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Weil sie keine Eier legen und wenig Fleisch ansetzen, kommen männliche Küken häufig in den Schredder.
© Peter Endig/dpa

Tierhaltung: Neues Verfahren soll Kükenschreddern beenden

Mithilfe eines Lasers soll das Geschlecht von Küken schon im Ei bestimmt werden. Tierschützer sind nicht restlos überzeugt.

Von Laurin Meyer

Die Zahl ist beachtlich: Rund 45 Millionen männliche Küken von Legehennen werden jedes Jahr allein in Deutschland getötet. Der Grund: Die Männchen dieser Rassen legen keine Eier und setzen beim Mästen nicht genug Fleisch an, ihre Aufzucht ist kurzum nicht wirtschaftlich. Deshalb landen die kleinen Hähnchen im Schredder oder werden vergast.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) will nun der Durchbruch gelungen sein, um das massenhafte Kükentöten zu beenden. Ein neues Verfahren, gefördert mit rund fünf Millionen Euro, soll schon im Brut-Ei das Geschlecht von Küken bestimmen können. Männliche Küken müssten also gar nicht mehr ausgebrütet werden. „Das ist ein großer Tag für das Tierwohl in Deutschland“, verkündete Klöckner am Donnerstag. Mit diesem Verfahren gebe es keine Rechtfertigung mehr für das Kükentöten.

Zu 98 Prozent sicher

Mithilfe eines Lasers wird bei der sogenannten „Seleggt-Methode“ ein mikroskopisch kleines Loch in das Brut-Ei gebrannt, aus dem dann eine winzige Menge Flüssigkeit entnommen wird. Diese wird anschließend mit einem Marker auf das geschlechtsspezifische Hormon Östronsulfat untersucht. Lässt sich dieses nachweisen, wächst im Brut-Ei ein weibliches Küken heran. Derzeit biete das Verfahren eine Trefferquote von 98 Prozent, versprechen die Erfinder. Mit einer Anlage ließe sich ein Ei pro Sekunde überprüfen.

Entwickelt wurde das Verfahren von einem Joint Venture zwischen der Rewe-Gruppe und einem Technologieunternehmen. Die ersten Eier, die nach dem neuen Verfahren produziert werden, können Supermarktkunden jetzt in insgesamt 223 Rewe- und Penny-Märkten in Berlin kaufen. 2019 sollen die sogenannten „Respeggt-Freiland-Eier“ dann auch bundesweit in den Märkten der Supermarkt-Gruppe erhältlich sein.

Die Technologie bleibe langfristig aber nicht nur Rewe vorbehalten. Die Entwickler wollen das Verfahren ab 2020 der gesamten Branche zur Verfügung stellen – und zwar kostenneutral, wie es heißt. Refinanzieren will sich das Joint-Venture von Rewe über eine Gebühr, die auf den Kaufpreis aufgeschlagen wird. Ein solches Ei kostet den Verbraucher dann überall etwa ein bis zwei Cent mehr als ein herkömmliches Freilandei.

Schmerzempfinden ist wissenschaftlich umstritten

Tierschützer stellt die neue Methode nicht zufrieden. „Das ist keine Lösung im Sinne einer verantwortungsvollen Tierzucht“, sagt Katrin Wenz, Agrarexpertin der Umweltorganisation BUND. „Hennen müssen auch weiterhin Höchstleistung erbringen.“ Wenz fordert stattdessen ein grundsätzliches Umdenken.

Wissenschaftlich umstritten ist außerdem, ob die Küken zum Zeitpunkt der Geschlechtsbestimmung im Brut-Ei schon Schmerzen empfinden können. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat sich bereits Ende 2017 mit dem Thema beschäftigt. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Küken womöglich schon ab dem siebten Tag Schmerzen empfinden, spätestens aber wohl ab dem 15. Bruttag. Das neue Verfahren können Produzenten aber erst ab dem neunten Tag zuverlässig anwenden. „Dann macht es keinen großen Unterschied, ob das Tier vor oder nach dem Schlupf getötet wird“, sagt Anna-Laura Knorpp vom Deutschen Tierschutzbund.

Auch Alternativen auf dem Markt

Das Joint-Venture von Rewe will deshalb weiterforschen. Ziel sei es, das Geschlecht schon am sechsten oder fünften Tag zu bestimmen. Außerdem bietet Rewe bereits Eier aus Betrieben an, in denen sowohl weibliche als auch männliche Küken aufgezogen werden. Diesen Weg gehen auch andere, etwa die Bio-Marktkette Alnatura. „Bruderküken“ nennt sich das Projekt.

Landwirtschaftsministerin Klöckner betonte, dass die Bereitstellung neuer Verfahren besser sei als mit Verboten zu agieren. Auflagen könnten Betriebe ins Ausland vertreiben, die dort im Zweifel zu niedrigeren Standards arbeiten. „Dann wäre für das Tierwohl nichts erreicht“, sagte Klöckner. Ihr Ministerium will auch deshalb weiter in die Entwicklung neuer Ansätze investieren, darunter ins sogenannte Zweinutzungshuhn. Gemeint ist das Züchten einer Hühnerrasse, die sowohl zum Eierlegen als auch zur Fleischproduktion genutzt werden kann. Ab Mitte November sollen für die Erforschung über einen Zeitraum von drei Jahren noch einmal 1,6 Millionen Euro ausgegeben werden.

Klöckners Amtsvorgänger, Christian Schmidt (CSU), hatte schon 2015 angekündigt, das Kükenschreddern bis spätestens 2017 beenden zu wollen. Im aktuellen Koalitionsvertrag haben Union und SPD festgehalten, das Töten bis spätestens Herbst 2019 stoppen zu wollen.

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