Brotaufstrich mit Bahncard: Nutella-Aktion bringt Deutscher Bahn 200.000 Buchungen
Seit Juni finden sich an vielen Nutella-Gläsern Gutscheine für die Bahncard 25. Der Preisvorteil für die Kunden ist gering - trotzdem feiert die Bahn einen Marketingerfolg.
Die in Essen lebende Gabriele Sonntag will ihre Eltern in Berlin besuchen. Sie erkundigt sich am Ticketschalter der Deutschen Bahn nach einem Angebot, mit dem sie möglichst preiswert und schnell reisen kann. Die Bahn-Angestellte berät und sucht, bis sie Frau Sonntag einen Vorschlag macht. „Am günstigsten fahren Sie mit einem Glas Nutella“, sagt die Dame am Schalter. Gabriele Sonntag versteht nur Bahnhof.
200 000 eingelöste Nutella-Gläser
Seit dem 8. Juni klebt der italienische Süßwarenhersteller Ferrero Gutscheine der Bahn in die Deckel einiger Nutella- Gläser. Diesen können Käufer gegen eine spezielle Bahncard 25 einlösen, die einen Monat lang gültig ist. Mit der Karte wiederum erhalten Bahn-Kunden 25 Prozent Ermäßigung auf Normal- und Sparpreisangebote des Fernverkehrs in der zweiten Klasse. Gut zwei Monate nach Beginn und einen Monat vor Ende der Aktion am 30. September hat die Bahn eine positive Zwischenbilanz gezogen. „Wir sind mit der Aktion bisher sehr zufrieden“, sagt der Marketingleiter der DB für den Fernverkehr, Joachim Luhm. Aktuell hätten schon rund 200 000 Kunden die Ein-Monats-Bahncard aus den Gläsern eingelöst. Das liege deutlich über den Erwartungen der Bahn. Wie viele Kunden davon allein wegen dieser Aktion in die Bahn gestiegen sind, lässt sich derzeit noch nicht ermitteln.
Endlich läuft mal etwas wie geschmiert bei der Deutschen Bahn, diesem gestressten Staatsunternehmen. Ein Gewinneinbruch um 39 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum hatte die Halbjahresbilanz geprägt. Unwetter und Dauerstreiks der Lokführer waren ein Grund, weshalb Kunden sich nicht auf das Angebot verlassen konnten. Die zunehmende Konkurrenz der Fernbusse tut das Übrige. So ist die Bahn permanent bemüht, neue Kunden anzusprechen.
Nutella zu Dumping-Preisen verkauft?
Bereits vor sieben Jahren, damals noch unter Führung von Hartmut Mehdorn, war die Bahn eine vergleichbare Aktionsallianz mit Ferrero eingegangen. Damals klebte nur ein für eine Fahrt gültiger 25- Prozent-Rabattgutschein im Deckel der Nutella-Gläser. Die jetzige Aktion mit einer einmonatigen Gültigkeit der Bahncard ist deutlich größer angelegt.
Der Nuss-Nougat-Brotaufstrich gilt als die stärkste Marke des Ferrero-Konzerns, der mit Nutella unter anderem die deutsche, italienische, französische und österreichische Fußballnationalmannschaft sponsert. „Die Ferrero-Nuss-Nougat-Creme ist ein sogenanntes A-Brand- Produkt“, sagt Denise Klug, Analystin beim Einzelhandelsfachdienst Planet Retail. Nutella finde sich inzwischen in jedem deutschen Supermarkt. Sogar Aldi mit rund 95 Prozent Eigenmarken im Sortiment führe den Brotaufstrich, erklärt Klug die Verbreitung von Nutella..
Bei Marktbeobachtern stehen Ferrero und einige Händler nun im Verdacht, dass sie Nutella unterhalb des Einstandspreises verkaufen. Ein 450-Gramm-Glas kostet derzeit um die 2,50 Euro im Handel. Der Gutschein entspricht einem Barwert von bis zu 5,17 Euro – gemessen am Standardpreis von 62 Euro im Jahr für die reguläre Bahncard 25. Man könne nichts gegen dieses Angebot einwenden, eine kartellrechtliche Problematik sei nicht erkennbar, sagt Peter Brammen, Vorstand der Wettbewerbszentrale. Auch das Bundeskartellamt bestätigt, dass keine Beschwerden zu Nutella oder der aktuellen Werbeaktion eingereicht wurden. Eine Aktion, die befristet stattfindet, stelle in der Regel kein Problem dar.
Überkreuz-Werbeaktion soll nicht die letzte gewesen sein
„Bei der Aktion von Deutscher Bahn und Nutella handelt es sich wahrscheinlich um eine Überkreuz-Werbeaktion“, vermutet Brammen. Beide Seiten würden zusätzliche Kunden erreichen. Zu den Details der Kooperation wollen sich die Unternehmen nicht äußern.
Aktuell gibt es rund fünf Millionen Bahncard-Inhaber, davon besitzen etwa 3,5 Millionen die Bahncard 25. Wie viele Kunden tatsächlich nur wegen Nutella in den Zug gestiegen sind, wird die Bahn erst nach Abschluss der Aktion abschätzen können, wenn Kundenbefragungen durchgeführt werden. Generell fahren Bahncard-Nutzer vorwiegend Strecken zwischen großen Städten wie Hamburg und Berlin, München und Berlin, Hamburg und Köln oder Frankfurt und München.
Auch künftig will die Bahn neue Marketingkooperationen eingehen. Die aktuelle Aktion sieht die Bahn als Schnupperangebot, mit dem neue Kunden gewonnen und vom Bahnfahren überzeugt werden. „Wer möchte nicht gern Gesprächsthema am Frühstückstisch sein?“, sagt Joachim Luhm, der Marketingexperte von der Bahn.