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Das mobile Internet im Visier: Microsoft liefert künftig nicht nur Betriebssysteme, sondern die Smartphones gleich dazu.
© Reuters

Handy-Sparte: Nokia lässt sich von Microsoft kaufen

Die Finnen geben ihr Handygeschäft an den Softwarekonzern ab. Microsoft will endlich zu Apple aufschließen.

Verwaltungsratschef Risto Siilasmaa tritt ganz nüchtern auf, spricht konzentriert und klar strukturiert. Im Internet kann man seinen Auftritt verfolgen. Und trotz der Nüchternheit macht der Finne klar, dass es hier auch um Emotionen geht. Nokia ist mehr als ein Unternehmen, es ist eine Ikone – nicht nur für Finnland, auch für Europa. Es ist nicht lange her, da trugen 40 Prozent der auf der ganzen Welt verkauften Mobiltelefone den Schriftzug Nokias. Das ist vorbei. Nun verkaufen die Finnen ihr Kerngeschäft an den US-Softwarekonzern Microsoft – und 32 000 Mitarbeiter wechseln das Unternehmen. Nokia wird künftig noch 56000 Mitarbeiter haben.

Microsoft zahlt insgesamt 5,44 Milliarden Euro an die Finnen, wobei 3,79 Milliarden Euro auf den Kauf der Handysparte selbst entfallen. Weitere 1,65 Milliarden Euro zahlt Microsoft für die in der Branche so wichtigen Patente. Nokia will das Geld in seine verbliebenen Geschäfte investieren – die Netzwerksparte NSN und die Navigationssparte Here.

Microsoft und Nokia haben bereits seit zweieinhalb Jahren eng zusammengearbeitet. Die Finnen, eigentlich die Erfinder des Smartphones, hatten die rasante Entwicklung der mobilen Taschencomputer verschlafen und kein attraktives Betriebssystem mit vielen Anwendungen zu bieten, wie es Apple (mit iOS) und Google (mit Android) längst hatten. Microsoft wiederum hatte ebenfalls keine überzeugendes Angebot für das mobile Internet. Mit vereinten Kräften wollten die Unternehmen sich wieder an die Spitze bringen – aber der erhoffte Erfolg blieb bisher aus. Zwar kann Nokias Spitzenmodell Lumia durchaus mit der Konkurrenz mithalten. Die Verkaufszahlen blieben jedoch hinter den Erwartungen zurück. Heute hat Nokia bei Smartphones nur noch einen Marktanteil von drei Prozent.

Microsoft im Wandel

Microsoft hat bereits im vergangenen Jahr begonnen, sich vom reinen Softwarekonzern zu einem Anbieter von Produkten und Diensten zu entwickeln. Den Anfang machte das Tablet Surface. Insofern ist der Kauf eines Handyherstellers konsequent. Apple (mit dem iPhone) und Google (mit Motorola) haben das vorgemacht.

Microsoft werde weiterhin Dienste auch für iPhones oder für Samsungs Galaxy-Geräte mit Android anbieten, kündigte Microsoft-Chef Steve Ballmer in einer Telefonkonferenz an. „Aber wir können auf diesen Plattformen kein volles und erstklassiges Erlebnis bieten.“ Zudem sei man dort auf das Wohlwollen von Apple und Google angewiesen. Und schließlich werde Microsoft künftig rund 40 Dollar pro Lumia-Smartphone einnehmen statt der bisherigen zehn Dollar nur für die Lizenz für das Betriebssystem Windows-Phone.

Und was bleibt Nokia? Da ist zum einen NSN. Die Netzwerksparte war ursprünglich ein Gemeinschaftsunternehmen mit Siemens hatte anfangs 60 000 Mitarbeiter – und produzierte über lange Zeit hohe Verluste. Jüngst hat Nokia die Siemens-Anteile an NSN für 1,7 Milliarden Euro übernommen. Gut 2,7 Milliarden Euro setzte Nokia damit um, einen Hauch mehr als in der Handysparte. Während das Handysegment Verlust machte, blieb bei NSN wenigstens ein operativer Gewinn von acht Millionen Euro übrig. Auch die Marge entwickelte sich im Geschäft mit Funknetzen nach oben.

Mit der Navigationssparte Here setzte Nokia zuletzt 216 Millionen Euro um, allerdings wächst dieser Bereich sehr stark. Vier von fünf Autos, die ein Navigationssystem haben, fahren mit Karten von Nokia. Dazu hatte das Unternehmen den Kartenspezialisten Navteq und das Berliner Start-up Gate5 gekauft. Here hat weltweit etwa 6000 Mitarbeiter. Ein wichtiger Standort ist nach wie vor Berlin, wo etwa 800 Mitarbeiter beschäftigt sind. Sie wird geleitet von dem Schweizer Michael Halbherr, Gründer von Gate5.

Anders als Verwaltungsratschef Siilasmaa reagierten die Nokia-Aktionäre geradezu euphorisch auf die Nachricht. Die Aktie schoss am Dienstag in der Spitze um mehr als 46 Prozent auf rund 4,33 Euro hoch. Im Jahr 2007 hatte sie allerdings noch mehr als 20 Euro gekostet. Die Microsoft-Aktie gab dagegen um mehr als fünf Prozent nach.

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