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Weil viele Mitarbeiter streiken, kommt die Post derzeit nur verspätet an - wenn überhaupt.
© dpa

Tarifverhandlungen zwischen Post und Verdi: Millionen Kunden warten auf ihre Pakete

Vier Wochen Poststreik sind bereits vorbei. Nun scheint zwar ein Ende in Sicht. Doch bis die Folgen beseitigt sind, wird es dauern.

Von Maris Hubschmid

Da lagern Lebensmittel: Kuchen, Wurst, Käse, Schokolade – alles, was man im Internet bestellen kann, bekanntermaßen eine Menge. Tierhalter vermissen Futterwürmer und -Heuschrecken, die sie bei Online-Zoohändlern bestellt haben. Sie dürften längst verendet sein. Genau wie die Bienenköniginnen: Der bayerische Imker Alois Kroiß hat sie wie gewohnt in einer Spezialbox und durchlöchertem Umschlag an Kunden in ganz Deutschland verschickt – bis zu einer Woche geht das gut. Um die wichtigen Tiere zu retten, hatte am vergangenen Donnerstag sogar noch Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) mit Post-Chef Frank Appel telefoniert. „Wenn die Bienen sterben, verarmt unsere Natur“, soll er gemahnt haben. Für viele von ihnen wird dieser Einsatz jedoch zu spät gekommen sein.

In Berlin-Rüdersdorf, berichten Mitarbeiter eines Frachtzentrums, in dem 90 Prozent aller Mitarbeiter streiken, verwese und verderbe offenbar schon so einiges. In den Containern, in denen die angesammelte Post aufbewahrt wird, stinke es „erbärmlich“.

Millionen Post-Kunden sind betroffen

Kein Wunder, nach vier Wochen hitzigem Arbeitskampf auf der einen und nunmehr hochsommerlichen Temperaturen auf der anderen Seite. Millionen Post-Kunden wünschen sich, dass ihre Pakete endlich ankommen. Fakt ist aber auch: Etliche von ihnen werden an deren Inhalt keine Freude mehr haben.

Seit Freitag verhandeln das Unternehmen und die Gewerkschaft Verdi wieder im schwersten Tarifkonflikt seit Ende der 90er Jahre. 30 000 Postmitarbeiter waren zuletzt im Streik – die Deutsche Post sagt, dennoch seien immer noch 80 Prozent aller Sendungen planmäßig angekommen. Betroffen fühlt sich allerdings jeder zweite Verbraucher: In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitut YouGov gaben am Ende der Woche 42 Prozent der Befragten an, durch den Streik wichtige Post zu spät oder bislang gar nicht erhalten zu haben.

Für Schäden haftet die Post nicht

Für Schäden, die entstanden sind, weil etwa Kündigungsfristen verpasst oder Reisevisa nicht rechtzeitig zugestellt wurden, haftet das Unternehmen nicht. Vereinzelt hatten im zurückliegenden Monat sogar ganze Beerdigungen abgesagt werden müssen, weil Urnen nicht rechtzeitig geliefert wurden. Auf deren Transport hat die Post in Deutschland ein Monopol. Verloren gehe aber nichts, tröstet Post-Sprecher Markus Wohsmann: „Wir sind schon jetzt dabei und werden, wenn der Streik zu Ende ist, verstärkt daran gehen, die Paket- und Briefberge abzuarbeiten.“ In vielen Städten, so auch in Berlin, hatte die Post eigens weiteren Lagerraum bei Speditionen angemietet, um dem „erhöhten Sendungsvolumen“ gerecht zu werden. Auch zusätzliche Sortierfläche sei nötig gewesen, sagt der Sprecher, um die Menge zu händeln.

Mancher, der seit Anfang Juni keinen Brief und kein Paket mehr erhalten hat, fragt sich wohl, was ihn erwartet, wenn der Betrieb schließlich wieder läuft. Bringt der Postbote den sehnsüchtig Wartenden dann gleich einen ganzen Sack voll Geschenke, quasi wie der Weihnachtsmann? Das wird eine schöne Bescherung. Bis Weihnachten werde es nicht dauern, wagt Post-Sprecher Wohsmann eine Prognose. Konkreter kann er aber nicht werden. Einige Wochen könnten schon ins Land gehen, „ehe wirklich jede Sendung ihren rechtmäßigen Empfänger gefunden hat“. Dass jetzt die Ferien beginnen, komme dem Unternehmen aber gelegen: „Da werden erfahrungsgemäß weniger Waren bestellt und Pakete aufgegeben, das entlastet uns etwas.“

Die liegengebliebenen Briefe sollen nach und nach verteilt werden

Allein wegen des begrenzten Fassungsvermögens eines Durchschnittsbriefkastens werden die Zusteller in den kommenden Tagen neben der aktuellen Post wohl immer bloß einen Teil der liegengebliebenen Briefe austragen. Schon jetzt hat, was kurzfristig aufgegeben wurde, größere Chancen, zeitnah am Ziel zu sein als eine Sendung, die bereits seit Wochen unterwegs ist: Auch während des Arbeitskampfes setzt der Konzern alles daran, die Quote von angeblich 80 Prozent fristgerechter Zustellung zu halten. Das bedeutet, dass Post, die zuerst aufgegeben wurde, nicht zwingend auch prioritär behandelt wird. „Wir bemühen uns nach Kräften, die jeden Tag hereinkommende Post schnellstmöglich zuzustellen“, erklärt der Sprecher. „Und versuchen parallel, die Altlasten abzuarbeiten.“

Gerüchte, wonach Briefe und Pakete nach einer bestimmten Frist automatisch zurück an den Absender gehen, weil sie nicht zugestellt wurden, seien Quatsch, heißt es aus der Bonner Konzernzentrale. Es machte auch keinen Sinn – die Arbeit würde das schließlich nur erhöhen.

Um die Streikfolgen zu kompensieren, hatte das Unternehmen zuletzt auch Helfer am Sonntag eingesetzt. Dem Post-Sprecher zufolge hat das „enorm geholfen“. Am heutigen Sonntag ist damit aber nicht zu rechnen. Die Berliner Senatsverwaltung sah darin einen Verstoß gegen das Arbeitsschutzgesetz – und untersagte die Maßnahme.

Unverändert werden für  Berlin und Brandenburg aber Aushilfen gesucht. Sie sollen auch nach einer Lösung des Tarifkonflikts weiter beschäftigt werden, bis die Post ihren normalen Rhythmus wiedergefunden hat. Wer immer schonmal wie der Weihnachtsmann erwartet werden wollte, kann sich noch bewerben. Nur geruchsempfindlich sollte er besser nicht sein.

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