Frauen in Führungspositionen: Noch immer allein an der Spitze
Wie weibliche Chefs führen und warum sie es noch immer nur mit Trippelschritten in die Vorstandsetagen schaffen.
Da stehen sie, Anzug an Anzug, die Hände gewollt lässig in den Hosentaschen. Die fünf Vorstände der Immobilienfirma Engel & Völkers posierten in dieser Woche für ein Twitter-Foto zum Weltfrauentag, nichtsahnend, wie sehr sie sich damit blamieren. Sie wollten doch bloß über ihre weiblichen Vorbilder sprechen, die so aufopfernd Kinder großzogen, so liebevoll ihre Enkel umsorgen. Dass zwischen ihnen keine einzige Frau stand, fiel nicht weiter auf. Ein Kommentar lautete: „Realität schlägt jede Satire!“
Die Gleichberechtigung in der Führungsriege der deutschen Wirtschaft kommt nur in Trippelschritten voran. Obwohl drei von vier Frauen arbeiten, ist eines von zehn Vorstandsmitgliedern weiblich. In den Ebenen darunter sieht es nicht ganz so schlimm aus, aber auch noch längst nicht gut. Gründe dafür gibt es zuhauf. Die Frauen wollen nicht führen! Sie setzen sich nicht durch, wissen nicht, sich zu verkaufen, heißt der Schuldspruch für die eine Seite. Demgegenüber stehen Männer, die lieber jemanden befördern, der ihnen ähnlich ist.
Besonders stark illustriert das die deutsch-schwedische Allbright-Stiftung. Danach war der Zuwachs an Frauen in den Vorständen 2018 so gering, dass er in etwa dem gleichzeitigen Zuwachs an Männern entspricht, die Thomas heißen. „Thomas rekrutiert Thomas, und der wiederum einen Thomas“, schreibt die Stiftung. Elke Holst, Forschungsdirektorin für Gender Studies am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, ergänzt: „Die Männer geben nicht gerne freiwillig Macht und Geld ab. Frauen müssen deswegen oft genug kämpfen.“
Die Initiative Chefsache ist ein Netzwerk zur Förderung eines ausgewogenen Verhältnisses von Frauen und Männern in führenden Positionen. Schirmherrin ist Bundeskanzlerin Angela Merkel. Bei einer repräsentativen Online-Befragung des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Initiative kam nun heraus, dass sich fast jede vierte Frau wegen ihres Geschlechts mit Vorurteilen konfrontiert sieht – mehr sogar als im Jahr zuvor. Bei den Männern fühlt so nicht einmal jeder Zehnte.
Männer sind sachlich - Frauen emotional
Zunächst einmal werden beiden Geschlechtern bestimmte Stereotypen zugeschrieben – ganz gleich ob Eigenschaften so verallgemeinert werden können oder nicht. Männer gelten als sachlich, dominant, konfliktbereit; Frauen als kommunikativ, teamorientiert, emotional. „Es werden aber immer noch eher Eigenschaften belohnt, die Männern zugeschrieben werden“, sagt Elke Holst. Auch wenn Stereotype nicht der Realität entsprechen – das menschliche Gehirn mag und braucht sie zur Orientierung.
Aus Sicht der Wissenschaftlerin Holst trauen sich manche Frauen einen Chefposten aber auch tatsächlich nicht zu. „Auch weil ihnen ausreichend Vorbilder in hohen Positionen fehlen“, sagt Holst. Anders als Männer, die Chefs seit jeher überall um sich herum sehen. Studien belegen zudem, dass Männern noch immer die Hauptrolle des Ernährers zugeschrieben wird, während Frauen die Familie managen sollen. Die Heimarbeit? Erledigen zum großen Teil noch immer die Frauen, wie ein aktueller Report des DIW zeigt. Das kranke Kind muss aus der Kita geholt werden? Ein erster Anruf an die Mutter! Bei der Vergabe einer Führungsstelle wird bei Frauen die Kinderfrage mitgedacht – bei Männern nicht.
Andere Gender-Expertinnen beobachten: Viele Frauen planen ihre Karriere zögerlicher, platzieren Verbündete nicht so strategisch, fördern andere Frauen bewusst nicht, um eben nicht allein über das Frauenthema definiert zu werden – und einige würden zu sehr darauf beharren, alles allein aus ihrer Leistung heraus zu stemmen, was junge Frauen wiederum eher verunsichert als stärkt. Die umstrittene Frauenquote finden viele leider notwendig, um an jahrhundertelang gültigen Strukturen etwas zu ändern.
Weibliche Chefs machen Firma erfolgreich
Dabei belegen etliche Studien, dass Unternehmen innovativer und erfolgreicher sind, wenn auch Frauen etwas zu sagen haben. Zum Feiertag hat auch das dänische Unternehmen Peakon knapp 60000 Mitarbeiter aus 173 internationalen Unternehmen zur Führungskultur befragt. Mit dem Ergebnis: Ist die Besetzung von den Geschlechtern her ausgewogen, denken Mitarbeiter häufiger, ihr Unternehmen entwickelt sich in die richtige Richtung, glauben stärker an die Ziele und genießen höhere Unabhängigkeit am Arbeitsplatz wie zum Beispiel mit der Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten. Kurzum: Sie sind zufriedener.
Wissenschaftler von der Norwegian Business School ließen im vorletzten Jahr zudem 2900 Führungskräfte hinsichtlich ihrer Persönlichkeitsmerkmale untersuchen. Sie definierten fünf Charakterzüge, die für gutes Management wichtig sind: Emotionale Stabilität, Extrovertiertheit, Offenheit für Ideen, Geselligkeit und Gewissenhaftigkeit. Die untersuchten Frauen kamen im Durchschnitt in vier der fünf Kategorien auf bessere Ergebnisse als die Männer. Nur die Sache mit dem Stress, die haben sie demnach nicht so gut im Griff. Denn Frauen, heißt es in der wissenschaftlichen Arbeit, machten sich oft zu viele Sorgen.
Pauschalisieren kann man auch diese Ergebnisse nicht. Es gibt sicherlich auch Vorgesetzte, die sehr empathisch sind – und Chefinnen, die es weniger sind. Das sagt zum Beispiel Fränzi Kühne von sich, die in Berlin eine Digitalagentur leitet und Deutschlands jüngste Aufsichtsrätin war. „Wenn Mitarbeiter mit beruflichen Problemen oder privaten Sorgen kommen, will ich sachliche Lösungen“, erzählte sie im Tagesspiegel-Interview. Was Unterschiede betrifft, falle ihr in Verhandlungsgesprächen auf, dass Männer dreister und Frauen nicht so hartnäckig seien.
Kürzlich meinte die BVG-Chefin Sigrid Evelyn Nikutta, dass Frauen „immer noch viel kritischer als Männer bewertet werden“. Sie selbst glaubt nicht, dass es „einen typisch männlichen oder typisch weiblichen Führungsstil gibt“ – fördert aber trotzdem gezielt, indem sie Boni von Managern daran knüpft, ob sie Frauen eine Stelle geben. Auch wenn es letztlich keine eindeutige Antwort zum Führungsstil von Frauen gibt, liefert die norwegische Studie doch einen Gegenbeweis zu der Annahme, dass Frauen sich mehr beweisen müssten.
Ist eine Karriere denn überhaupt so gewünscht? Gut jede Dritte strebt danach, wie die Chefsache-Umfrage zeigt. Was allerdings weniger sind als ein Jahr zuvor. Den Männern geht es demnach genauso. Noch ist es jeder Vierte. Doch auch von ihnen wollten angeblich mal mehr den ganz großen beruflichen Erfolg.