Starke Belastung: Nirgends brechen so viele Azubis die Ausbildung ab wie in Berlin
Die Mehrheit der Berliner Azubis ist laut Umfrage zufrieden, fühlt sich aber stark belastet. Die Hälfte geht auch krank zur Arbeit.
Wer in Berlin Friseur werden möchte, verdient im ersten Ausbildungsjahr 265 Euro brutto. Manchmal müssen die Azubis nach ein, zwei unbezahlten Überstunden zu Übungsabenden. Jeder Zweite kann sich in seiner Freizeit nicht erholen. Und am Ende des Monats müssen viele zum Amt, um bei dem Gehalt Sozialleistungen zu beziehen.
Nicht allen Auszubildenden geht es so schlecht. Drei von vier Jugendlichen sind mit ihrer Lehre zufrieden. Das zeigt der elfte Ausbildungsreport der DGB Jugend Berlin-Brandenburg, für den 2500 Jugendliche aus den beiden Ländern befragt wurden. Doch gerade in der Region gibt es etliche Probleme. Zwar verdient der Durchschnitts-Azubi 740 Euro brutto. Bundesweit würde er aber 826 Euro verdienen.
Der Azubi-Mangel existiert nicht
Vom Deutschen Gewerkschaftsbund hieß es am Dienstag: Der oft genannte Azubi-Mangel existiere nicht. In Berlin und Brandenburg sei die Nachfrage höher als das Angebot. Auf Basis der Daten der Arbeitsagenturen kommen in Berlin auf einen Bewerber 0,77 Stellen. Eine Ursache sei die bundesweit niedrigste Ausbildungsquote der Berliner Betriebe von 12,5 Prozent.
Eine anderes Problem sei, dass viele Betriebe nur Abiturienten wollten. „Das Phänomen sehe ich nirgends so stark wie in Berlin“, sagte Doro Zinke, Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg. Unternehmen würden ihr sagen, früher hätten sie 250 Bewerber gehabt, heute nur noch 80. „Das soll dann die schlechte Auswahl sein“, sagte sie. Selbst für anspruchsvolle Berufe sei ein Abitur nicht zwingend. Und wenn ein Lehrling Probleme habe, gebe es begleitende Hilfen. Finanziert von der Arbeitsagentur.
Der DGB fordert den neuen Senat auf, das Ausbildungsplatzangebot zu steigern, „zum Beispiel in Gestalt einer regionalen Ausbildungsplatzabgabe“.“ Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: Sollte die Stellenanzahl weiterhin nicht ausreichen, werde die Idee einer solchen Abgabe für jene Unternehmen, die nicht ausbilden, überprüft. Wenn sie eingeführt wird, dann zunächst in der Altenpflege.
Einkaufen gehen oder den Rasen mähen
Obwohl die meisten Azubis zufrieden sind, ist die Organisation nicht so gut wie sie sein sollte. Fast ein Drittel der Jugendlichen hat keinen betrieblichen Ausbildungsplan, der sie über Inhalte und Ziele informiert. 65 Prozent müssen mindestens hin und wieder ausbildungsfremde Tätigkeiten ausführen – wie für den Chef einkaufen gehen oder seinen Rasen mähen. „Immer“ korrekt behandelt fühlen sich 46 Prozent, „oft“ 34 Prozent. Mehr als ein Viertel muss regelmäßig Überstunden ableisten. Knapp ein Drittel darf das Berichtsheft so gut wie nie während der Zeit im Betrieb führen, sondern muss das zu Hause nachholen.
Das Schwerpunktthema im diesem Jahr sind „psychische Belastungen“. Deswegen hat der DGB Jugend gefragt, was die größten Stressfaktoren der Jugendlichen sind. Rund ein Viertel fühlt sich durch lange Fahrtzeiten sehr belastet, ebenso viele stimmen dem teilweise zu. 17 Prozent beklagen den Leistungs- und Zeitdruck. 15 Prozent klagen über Arbeitszeitthemen wie die Lage der Arbeitszeit, die ständige Erreichbarkeit und schlechte Pausenregelung. Probleme mit Vorgesetzten und Kollegen kritisiert jeder Zehnte.
Hälfte geht aus Angst krank zur Arbeit
Mehr als die Hälfte sieht sich durch seine Arbeitsbedingungen stark bis sehr stark belastet. 29 Prozent der Befragten fühlen sich abends erschöpft, obwohl sie erst am Anfang ihres Berufslebens stehen. Ein gutes Viertel hat Probleme, sich in seiner Freizeit zu erholen. 2012 beklagten das nur 19 Prozent. „Und die Hälfte der Azubis geht häufig oder trotz Krankheit zur Arbeit, das ist ein Alarmsignal, sagte Zinke. Es sei nämlich kein Zeichen für Motivation, sondern für die Angst, sonst Ärger zu bekommen.
Jeder Fünfte hat schon intensiv an einen Abbruch der Ausbildung gedacht. Was man ernst nehmen müsse. Immerhin wird jeder dritte Vertrag in der Region vorzeitig gelöst.“ Bundesweit geht nur jeder Vierte frühzeitig.
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