eine Börsenumsatzsteuer auf Aktien, wie sie in Frankreich ohnehin schon erhoben wird. Die Besteuerung des Handels von Finanzderivaten, welche einen Mehrwert erbracht hätte, lehnte der frühere Banker Macron ab.
Deutschland und Frankreich wollen die Idee einer abgespeckten Steuer den EU-Partnern nun schmackhaft machen, indem sie ihren Vorstoß mit dem ebenfalls seit längerem ergebnislos diskutierten Eurozonen-Budget verbinden. Der Clou: Wer die Steuer einführt und die Einnahmen nach Brüssel überweist, darf seine sonstigen Zahlungen an die EU entsprechend kürzen. Ein Nullsummenspiel als Karotte also. Ob das Geld allein in ein Eurozonen-Budget fließen soll oder auch in den größeren EU-Gesamtetat, war unklar.

Macron hat gebremst

Die Bundesregierung hatte die Finanztransaktionssteuer stets gefordert, allerdings immer die umfassendere Variante favorisiert. Macrons Version würde für Deutschland faktisch eine neue Steuer bedeuten, während sie außer in Frankreich auch in mehreren anderen EU-Staaten längst erhoben wird. Andererseits dürfte Scholz eine Zusatzeinnahme durch eine Börsenumsatzsteuer auf Aktien gut gebrauchen können, denn der deutsche EU-Beitrag wird nach dem Austritt Großbritanniens höher ausfallen. Scholz hatte den Vorstoß vorige Woche bei einer Rede in Berlin bereits angedeutet. Seiner Meinung nach würde die Verbindung einer abgespeckten Finanztransaktionssteuer mit dem EU-Budget „auch für die Länder interessant, die selbst kaum Erträge aus einer solchen Steuer erzielen würden“.
Über eine EU-weite Steuer wird in der Gemeinschaft seit acht Jahren debattiert. Doch zuletzt hatten nur noch zehn Länder ein Interesse daran: neben Frankreich und Deutschland waren das Belgien, Italien, Griechenland, Portugal, Spanien, Slowenien, die Slowakei und Österreich. Der Wiener Finanzminister Hartwig Löger hatte dem Vorschlag von Scholz und Le Maire schon Anfang November vorgegriffen, als er eine reine EU-Aktiensteuer ins Gespräch brachte, obwohl Österreich stets die umfassendere Steuer bevorzugt hatte. Man denke darüber nach, diese Aktiensteuer dann „mit dem nächsten EU-Finanzrahmen zu verknüpfen“, sagte Löger. Diese mittelfristige Etatplanung soll von 2021 bis 2027 reichen und wird wohl endgültig erst 2020 beschlossen. Die Höhe einer solchen Steuer und deren Einnahmenvolumen sind unklar. In Frankreich beträgt die Steuer 0,3 Prozent des Handelsvolumens, allerdings nur bei Aktien von Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von mehr als einer Milliarde Euro. Zahlen muss sie der Käufer.

Grüne: Etikettenschwindel - DGB: Augenwischerei

Der Grünen-Europapolitiker Sven Giegold bezeichnete den deutsch-französischen Vorschlag am Montag als „Etikettenschwindel“. Wer nur den Aktienhandel, nicht aber Derivate besteuern wolle, „torpediert die ursprüngliche Idee der Finanztransaktionssteuer, sekundenschnelle Spekulationsgeschäfte einzudämmen und relevante Einnahmen zu erzielen“. Laut Giegold wären die Einnahmen unter Einschluss von Derivaten achtmal höher. Scholz und Le Maire zerstörten damit „ein Gerechtigkeitsprojekt, für das sich viele Menschen jahrelang eingesetzt haben“. Im Europaparlament gebe es eine Mehrheit für eine echte Finanztransaktionssteuer, unter Einschluss der Sozialdemokraten.

Fabio De Masi, Bundestagsabgeordneter der Linken, warf Scholz vor, sich hinter den Franzosen zu verstecken, um eine echte Finanztransaktionssteuer „kalt zu beerdigen“. Nun werde der Hochfrequenzhandel nicht wirksam eingeschränkt. Die Anrechnung der Finanzaktionssteuer auf die Beiträge für das Eurozonen-Budget sei auch nicht sachdienlich. „Denn der Aufwand für eine Börsenumsatzsteuer lohnt für kleine Staaten kaum.“

Kritisch äußerte sich auch DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. „Von der ursprünglichen Absicht, den Finanzsektor an den Kosten der Finanzkrise zu beteiligen, bliebe nichts übrig. Dennoch von einer Finanztransaktionssteuer zu sprechen ist Augenwischerei“, sagte der Gewerkschafter. In der Frankfurter Finanzbranche gibt es ohnehin Widerstand gegen eine Besteuerung – jedweder Art. „Da die Steuer wie eine Umsatzsteuer wirkt, wären alle Kunden und Anleger betroffen, die Geld in Wertpapiere investiert haben“, heißt es beim Bundesverband Deutscher Banken.

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