Mit Impfpass zum Check-in?: Mehrheit der Deutschen wünscht sich Impfpflicht für Fluggäste
Wie können Urlauber wieder sicher in den Urlaub fliegen? Derzeit setzt die Luftverkehrswirtschaft vor allem auf konsequentes Testen. Fluggäste können sich aber auch eine Impfpflicht vorstellen.
Im Februar zwei Wochen Sonne in Sri Lanka statt Stubenarrest in Europa? Geht es nach der Regierung in Colombo, dann lautet die Antwort Ja. Ab dem 21. Januar öffnet das stark vom Tourismus abhängige südasiatische Land nach neun Monaten Abschottung wieder seine Grenzen für Urlauber. Ein Covid-19-Test vor dem Flug, einer danach und nach einer Woche noch ein dritter sind vorgeschrieben – eine Quarantäne dagegen nicht.
Das ist das Modell, auf das die internationale Luftverkehrswirtschaft seit Monaten drängt. Konsequentes Testen von Passagieren statt verwirrender Quarantänevorschriften und ständig wechselnder Regeln für Reisende. In Deutschland gelten ab Montag erneut neue Vorgaben. Sie wurden zusammen mit der Verlängerung und Verschärfung des Lockdowns von der Ministerpräsidentenrunde mit der Kanzlerin beschlossen. Und zwar unter ferner liefen: Es ist der letzte Punkt im Beschlusspapier.
Die „Zwei-Test-Strategie“ sieht vor, dass nach Deutschland reisende Passagiere aus Risikogebieten sich kurz vor dem Abflug oder kurz nach der Landung testen lassen müssen. In eine zehntägige Quarantäne sollen sie auch bei einem negativen Ergebnis trotzdem – wie bisher. Mit einem weiteren Test lässt sich diese auf fünf Tage verkürzen. Für Länder wie Südafrika und Großbritannien, in denen die noch ansteckendere Virus-Mutation umgeht, sollen zudem „gesonderte Regeln“ erlassen werden, wie es im Beschluss heißt.
In Nordrhein-Westfalen gelten andere Regeln
Nicht nur die frustrierte Luftverkehrswirtschaft findet das „unverhältnismäßig“. Die Quarantäne-Logik hat sich auch den Richtern des Oberverwaltungsgerichts in Nordrhein-Westfalen nicht erschlossen. „Rechtswidrig“, lautete ihr Urteil. Somit gelten für die 18 Millionen Bürger im bevölkerungsreichsten Bundesland andere Regeln für Reiserückkehrer als im Rest der Republik. Flüge von Düsseldorf nach Mallorca waren über den Jahreswechsel denn auch gar nicht schlecht gebucht.
Den Januar und Februar scheint die Branche aber schon abgeschrieben zu haben. Die aktuellen Passagierzahlen lägen ohnehin unter zehn Prozent des normalen Aufkommens, sagte Flughafen-Verbandschef Ralph Beisel. Unter den Flugreisenden seien so gut wie keine Touristen mehr. Und auch die Unternehmen hätten ihre Reisetätigkeiten „auf ein absolutes Minimum“ heruntergefahren, heißt es beim Geschäftsreiseverband VDR. Der Blick richtet sich deshalb längst auf das Frühjahr, wenn die Impfkampagne schon fortgeschritten ist.
Winter abhaken, auf Tests und Impfungen hoffen
Flächendeckende Tests vor Flugreisen sollen dann dafür sorgen, dass sich die Grenzen wieder öffnen. Am Montag etwa setzten sich die großen US-Airlines im Weißen Haus für eine Ausweitung des Transatlantikverkehrs ein. Dafür sei ein globales Testprogramm nötig, bei dem Passagiere ein negatives Ergebnis vor dem Abflug in die USA vorlegen müssten, so die Lobbygruppe A4A. Die Seuchenschutzbehörde CDC hatte sich bereits zuvor dafür ausgesprochen. Für Flüge nach Kanada gilt bereits ab heute eine Testpflicht vor dem Abflug.
Etwas radikaler geht Australien die Sache an. Die Fluglinie Qantas hat – wohl auf Geheiß der Regierung – bereits angekündigt, bald nur noch Passagiere mit Impfnachweis an Bord zu lassen. Internationale Flüge will die Airline entsprechend erst im Juli wiederaufnehmen. Der Vorstoß hat bereits eine Debatte ausgelöst. Sollte das Modell in diesem Jahr schon Schule machen, würde das den Reisesektor „töten“, warnte Gloria Guevara, Chefin des World Travel and Tourism Council.
Während Kritiker eine „Impfpflicht durch die Hintertür“ befürchten, weisen Experten darauf hin, dass „es nicht neu wäre, dass ich für die Einreise in bestimmte Länder eine Impfung brauche“, so Christian Lasser von der Universität St. Gallen. Vielerorts wird etwa der Nachweis einer Gelbfieber-Impfung verlangt. Trotzdem wäre es für die meisten Urlauber – vor allem innerhalb Europas – eine völlig neue Erfahrung, ihren Impfpass beim Check-in vorzulegen.
Soll eine Impfung für Fluggäste Pflicht werden?
Die Bundesbürger können dem Gedanken, erst geimpft wieder ins Flugzeug zu steigen, offenbar durchaus etwas abgewinnen. Eine knappe Mehrheit spricht sich für den Impfnachweis beim Fliegen aus, so eine repräsentative Civey-Umfrage für Tagesspiegel Background. Besonders die Jüngeren und die Älteren sind dafür – bei den unter 30-Jährigen und über 50-Jährigen ist die Zustimmung am größten. Die Altersgruppen dazwischen sind mehrheitlich dagegen.
Die größte Zustimmung, nur geimpft fliegen zu dürfen, findet sich in der bürgerlichen Mitte. Die Anhänger von Union, SPD und Grünen sind mit deutlicher Mehrheit dafür – bei CDU/CSU sind es sogar fast zwei Drittel. Mehrheitlich dagegen sind Wähler der Linken, AfD und als Ausreißer auch die der FDP. Die mit Abstand größte Ablehnung findet sich ganz rechts außen: 83 Prozent der AfD-Fans lehnen einen Impfnachweis beim Fliegen ab.
Dass viele Airlines dem Beispiel von Qantas folgen, ist aktuell unwahrscheinlich. So lange nicht Staaten den Impfnachweis bei der Einreise fordern, setzen die meisten Fluglinien auf die geforderte Test-Strategie – schon allein, weil sie sonst vor einem weiteren verlorenen Jahr stehen würden. Zudem wird die Impfkampagne in vielen Ländern 2021 längst nicht abgeschlossen sein. Covid-19-Experte David Freedman von der University of Alabama sagt: „Für den Großteil der Weltbevölkerung, vor allem in den Entwicklungsländern, wird es noch Jahre dauern, bis jeder, der fliegen will, überhaupt die Möglichkeit hat, den Impfstoff zu bekommen.“
Felix Wadewitz
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