Berlins Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer: "Müller hat null Gespür für Wirtschaft"
Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer geht den Regierenden Bürgermeister Michael Müller am Tag nach der Abgeordnetenhauswahl hart an. Ihren Parteichef Frank Henkel verteidigt sie.
Wie geht es Ihnen und Ihrer Partei am Tag danach?
Ganz unvorbereitet hat es uns ja nicht getroffen. Wir hatten über Wochen hinweg in den Umfragen beobachten können, dass die Parteien sich in den Prozentsätzen immer mehr annähern. Und das ist gestern dann auch bedauerlicherweise bestätigt worden.
Aber es ist doch auffällig: Berlins Wirtschaft boomt, die Arbeitslosenquote so niedrig wie seit Generationen nicht. Und die CDU und ihre Senatoren werden vom Wähler abgestraft. Wie ist das zu erklären?
Wirtschaft ist kein Sorgenthema mehr für die Berliner und hat sie im Wahlkampf nicht besonders bewegt. Die Demoskopen berichten: 62 Prozent der Wähler sagen, es geht uns wirtschaftlich gut. Das ist ein grandioser Wert für Berlin. Aber das zeigt, dass das kein Schlüsselthema war für die Wahlentscheidung.
Sie glauben, der Wähler denkt, es gäbe nichts mehr zu tun?
Das treibt mich in der Tat um nach der langen Zeit, in der ich Wirtschaftspolitik mitgestaltet habe. Dabei muss Berlin noch über Jahre weit überproportional stark wachsen. Bitte keine Selbstzufriedenheit! Mancher könnte den Eindruck gewinnen, da ist so viel in Schwung gekommen in den letzten Jahren – die Konjunktur ist ein Selbstläufer. Davor kann ich nur warnen.
Wo bleibt die Motivation als Politiker, wenn es Erfolge gibt, die der Wähler null honoriert?
Generell gilt wohl: Wähler bewerten nicht die Vergangenheit der Arbeit, sondern die Perspektiven. Die Themen Wirtschaft und Arbeitsplätze haben eben niemanden umgetrieben. Das ist aber für den Standort bedenklich. Denn man muss sich klar machen: Für eine erfolgreiche Wirtschaft muss man jeden Tag von Neuem voll durchstarten, um im Wettbewerb, gerade im internationalen, zu bestehen.
Und soll ohne CDU schwerer werden?
Wir haben eine starke unternehmerische Basis in der Stadt. Ich bin auch ein wenig stolz, dass das geschafft wurde. Aber die politischen Rahmenbedingungen, die sich abzeichnen, werden schlechter werden für die Unternehmen. Und man darf nicht glauben, dass Berlin sich das leisten kann.
2001 kam die damalige PDS in den Senat. Und Wirtschaftsvertreter blicken heute milde auf diese Zeit zurück. Wie belegen Sie Ihre These, dass eine linke Regierung schlecht für die Wirtschaft wäre?
Die Unternehmer selbst interessiert das Parteibuch wenig. Aus meiner Zeit bei der Industrie weiß ich, dass man in Gesprächen nicht wirklich auf die Farbe schaut. Aber die Rahmenbedingungen verschlechtern sich. Und ich erinnere mich noch gut, wie ich die Landschaft in Berlin 2012 vorgefunden habe: Die Binnenkräfte hatten sich irgendwie arrangiert. Einige haben auch von der Armut der Stadt gut gelebt, sich eingerichtet. Das aufzubrechen, war notwendig. Es hat der Stadt geholfen. Ich hoffe, dass sich jetzt nicht wieder alle bequem machen.
Dass das nicht passiert, dafür sind ja auch Medien zuständig.
Dann fragen Sie sich doch mal: Was hat Müller denn für die Digitalisierung dieser Stadt getan? Er hätte sogar fast das Thema Mobilfunkstandard 5G auf den letzten Metern versenkt, weil er nicht in der Lage war vereinbarte Termine mit Vorstandvorsitzenden großer Unternehmen einzuhalten.
Wie meinen Sie das?
Es gab Termine mit Müller und mir und dem Vorstandsvorsitzenden der Telekom und die wurden dann einfach mal so abgesagt.
Unser Regierender lässt einen Vorstandsvorsitzenden bei so einer wichtigen Frage warten?
Ja. So ist manches Gespräch geplatzt musste und ich musste dann mit X Leuten sprechen, um die Wogen zu glätten. So haben wir das 5G Engagement in Berlin noch hinbekommen. Auch bei der Kooperation mit Cisco war der Umgang der Senatskanzlei mit Investoren eine Katastrophe.
Wer stellt sich denn da so an? Müller selbst, oder seine Senatskanzlei?
Müller hat null Gespür für Wirtschaft.
Meinen Sie das generell, oder wie man mit den Protagonisten umgeht?
Müller leitet wohl seine Wirtschaftskompetenz daraus ab, dass er in seinem Familienbetrieb gedruckt hat. Das ist bemerkenswert, reicht aber für eine Stadt wie Berlin nicht aus.
Zur Lage in Ihrer Partei: Wer wird die Fraktion künftig leiten?
Ich denke, dass Florian Graf morgen (Dienstag, 20. Sept. 2016, Anm.) wiedergewählt wird.
Und wer wird Parteivorsitzender?
Henkel wird es heute bleiben. Natürlich gibt es auch Kritiker, die jetzt auftreten. Ich denke aber: Henkel hat seine Verdienste um die Partei. Henkel hat die CDU damals in die Regierung geführt, was kein anderer geschafft hätte. Und Henkel hat als Spitzenkandidat den Wahlkampf bestritten. Jetzt sollen bitte nicht die Oberschlauen kommen und sagen, dass sie es besser gewusst hätten. Henkel hat die Partei über Jahre zusammengehalten – und das ist eine große Leistung bei der Berliner CDU.
Das Ergebnis ist doch aber historisch schlecht.
Henkel er hat weniger Verluste gemacht als der SPD-Spitzenkandidaten Müller. Darum wundere ich mich, dass alle nach Henkel fragen und niemand nach Müllers Zukunft fragt. Für die CDU wäre es falsch, die Ursache der Misere auf den Bund zu schieben. Woran es im Einzelnen gelegen hat, sollten wir jetzt in Ruhe klären.
Und Ihre Zukunft?
Wie ich schon so oft gesagt habe: So lange ich im Amt bin – keine Aussage dazu.