Onlinehandel: Mit den Klicks kommen die Kicks
Wie Mittelständler vom Online-Vertrieb profitieren können und welcher Aufwand dafür betrieben werden muss.
Peter Witzmann ist Bezirksmeister der Malerinnung Berlin-Reinickendorf und seit einem Jahr Partner von Homebell, einem Anbieter von online buchbaren Handwerkerdienstleistungen. Der Betriebsleiter des 1899 gegründeten Familienunternehmens an der Schulzendorfer Straße akquiriert etwa drei Viertel seiner Aufträge über Anzeigen in Zeitungen und durch Mundpropaganda, ein Viertel mittlerweile aber über das digitale Vermittlungsportal. „Das ist eben die moderne Art, Kunden zu gewinnen“, sagt Malermeister Witzmann, der elf Mitarbeiter hat. Die Jobs, die er über die Online-Plattform erhält, helfen ihm, seinen Fachbetrieb voll auszulasten.
Durch die Kooperation mit Homebell hat Peter Witzmann seine Sichtbarkeit am Markt vergrößert. Sein Malerbetrieb wird heute in Berlin stärker wahrgenommen als vor einem Jahr. Das ist einer der größten Vorteile, den kleinere und mittlere Firmen haben, wenn sie ins Netz gehen, so ein Ergebnis einer Mittelstands-Studie der KfW. Weitere Chancen, die sich für die Betriebe durch E-Commerce ergeben: Die Marktreichweite wird erhöht, Lieferzeiten verkürzt, Kundenzufriedenheit erhöht und Lagerhaltungskosten reduziert. Das gilt laut KfW gleichermaßen für Mittelständler, die via Internet an Verbraucher verkaufen, wie für Betriebe, die im Netz mit anderen Betrieben Geschäfte machen. Vor allem aber können durch die Gewinnung neuer Kundengruppen Umsätze generiert werden, die durch stationären Handel oder Katalogversand nicht hereingekommen wären.
Bisher erzielt der deutsche Mittelstand erst rund 155 Milliarden Euro pro Jahr über Onlinevertriebswege – ganze vier Prozent seines Gesamtumsatzes. Acht von zehn mittelständischen Betrieben nutzen nach Erkenntnissen der KfW-Forscher das Internet noch überhaupt nicht für den Verkauf ihrer Produkte oder Dienstleistungen. Das sieht KfW-Volkswirt Jörg Zeuner kritisch: „Kleine und mittlere Unternehmen nutzen die Chancen, die E-Commerce der Wirtschaft eröffnet, bisher zu wenig.“ Selbst von den Mittelständlern, die bereits online vertreiben, erzielt nur jeder sechste in diesem Kanal mehr als fünfzig Prozent seines Gesamtumsatzes.
Der Aufbau eines Online-Kanals ist ein Kraftakt
Einer von ihnen ist Kai Renchen, Chef der Parfümerie Akzente mit Hauptsitz in Pfedelbach im Nordosten Baden-Württembergs. Zu seinem Familienbetrieb gehören 26 stationäre Läden, ein Friseursalon, mehrere Kosmetiksalons und – seit 2004 – der Online-Shop parfumdreams.de mit mehr als 500 Marken. „Ich muss überall dort vertreten sein, wo meine Zielgruppe shoppen geht“, begründet Renchen die Multi-Channel-Entwicklung des Unternehmens.
Der Online-Verkauf habe 2016 „gut die Hälfte“ zum Gesamtumsatz von 72 Millionen Euro beigesteuert. Der Aufbau des Online-Kanals sei „ein enormer Kraftakt“ gewesen: „Ich habe keine Ahnung gehabt, was mich erwartet.“ Vier Jahre lang haben er und sein Team fast Tag und Nacht daran gearbeitet: „Das geht nicht nebenbei, dafür braucht man volle Manpower.“ Und Kapital. „Mehrere Millionen“ hat der Händler in seine Online-Parfümerie investiert.
Das war notwendig, „denn die Vertriebsschienen stationär und online sind völlig unterschiedlich“, so Renchen. „Die Kundenansprüche sind anders, die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Wettbewerber.“ Experten raten eine Umstellung von off- auf online stufenweise vorzunehmen. Kleine Schritte reduzieren die Gefahr, Fehler aufgrund zu geringer Erfahrungen zu begehen. Laut Kfw sind das größte Hemmnis für den Einsatz digitaler Technologien „mangelnde IT-Kenntnisse aufseiten der Belegschaft“.
Für kleine und mittlere Betriebe, die den eigenen Aufwand für den Online-Vertrieb gering halten wollen, eignen sich Portale wie Homebell. Die Plattform für Handwerkerdienstleistungen versteht sich als „vertikal integrierte Marke“, so Geschäftsführer Felix Swoboda. Mit viel Marketing wirbt er Kunden an, die mit wenigen Klicks erfahren was es kosten wird, ihre Gartenlaube streichen oder einen neuen Teppich verlegen zu lassen. Die digital geangelten Aufträge landen bei den bundesweit 400 Partnerbetrieben, davon 45 in Berlin.
2016 generierte Swoboda nach eigenen Angaben rund 3000 Aufträge für Handwerksfirmen. Peter Witzmann ist zufrieden: „Wir profitieren vom großen Auftritt von Homebell im Internet. So werden Kundengruppen erreicht, an die ein kleiner oder mittelständischer Betrieb alleine nicht kommt.“ Der Handwerker bekommt von der Auftragssumme je nach Arbeitsumfang rund achtzig Prozent, zwanzig Prozent bleiben bei Homebell.
Betriebe mit Online-Vertrieb wachsen schneller
Neben Händlern und Handwerkern können auch Hersteller das Netz für ihren Vertrieb nutzen. So macht es beispielsweise der Nahrungsergänzungs-Produzent Proceanis. Er verkauft seine beiden Hyaluron-Produkte „ArthroFill“ und „Hyaluronfiller“ nicht mehr nur in Apotheken und Kosmetikinstituten, sondern seit Anfang 2016 auch über den eigenen Online-Shop. „Durch das Umgehen der Händler sparen wir deren Margen und können mit den Verbrauchern direkt kommunizieren“, frohlockt Geschäftsführer Heiko Bross. „Deren Lob und Verbesserungsvorschläge helfen uns, unsere Produkte weiterzuentwickeln.“
Die Händler ärgerten sich zwar über Web-Wettbewerber, „bekommen gleichzeitig aber mehr Kunden in ihre Geschäfte, weil unsere Internetpräsenz auch Werbung ist“, erklärt Bross. So setzt sich der Umsatz des Hamburger Mittelständlers aus dreißig Prozent Export, fünfzig Prozent Online-Shop und zwanzig Prozent Einzelhandel zusammen. Bross: „Wir werden auch weiter dreigleisig fahren.“
Die Verfasser der KfW-Studie geben zu bedenken, dass durch Online-Vertrieb zwar die Händleraufschläge wegfallen, aber der starke Konkurrenzdruck und die Preis- und Leistungstransparenz im Netz auf die Profitabilität drücken. Eine Folge: Die durchschnittliche Umsatzrendite von Betrieben mit E-Commerce ist mit vier Prozent nur halb so hoch wie von Unternehmen ohne Online-Aktivitäten. Übrigens: Ausschließlich übers Netz verdienen laut KfW nur sieben Prozent der deutschen Mittelständler Geld. Diese wachsen allerdings etwa viermal schneller als Betriebe ohne Online-Vertrieb.
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