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Volle Kabine. Weil nur wenige Verbindungen bedient werden, sind einige Flieger sehr voll.
© picture alliance / dpa

Fliegen in Coronazeiten: „Wir saßen dicht an dicht“

Masken statt Mindestabstand: So will das Bundesverkehrsministerium Airlines, Bussen und Bahnen das Geschäft erleichtern. Aber wie riskant ist das?

Luise Schröder dachte, sie sei in einem schlechten Film. Die Berlinerin war vor wenigen Tagen dienstlich mit der Lufthansa unterwegs. Der erste Flug von Rom nach Frankfurt am Main war noch in Ordnung, erzählt die Frau, die ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Der mittlere Platz in der Reihe blieb frei, um den coronabedingten Mindestabstand von 1,50 Meter einzuhalten. Doch auf dem Weiterflug nach Berlin sah es dann plötzlich ganz anders aus.

„Das Flugzeug war bis zum letzten Platz vollgepackt, es gab keine Möglichkeit, Abstand zu halten, wir saßen dicht an dicht“, berichtet Schröder. Fassen kann sie das nicht. „Überall vor und nach dem Flug stehen große Hinweistafeln, wie wichtig es ist, den Sicherheitsabstand zu wahren. Am Flughafen sind ganze Bänke mit Absperrplatten belegt, damit die Passagiere nicht zu dicht sitzen, am Boden sind Markierungen aufgeklebt, damit Abstand gehalten wird“, gibt sie zu bedenken. Doch an Bord herrschen andere Sitten. Enge und Gedränge beim Einsteigen, von Mindestabstand keine Spur. Schröder findet das Geschäftsgebaren der Lufthansa rücksichtslos.

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Noch finden nur wenige Flüge statt. Von Berlin aus bietet die Lufthansa gerade einmal 19 Verbindungen nach Frankfurt und 18 Verbindungen nach München an – pro Woche. Viele Maschinen parken am Boden. Doch das wird nicht so bleiben. Touristische Lockerungen sind in Sicht, schon jetzt ist absehbar, dass die weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amts nach dem 14. Juni wohl nicht mehr verlängert wird.

Flixbus nimmt das Geschäft wieder auf

Nach dem wochenlangen Stillstand werden die Menschen bald wieder mehr reisen, mit dem Flugzeug, der Bahn oder dem Fernbus. Nachdem Flixbus im März das Geschäft eingestellt hatte, läuft auch hier der Verkehr wieder an. Ab dem 28. Mai werden 50 Ziele wieder angefahren - mit Mund-Nasenschutzpflicht im Bus und digitaler Ticketkontrolle. Buchen kann man schon jetzt.

Maskenpflicht: Seit zwei Wochen müssen Passagiere einen Mund-Nasen-Schutz an Bord tragen.
Maskenpflicht: Seit zwei Wochen müssen Passagiere einen Mund-Nasen-Schutz an Bord tragen.
© dpa

Doch mehr Verkehr heißt auch mehr Risiko. Wie stellen die Verkehrsunternehmen sicher, dass sich ihre Passagiere an Bord nicht anstecken? Und warum packt die Lufthansa ihre Maschinen so voll? Die Airline sieht darin kein Problem. Früher habe man den Mittelplatz freigelassen, bestätigt ein Sprecher, doch seit zwei Wochen herrscht Maskenpflicht an Bord. Zwar reicht es aus, sich ein Tuch vor Mund und Nase zu halten, doch mit Einführung der Mund-Nasen-Schutzpflicht ist die Lufthansa dazu übergegangen, auch die Mittelplätze wieder zu vergeben.

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Eine Ansteckungsgefahr an Bord sei aber so gut wie ausgeschlossen, versichert die Airline und verweist auf das ausgetüftelte Lüftungssystem im Flugzeug.

Verbrauchte Luft wird nicht in der Maschine verteilt, sondern sie wird samt möglichen Sars-CoV-2-Aerosolen nach unten abgezogen. Die Luft wird gefiltert, und von oben wird frische Luft zugeführt. Keimfreie Luft, verspricht die Lufthansa. Die Luft an Bord sei ähnlich der in einem OP, sagt der Sprecher. Auch der Virologe Alexander Kekulé sieht keine Gefahr im Flieger, so lange die Klimaanlage läuft und die Filter arbeiten. Dennoch plädiert Kekulé dafür, den Mittelplatz frei zu lassen – trotz der Maskenpflicht.

Am Boden: Easyjet fliegt derzeit nicht, will das aber bald ändern.
Am Boden: Easyjet fliegt derzeit nicht, will das aber bald ändern.
© REUTERS

Auch Lufthansa-Konkurrent Easyjet bereitet sich auf einen Neustart vor. Noch ist die Flotte am Boden, aber am 15. Juni soll der Flugbetrieb wieder aufgenommen werden. Die ersten Flüge werden vorrangig auf Inlandsverbindungen in Großbritannien und Frankreich durchgeführt sowie auf einer geringen Anzahl von internationalen Strecken, teilte die Airline am Donnerstag mit.

Zum Schutz von Kunden und Mitarbeitern werden die Flugzeuge häufiger desinfiziert, alle Menschen an Bord müssen Masken tragen, außerdem werden zunächst keine Getränke und Speisen an Bord der Flüge serviert.

Verkehrsministerium nimmt Abstand vom Mindestabstand

Doch was ist mit dem Mindestabstand im Flugzeug? Das Bundesverkehrsministerium kann darauf verzichten. Man müsse alle Verkehrsträger – vom Auto über Bahn und Flieger bis hin zur Fähre – gleich behandeln, teilte das Ministerium auf Tagesspiegel-Anfrage mit.

Mit steigenden Fahrgastzahlen ließen sich die Abstandsregeln aber schwer einhalten. Um Mobilität zu ermöglichen und die Fahrgäste zu schützen, habe man sich mit den Verkehrsverbänden auf gemeinsame Empfehlungen verständigt. Zentrales Element ist eine verkehrsträger- und verkehrsmittelübergreifende, bundesweite Maskenpflicht vom Taxi über Bus und Bahn bis hin zum Flugzeug. Diese soll auch auf Bahnhöfen, Flughäfen, Bahnsteigen, Fährterminals, Gangways und Haltestellen gelten. Für die Umsetzung sind die Länder zuständig, für Bahnreisen ist das bereits teilweise geschehen – und zwar nicht nur im Nah-, sondern auch im Fernverkehr.

Doch noch Urlaub? In einigen EU-Ländern könnte das möglich sein.
Doch noch Urlaub? In einigen EU-Ländern könnte das möglich sein.
© dpa

Maskenpflicht in der Bahn

Damit die Fahrgäste sich daran halten können, verkauft die Bahn Einwegmasken für 1,50 Euro in den Bordbistros. Zudem hat das Staatsunternehmen seine Reinigungstruppe kräftig aufgestockt. Bis Juli sollen 500 Mitarbeiter und damit doppelt so viele wie bisher ICE- und IC-Züge während der Fahrt reinigen. Alle zwei Stunden soll geputzt werden, vor allem Türdrücker, Griffe und Haltestangen sollen gesäubert werden. Noch sind die Züge leer. Doch die Bahn plant bereits jetzt für betriebsamere Zeiten. Schon bei der Buchung will man für eine möglichst gleichmäßige Auslastung der Züge sorgen, zudem wird das Fahrplanangebot schon jetzt Schritt für Schritt ausgebaut, sagt eine Bahn-Sprecherin.

Mehr putzen: Die Bahn erhöht den Reinigungstakt.
Mehr putzen: Die Bahn erhöht den Reinigungstakt.
© dpa

Und was ist mit der Lüftung im Zug? Dass man sich über die Klimaanlage anstecken könnte, hält die Bahn für „äußerst unwahrscheinlich“. Es gebe bislang weder Fälle noch entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse. Die Bahn verweist auf die langen Lüftungswege und die Filter. Die Klimaanlagen würden dafür sorgen, dass viel frische Luft in die Waggons geleitet werden und dass es im Innenraum keine Bereiche mit stehender Luft gebe.

Was die Behörden sagen

Die Behörden halten sich bislang eher bedeckt. Es gebe bisher keine gesicherten Erkenntnisse, wie lange das neue SARS-Coronavirus-2 in Aerosolen in der Luft infektiös ist, heißt es beim Umweltbundesamt, das sich zwar nicht mit Verkehrsmitteln, aber mit Lüftungsanlagen in Gebäuden beschäftigt hat. Bei verwandten Coronaviren seien es aber einige Stunden.

Die Umweltbehörde will nicht ausschließen, dass die Viren über Lüftungsanlagen übertragen werden können. Würden zentrale Lüftungs- und Klimaanlagen jedoch regelmäßig gewartet und würden Ab- und Zuluft konsequent getrennt, bestehe „kein Risiko der Übertragung von Viren im Gebäude“.

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