Was wird aus den Supermärkten?: Nur in Berlin war Kaiser's stark
An vielen Standorten in Berlin liegen die Läden von Kaiser’s und Edeka dicht an dicht. Auch daran ist die Kette gescheitert. Doch wie sieht die Zukunft der Märkte und der Mitarbeiter aus?
Tanzen könnte man in der Kaiser’s-Filiale in der Charlottenburger Knesebeckstraße, so breit sind die Gänge. Doch die Kunden lassen es lieber ruhig angehen, schlendern von einer Theke zur anderen. Hiervon ein bisschen und davon ein Scheibchen, sagen sie, drehen jede Avocado einzeln in ihrer Hand. Nach dem Einkauf kann man in der „Kaiser’s-Lounge“ im Eingangsbereich entspannen, wo das Licht gedimmt ist, man in roten Ledersesseln sitzt und aufgeschäumte Milch aus hohen Gläsern trinkt.
Aus den bodentiefen Fenstern kann man hinüber auf den Edeka-Laden blicken, grelle Beleuchtung, angeschmuddelte Aufsteller vor der Tür, die Schranke lässt Ankömmlinge in enge, verwinkelte Gassen ein. Unweigerlich empfindet man ein Gefälle zugunsten von Kaiser’s. Hinter den Kulissen ist es umgekehrt.
Kaiser’s hat eine lange Tradition in Berlin
Kaiser’s und Berlin, das ist eine lange Geschichte. Sie beginnt 1884, als die erste Niederlassung an der Spree eröffnete. Die höchste Filialdichte gab es in den Dreißigerjahren. Doch spätestens seit Bolle um die Jahrtausendwende von der Bildfläche verschwand, erst in Spar und dann in Edeka und Rewe aufging, betrachten die Berliner Kaiser’s als „ihr“ Geschäft. Dabei wurde die Kette in Nordrhein-Westfalen gegründet.
Seit Unternehmenschef Karl Erivan Haub am Dienstag angekündigt hat, sämtliche Filialen an Edeka verkaufen zu wollen, sorgt man sich in Berlin, was aus den Standorten wird. In keiner Stadt ist Kaiser’s so präsent wie hier. 120 Supermärkte der Marke gibt es in der Region. Erst vor zwei Wochen wurde der neueste in der „Mall of Berlin“ eingeweiht. Mit gedeckten Farben, Hochglanzböden, großen Lettern an der Wand. Längst kein Alleinstellungsmerkmal mehr im Filialnetz des Unternehmens.
Bei Frische-Produkten konnte Kaiser’s nicht mithalten
In den zurückliegenden drei Jahren hat Kaiser’s 75 Prozent seiner Läden aufgehübscht. Zu spät, sagen die einen. Zu lange sei der Gesamteindruck der Kette schäbig gewesen. Zu hübsch, sagen die anderen. „Einige Läden wirken inzwischen so elegant, dass die Kunden ,teuer’ assoziieren“, urteilt Matthias Queck vom Handelsinformationsdienst Planet Retail. „Kaiser’s stand ja ohnehin nie in dem Ruf, besonders billig zu sein.“
Dabei ist das Preisniveau ziemlich identisch mit dem von Edeka. Vieles ist sogar günstiger. Markenartikel wie „Philadelphia“-Frischkäse oder die „Prinzen Rolle“ kosten dauerhaft zehn Cent weniger. Auch Kaiser’s’ Billigmarke „A+P“, kurz für „attraktiv und preiswert“, kann die des Konkurrenten, „gut und günstig“, oft unterbieten. Allein bei Frische-Produkten konnte Kaiser’s seit geraumer Zeit nicht mehr mithalten, der Hundert-Gramm-Preis für den abgepackten Bio-Salami-Aufschnitt beträgt 3,11 Euro gegenüber 2,49 Euro bei der Konkurrenz. Für das Kilo Rosenkohl zahlt man sogar 2,65 Euro anstatt 92 Cent.
In Wohngebieten war Kaiser’s stark
Das Geschäft mit Frischwaren ist ein schwieriges, weil schnelllebiges. Kaiser’s gelang es nicht, bei den Lieferanten für Milch, Käse, Gemüse und Obst dieselben Konditionen auszuhandeln wie Edeka. Das war schlecht, weil Kaiser’s genau auf diese Angebote gesetzt hatte. „Unwiderstehlich frisch“ lautet das erklärte Motto. Auch logistisch ist die tägliche Belieferung mit schnell verderblichen Waren eine Herausforderung, morgens früh soll überall alles aktuell sein, aber für die Anlieferzeiten gibt es enge Zeitfenster aus Gründen des Lärmschutzes, zumal in Wohngebieten, wo Kaiser’s traditionell stark ist. Wer alle Läden gleichzeitig erreichen will, braucht viele Transportwagen, die nachmittags ungenutzt herumstehen. Ein kostspieliges Geschäft. Ebenso wie die Öffnungszeiten bis 24 Uhr. Edeka hatte damit angefangen. „Dazu kommt der nationale Werbedruck von Konkurrenten wie Edeka und Rewe“, sagt Matthias Queck.
Kaiser’s hat 15 Jahre keinen Gewinn mit den Supermärkten gemacht
In absoluten Zahlen wird der Verhandlungsnachteil von Kaiser’s mehr als deutlich. Gerade mal 0,6 Prozent Marktanteil hat das Unternehmen Kaiser’s-Tengelmann bundesweit, weshalb Marktführer Edeka sich selbstbewusst gibt, dass das Kartellamt den Deal genehmigt – obwohl die Behörde kürzlich erst die hohe Konzentration im Lebensmittelhandel als „bedrohlich“ bezeichnete. „Eine Konzentration von Edeka-Märkten würde nicht signifikant zunehmen“, teilt Edeka mit, spricht von einer „Zukunftsperspektive“ für alle Kaiser’s-Mitarbeiter.
320 Filialen hat Edeka im Raum Berlin
Schaut man sich aber den Raum Berlin an, kommen Zweifel auf. 320 Edeka-Filialen sind es ohnehin inklusive Reichelt- und Nah-und-gut-Märkten, macht mit den 120 Kaiser’s-Standorten 440. Und nicht nur in der Charlottenburger Knesebeckstraße liegen die Händler in unmittelbarer geografischer Nähe. Auch in der Kantstraße befinden sie sich gegenüber. Überhaupt ist die Ballung in Charlottenburg höher als sonst irgendwo. Klausenerplatz, Kaiserdamm, Bismarckstraße. Im bayerischen Viertel sieht es ähnlich aus, genauso wie an der Ruppiner Chaussee in Heiligensee oder dem Kottbusser Damm in Kreuzberg. Und nachdem der riesige, moderne Vorzeige-Kaiser’s an der Clayallee mit großem Parkplatz Kunden auch von weiter her anlockte, macht ihm seit einem Jahr ein mindestens so schicker Edeka an der Truman-Plaza Konkurrenz.
Dennoch: In Berlin lief Kaiser’s gut. „Berlin ist unsere starke Region“, sagt eine Sprecherin von Tengelmann. Über Umsätze spricht man am Unternehmenssitz in Mülheim an der Ruhr nicht mehr, aber klar ist: Dass man seit 15 Jahren keinen Gewinn mehr mit den Supermärkten gemacht hat, liegt nicht an Charlottenburg und Prenzlauer Berg. „Aber wir verkaufen die Unternehmenssparte nun mal als Ganzes“, sagt die Sprecherin. Viel mehr dann auch nicht, „bitte haben Sie Verständnis, wir stehen alle noch ein bisschen unter Schock“.
6000 Mitarbeiter hat Kaiser’s in der Region
Wie die mehr als 6000 Kaiser’s-Mitarbeiter in Berlin und Brandenburg. Und viele treue Kunden, von denen manche sagen: „Edeka ist keine Alternative. Das Sortiment...“ Andere sind Edeka-Fans, fragen sich aber, ob das so bleibt, wenn nun noch ein Konkurrent vom Markt verschwindet, von Wettbewerb kaum mehr die Rede sein kann. Gewiss, in Berlin gibt es Einkaufsmöglichkeiten wie sonst kaum irgendwo. Aber Supermärkte? Zweitstärkster Anbieter in Deutschland ist Rewe. Doch der ist mit 157 Märkten in Berlin deutlich abgeschlagen.
Wo zwei Supermärkte mehr oder weniger nebeneinanderliegen, kann sich doppelte Ladenmiete in Einzelfällen lohnen, meinen Handelsexperten. Kann. Im Zweifel bleibe das großzügigere Geschäft erhalten. Und das andere? „Da zieht vielleicht ein Netto ein“, sagt Queck. Die Discounter-Kette, die seit 2009 ganz zu Edeka gehört, speist sich zu großen Teilen aus ehemaligen Plus-Filialen – die auch einmal Tengelmanns waren.
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