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Von der geplanten Legehennenanlage Zollchow II in der Uckermark in Brandenburg steht nur der Rohbau.
© Kitty Kleist-Heinrich

Kampf gegen Massentierhaltung: Mit 30 Mann gegen 39.990 Legehennen

Seit zwei Jahren kämpft eine Bürgerinitiative in der Uckermark gegen zwei Legehennenanlagen. Es geht um Umweltschutz, aber auch gegen die Massentierhaltung.

Die Pfützen auf dem Parkplatz sind noch gefroren. Vor dem „Dörphus“, dem Dorfgemeinschaftshaus im Prenzlauer Ortsteil Seelübbe, fahren an diesem Dienstag Mitte Dezember ungewöhnlich viele Autos vor. An der Treppe am Eingang stehen die Mitglieder der Bürgerinitiative „Contra Industrie-Ei Uckerseen“ und demonstrieren. Seit über zwei Jahren kämpfen sie gegen den Bau zweier Legehennenanlagen in ihrer Nachbarschaft, rund 15 Kilometer entfernt auf der anderen Seite des Unteruckersees. Der Termin heute ist ihr erster Erfolg eines über Jahre dauernden Kampfes gegen Massentierhaltung.

Je 39 990 Hühner sollten in zwei Anlagen in der Nähe der Ortschaften Sternhagen und Zollchow untergebracht werden. Antragsteller waren die Eheleute Mittelstädt, sie beantragten je einen Betrieb. Genau das kritisierte die Bürgerinitiative. Erst ab eine Zahl von 40 000 Tieren müssen die Anwohner in das Verfahren miteinbezogen werden. Durch die Aufteilung in zwei Anlagen seien Öffentlichkeitsbeteiligung, aber auch die Umweltverträglichkeitsprüfung ausgehebelt worden. Und das, obwohl beide Anlagen unweit eines Naturschutzgebietes liegen. Die knapp 30 Mitglieder der Initiative fürchteten Umweltschäden und zog gemeinsam mit dem BUND Brandenburg vor Gericht und bekam Recht. Familie Mittelstädt musste die Bauarbeiten an der zweiten Anlage „Zollchow II“ stoppen. Ein neues Verfahren wurde eröffnet - diesmal mit Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung.

Die Bürgerinitiative „Contra Industrieei Uckerseen“ demonstriert gegen Agrarindustrie in der Uckermark. Im Prenzlauer Stadtteil Seelübbe fand die Erörterung zur Umweltverträglichkeitsprüfung einer Legehennenanlage statt.
Die Bürgerinitiative „Contra Industrieei Uckerseen“ demonstriert gegen Agrarindustrie in der Uckermark. Im Prenzlauer Stadtteil Seelübbe fand die Erörterung zur Umweltverträglichkeitsprüfung einer Legehennenanlage statt.
© Helena Wittlich

Massentierhaltung ist Streitthema

Der Fall in der Uckermark ist beispielhaft für das, was gerade in Brandenburg passiert. Massentierhaltungsgegner und Umweltschützer wehren sich immer stärker gegen geplante Anlagen. So auch bei der Legehennenanlage in Groß Sperrenwalde in der Uckermark. Oder im Oranienburger Ortsteil Zehlendorf. Massentierhaltung ist ein Streitthema im Land. Ein Volksbegehren gegen war im vergangenen Jahr erfolgreich, die Politik musste erste Kompromisse machen.

Das daraus hervorgegangene Aktionsbündnis Agrarwende Berlin-Brandenburg fordert bäuerliche Landwirtschaft mit artgerechter Tierhaltung. Zumindest die Legehennenanlagen in Brandenburg haben sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. 2006 gab es 21 Anlagen, aktuell gibt es nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums 44 Betriebe, davon acht in der Uckermark. Vier weitere seien genehmigt.

Angespannte Stimmung

Über zwei Jahre zieht sich der Konflikt in Zollchow nun schon hin. Die Stimmung zwischen den Parteien passt zu dem grauen, lichtlosen Wetter in Seelübbe an diesem Tag – unfreundlich. 83 Einwendungen sind gegen die geplante Anlage beim Landesamt für Umwelt eingegangen - viele mit ähnlichen Bedenken wie Keime, Gerüche und Naturschutz.

Nach zwei Stunden gibt es die erste Pause. Matthias von Golaszewski und Matthias Rackwitz stehen draußen auf dem Parkplatz. „Seit die erste Anlage in Betrieb ist, merkt man, dass die Zugvögel fernbleiben“, sagt Golaszewski. „Mit einer zweiten Anlage wird's nicht besser werden.“ Laut BUND leben in der Nähe auch Rotbauchunken, die vom Aussterben bedroht sind. Durch die vielen Hühner könnte ihr Lebensraum beeinträchtigt sein.

Golaszewski war selber Landwirt und wohnt in unmittelbarer Nachbarschaft der Anlage. Von den geplanten Betrieb habe er nur zufällig etwas mitbekommen. Da hatte der Bau schon begonnen. Er befürchtet die Entstehung von multiresistenten Keimen, die sich wegen Antibiotika in den Ställen verbreiten könnten. Auch um den Tourismus in der Region sorgt er sich. „In Massentierhaltung macht keiner Urlaub“, sagt er.

Investoren in Brandenburg

Gleichzeitig geht es auch um die Politik, die dahinter steckt. Agarindustrie gegen bäuerliche Landwirtschaft. „Diese Art von Freilandhaltung ist in dieser Größenordnung nicht zu dulden“, sagt Matthias Rackwitz, langjähriger Gegner großer Mastanlagen. Er sieht in dem Begriff „Freilandhaltung“, so wie er etwa in Zollchow I vermittelt wird, eine Verbrauchertäuschung. Denn laut Rackwitz nutzen die Hühner gar nicht die ihnen zugedachte Auslauffläche von insgesamt 16 Hektar.

Und immer wieder fällt der Name Theodor Veddern. Offiziell betreibt Veddern eine Legehennenanlage in Niedersachsen. Für die Bürgerinitiative ist Veddern ein Unternehmer, der systematisch in die Massentierhaltung in Brandenburg investiert und sie dann übernimmt. Auf seiner Homepage heißt es nur: "Als junges Beratungsunternehmen beraten wir landwirtschaftliche Betriebe, die sich mit dem Neubau von alternativen Legehennenställen oder deren Optimierung beschäftigen." Persönlich zu erreichen ist er nicht. Auch in den Betrieben in Zollchow taucht Veddern als Geschäftsführer auf. Die Bürgerinitiative sieht das als zusätzliches Zeichen, dass hier Agrarindustrie statt Landwirtschaft betrieben wird.

Die Fronten sind verhärtet

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Zollchow I direkt daneben ist schon in Betrieb. Die Hühner müssen wegen der Vogelgrippe im Stall bleiben.
© Kitty Kleist-Heinrich

Zwei Tage nach dem Aufeinandertreffen in Seelübbe sitzt Kerstin Mittelstädt in Berlin. An Beispiel des Betriebs ihres Mannes will sie erklären, was in Zollchow II geplant ist. Sie versteht nicht, dass lieber in Kauf genommen würde, mehr Eier aus dem Ausland zu importieren, wo es kaum Tierschutzkontrollen gäbe. "Man kann zehn Tiere schlecht halten, man kann auch 39.990 Tiere gut halten", sagt sie. "Wir sind nicht daran interessiert, unsere Tiere zu quälen."

Sie hat das Gefühl, dass an ihnen ein Exempel statuiert wird. Zwei Anträge mit je zehn Hühnern knapp unter 40.000 zu stellen, habe die Gesetzgebung so hergegeben. "Das war gängige Praxis."

Und der Name Theodor Veddern? "Wir haben ihn wegen des Knowhows aufnehmen müssen", sagt sie. Wenn sich ein Ackerbauer entscheide, Tierhaltung zu machen, brauche er Unterstützung. „Wir sind ein Familienbetrieb, in der zwölften Generation Landwirte. Ich will auch keinen Großinvestor."

Vor Mittelstädt liegt ein iPad. In den Stall kann man sich per Webcam live zuschalten. Diese Übertragung aus der Anlage würde Mittelstädt gerne ins Netz stellen. Nur das Internet auf dem Hof reiche dafür nicht aus. aber jeder könne sich die Anlage anschauen kommen. Ob jemand von der Bürgerinitiative schon einmal vorbeigekommen ist? "Wir hatten Tag des offenen Hofes, sie hätten kommen können."

Die Fronten sind verhärtet

Im Konflikt mit der Bürgerinitiative hat sie aufgegeben. „Es hat uns wirklich erschrocken, als es nicht mehr um die Sache ging, sondern persönlich wurde.“ Ihre Mutter sei auf dem eigenen Grundstück angefahren worden. Die Betroffenen auf der anderen Seite sagen, der Vorfall sei nie passiert. Die Fronten sind verhärtet. Während der Erörterung griff eine Mitarbeiterin des Landesamtes für Umwelt die Bürgerinitiative scharf an. Die Initiative benutze Naturschutz für etwas, um andere Ziele zu erreichen. "Das ist falsch verstandener Naturschutz." Der Anwalt Stähle ist überrascht. "Das ist für eine Naturschutzbehörde ein starkes Stück", sagt er nach dem Termin. Wegen dieser deutlichen Positionierung ist er nicht gerade optimistisch, dass das Landesamt für Umwelt den Antrag zu Zollchow II ablehnt. Im neuen Jahr will sich die Behörde entscheiden. Die Bürgerinitiative hofft, dass sie ihre Position überdenkt. Kerstin Mittelstädt hofft, dass Zollchow II bald in Betrieb gehen kann. Auch der Widerspruch für Zollchow I steht noch aus. Ein Ende oder gar eine Versöhnung ist nicht in Sicht.

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