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Tengelmann verkauft die Supermarkttochter Kaiser's Tengelmann mit 450 Filialen an den Edeka-Verbund.
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Update

Übernahmepläne von Edeka: Wettbewerbshüter und Produzenten warnen vor Verkauf von Tengelmann-Märkten

Alle Tengelmann-Supermärkte sollen an Edeka fallen, die Unternehmensgruppe sieht keine Perspektive mehr für die 450 Filialen von Kaiser's und Tengelmann. Nicht nur Lebensmittelproduzenten sehen das kritisch, auch das Kartellamt und die Monopolkommission.

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Immer mehr Macht für immer weniger Akteure: Wettbewerbsrechtler und Lebensmittelproduzenten beurteilen die angestrebte Übernahme der Kaiser’s-Tengelmann-Läden durch Edeka kritisch. Die Nachfragemacht des Lebensmitteleinzelhandels sei „schon jetzt ein Problem“, sagte Kartellamtspräsident Andreas Mundt am Dienstag. „Jede weitere Konzentration wirft schwierige wettbewerbsrechtliche Fragen auf.“ Die Behörde wird das Vorhaben prüfen. Auch der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) bereiten die neuen Pläne Sorgen. Die hohe Konzentration im Markt führe zu einem harten Wettbewerb, erklärte Stefanie Lehmann, Referentin für Lebensmittelhandel beim Verband, dem Tagesspiegel. Es fehle an alternativen Absatzmöglichkeiten. „Eine Verschärfung der Situation belastet die überwiegend kleinen und mittelständischen Unternehmen der Ernährungsindustrie“, mahnte Lehmann.

Wie am Dienstag bekannt wurde, will die Edeka-Gruppe mit Sitz in Minden sämtliche Supermärkte unter den Flaggen von Kaiser’s und Tengelmann kaufen. Man habe keine andere Möglichkeit mehr gesehen, das seit Jahren defizitäre Familienunternehmen wieder profitabel zu machen, hieß es bei Tengelmann. „Mit einem Marktanteil von nur 0,6 Prozent sind wir mit unseren Supermärkten zu klein, um weiterhin im Markt eine Chance zu haben“, erklärte der Leiter des Unternehmens, Karl-Erivan Haub, der zur Eigentümerfamilie gehört. „Dies ist ein äußerst schmerzlicher und trauriger Tag“, soll er am Nachmittag in der Firmenzentrale in Mühlheim an der Ruhr gesagt haben. „Zu erkennen, dass der Verkauf unseres Supermarktunternehmens letztlich unausweichlich wurde, war für meine Familie und mich persönlich sehr schwer.“ Bis Mitte 2015 sollen alle Standorte an Edeka übergehen.

Monopolkommission beobachtet "bedenklichen Spiraleffekt"

Bereits vor zwei Wochen hatte das Bundeskartellamt auf die enorme Dominanz einiger weniger großer Lebensmittelhändler hingewiesen. 85 Prozent des Marktes würden von den Konzernen Edeka, Rewe, Aldi und Schwarz (Lidl, Kaufland) bestimmt. Diese Ketten sind für die Lieferanten so bedeutende Abnehmer, dass sie durch alle Segmente hinweg erheblichen Druck auf die Preise ausüben können, ergab eine mehrjährige Untersuchung. Nicht einmal namhafte Hersteller könnten sich dem entziehen – kleinere Produzenten schon gar nicht.

Daniel Zimmer, Vorsitzender der Monopolkommission der Bundesregierung, warnte explizit davor, die Verhandlungsposition des ohnehin einflussreichen Marktführers Edeka weiter zu stärken. „Seit langem ist im Lebensmitteleinzelhandel ein bedenklicher Spiraleffekt zu beobachten: Die großen Handelsunternehmen erzielen im Einkauf Vorzugskonditionen“, sagte Zimmer dem Tagesspiegel. So könnten sie günstigere Preise anbieten und der Konkurrenz weitere Kunden abwerben. „Je weniger unabhängige Händler am Markt verbleiben, umso schwerer fällt es Produktherstellern, der Verhandlungsmacht der großen Handelsunternehmen auszuweichen“, urteilt Zimmer.

Edeka mächtigster Händler vor Rewe

Edeka führt die Liste der Nahrungshändler an. 2013 erzielte das Unternehmen, zu dem auch der Discounter Netto gehört, mit rund 11 600 Märkten einen Umsatz von 46,2 Milliarden Euro. Mit 451 Märkten und einem Jahresumsatz von 1,8 Milliarden Euro war Tengelmann zuletzt siebtgrößter Lebensmittelhändler in Deutschland. 16 000 Menschen sind bei Kaiser’s-Tengelmann beschäftigt. In Berlin und Brandenburg betreibt das Unternehmen, das sonst noch in Nordrhein-Westfalen und Bayern aktiv ist, 120 Supermärkte mit 5266 Mitarbeitern. Hinzu kommt ein Logistikzentrum mit knapp 1000 Mitarbeitern – dies dürfte durch die Angliederung an Edeka überflüssig werden. Die Edeka-Gruppe äußerte sich dazu nicht, kündigte aber an: „Wir werden alle Mitarbeiter übernehmen.“ Die Märkte sollen nach und nach, wie bei Edeka üblich, an selbstständige Kaufleute übergeben werden. Vor allem junge Menschen erhielten damit die „Chance auf Selbstständigkeit“, erklärte der Konzern.

Geschäftsführer Karl-Erivan Haub gehört zur Tengelmann-Eigentümerfamilie Haub.
Geschäftsführer Karl-Erivan Haub gehört zur Tengelmann-Eigentümerfamilie Haub.
© dpa

Diese Chance sei in Wahrheit ein Risiko, kommentierte Stefanie Nutzenberger, Bundesvorstandsmitglied der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Das System bedeute, dass tausende Beschäftigte „weder den Schutz von existenzsichernden Tariflöhnen noch einen Betriebsrat“ hätten. „Dieses Edeka-Muster darf auf keinen Fall auf die Filialen von Kaiser's/Tengelmann übertragen werden“, forderte sie. Tengelmann-Chef Haub formulierte es so: Der Schritt biete den Mitarbeitern „immerhin eine Zukunftsperspektive“. Über die Kaufsumme vereinbarten Tengelmann und Edeka Stillschweigen.

Tengelmann war einmal größter Lebensmittelanbieter

Lange Zeit waren die Supermärkte das Herzstück des Familienunternehmens Tengelmann, einst Deutschlands größtes Lebensmittelunternehmen. Seit 121 Jahren gibt es die Kette. In Bayern firmieren die Läden bis heute unter dem Namen Tengelmann. Doch seit 15 Jahren sei damit kein Geld mehr verdient worden, heißt es.

2010 hatte Edeka bereits die Discountkette Plus von Tengelmann übernommen, deren Läden seither von Netto geführt werden. Neben den Supermärkten soll jetzt auch die Online-Tochter Tengelmann E-Stores mit den Portalen Plus.de und GartenXXL.de an Edeka übergehen. Tengelmann bleiben dann der Textil-Discount Kik und die Obi-Baumärkte. Außerdem gehören zum Konzern die Plattform Baby-markt.de und Anteile am Börsen-Neuling Zalando. In seinen Online-Aktivitäten galt Tengelmann bislang als vorbildlich.

Bei den Supermärkten waren wohl alle Anstrengungen vergebens.

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