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Und noch ein Paket. E-Commerce boomt. Die Umweltbilanz indes ist zweifelhaft.
© picture alliance / dpa

E-Commerce: Der Boom beim Online-Handel schadet der Umwelt

Immer häufiger werden Waren im Internet bestellt. Das erfordert umso mehr Verpackungen und bringt zusätzlichen Verkehr in die Städte. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ralf Nestler

Das Klagelied über den ach so netten Händler um die Ecke, dem das böse Internet die Kunden wegnimmt, wird gern angestimmt. Es ist oft ein Märchen. Abgesehen davon, dass es – zumindest in Berlin – noch immer viele mufflige Einzelhändler gibt, bei denen man sich meint rechtfertigen zu müssen, dass man ausgerechnet ihren Laden betritt, haben diese Verkaufsstätten schon längst ihre Exklusivität verloren. Seit vor 160 Jahren in Paris der erste Katalog erschienen ist, gewinnt der Versandhandel stetig Anhänger. Es ist auch sehr praktisch, auf diese Weise CDs aus dem Ausland zu bekommen, die in Deutschland nicht vertrieben werden. Oder Fahrradtaschen bestellen zu können, die die Läden im Kiez nicht führen. Obendrein kann man auch nach 19 Uhr etwas erwerben, jenseits der Schallmauer für analogen Einkauf (ausgenommen Shoppingzentren). Also mal ehrlich, wer hat noch nicht online geordert?

Unterdessen tun das so viele und so häufig, dass „E-Commerce“ zu einer tragenden Säule der Wirtschaft geworden ist. In der Hauptstadt macht er rund zehn Prozent des Umsatzes im Einzelhandel aus. Gut so? Nicht unbedingt. Das Image des Online-Handels mag modern sein. In Bezug auf Umweltschutz ist er aber rückständig.

Der Samstagsshopper macht eine Fahrt, der Paketdienst kommt mehrere Male

Sowohl die Menge an Verpackungen als auch der damit verbundene Verkehr nehmen zu. „Ich muss nicht mit dem Auto zur Buchhandlung fahren, wenn ich die Lektüre online bestelle, das schont die Umwelt“, lautet eine verbreitete Entgegnung. Für das einzelne Buch mag sie zutreffend sein (wenn man es nicht ohnehin auf dem Rückweg von der Arbeit mitnimmt). Für den Fall aber, dass der Buchladen nur eines von mehreren Geschäften ist, die man bei der Einkaufstour ansteuert, wird es schon schwieriger. Der analoge Samstagsshopper macht eine Fahrt, vorrangig mit dem Auto. Ordert er Wochenendeinkauf, Buch und neue Schnürsenkel online, sind es mehrere Pakete, die oft von verschiedenen Dienstleistern an verschiedenen Tagen zugestellt werden. Die Rücksendungen, bei Modeartikeln angeblich über 50 Prozent, sollten fairerweise ebenfalls berücksichtigt werden.

Die Datenlage zu konkreten Umweltauswirkungen indes ist dünn. Es gibt etwa eine Studie der Universität von Delaware, wo Forscher einen Zusammenhang sehen zwischen der Zunahme des Online-Handels in Newark und vermehrten Fahrten von Lieferfahrzeugen. Diese bremsen den Verkehrsfluss und führen zu erhöhten Emissionen von Treibhausgasen und Luftschadstoffen, heißt es.

Verpackungsindustrie feiert steigende Nachfrage

Gewiss versuchen die Lieferanten, ihre Wege zu optimieren, schon um Sprit zu sparen. Doch der Zeitdruck wird immer größer. Ab Mai will Amazon vom Ku’damm aus „Prime Now“-Kunden binnen zwei Stunden beliefern. Solche Fahrten, die vor allem über lokale Kurierdienste abgewickelt werden dürften, sind kaum besser als private Einkaufsfahrten. Und fahren Sie wirklich seltener Auto, seit Sie im Internet bestellen?

Die Verpackungsindustrie freut sich jedenfalls seit Jahren über Zuwachs. Diese sind nicht allein im Versandhandel begründet. Der Anteil an Ein- und Zwei-Personen- Haushalten nimmt zu, dafür sind generell kleinere Verpackungsgrößen nötig. Macht mehr Pappe pro Kopf. Welchen Anteil das boomende E-Commerce an der steigenden Nachfrage nach Kartons hat, lässt sich nicht präzise angeben, weil dieser Posten in der Branchenstatistik nicht separat erfasst wird. Doch der Bedarf ist da, Onlinehandel gilt als Wachstumsmotor. Zwar ist der Anteil an Recyclingmaterial mit 75 Prozent in Pappen relativ groß, doch die müssen erst mal eingesammelt werden und auch das übrige Viertel an Rohstoffen muss irgendwo herkommen, ebenso wie Wasser und Energie für die Herstellung. Zumal die Versandpakete so groß sind, dass sie oft mehr Luft als Ware enthalten. Denn große Stückzahlen einer Sorte sind billiger und gleiche Größen leichter zu stapeln.

Damit erweist sich der Internethandel als schlechte Alternative zum Kauf beim grantelnden Geschäftsinhaber. Kompetente und freundliche Verkäufer sind wichtiger als je zuvor. Wer sie nur zur Beratung ausnutzt, um dann das Produkt für zwei Euro weniger im Netz zu bestellen, dem möge dieses in der falschen Größe versendet werden – zugestellt beim reisefreudigen Nachbarn!

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