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Um autonom fahrende Autos zu entwickeln, sind Unternehmen wie Google auf Daten angewiesen.
© Picture Alliance/dpa
Exklusiv

Umfrage: Mehrheit der Deutschen will Fahrzeugdaten nicht teilen

Zwei von drei Autofahrer sind nicht bereit, die vom Fahrzeug erfassten Daten weiterzugeben. Das zeigt eine exklusive Tagesspiegel-Umfrage.

Wem gehören die Fahrzeugdaten? Und wer darf sie wann wie nutzen? Längst werden diese Fragen intensiv diskutiert, mehr Klarheit bringen soll nun die Datenstrategie der Bundesregierung, die bis zum Sommer unter der Federführung von Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) vorgelegt werden soll.

Nachdem die Eckpunkte der Strategie Mitte November zur Kabinettsklausur in Meseberg  vorgelegt worden waren und Ende Januar dazu eine Expertenanhörung im Kanzleramt stattfand, startet nun heute um 12 Uhr die Online-Konsultation. Fünf Wochen lang können sich die Fachöffentlichkeit sowie Bürger über die Website www.datenstrategie-bundesregierung.de einbringen. Beteiligen wollen sich auch Autohersteller, Zulieferer und Verbände – denn so groß wie ihr Interesse am Datenschatz ist, so groß ist auch die Unsicherheit am Umgang damit.

Bereits heute erzeugen moderne Fahrzeuge pro Stunde 25 Gigabyte an Daten – Terabyte werden es sein, wenn Autos autonom fahren können. Daraus entsteht nicht nur ein Innovationspotenzial, sondern auch ein wachsendes Geschäftsfeld: für die Hersteller, aber auch für Versicherer und andere Dienstleister. Nicht nur die Wirtschaft, sondern auch Fahrer und die Gesellschaft könnten profitieren, wenn dank der Daten Verkehr besser fließt und Unfälle vermieden werden.

Doch bisher gibt es von Fahrerseite wenig Interesse, die Fahrzeugdaten zu teilen, wie eine repräsentative Umfrage von Tagesspiegel Background Mobilität & Transport in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zeigt: Knapp 68 Prozent der rund 2500 Befragten geben an, ihre Daten grundsätzlich nicht teilen zu wollen. 24 Prozent können sich immerhin vorstellen, Bewegungsdaten wie Ziele, Tempo und Standzeiten weiterzugeben. Persönliche Daten würden nur 7,4 Prozent teilen.

Rentner, Arbeitslose und Selbständige sind besonders skeptisch

Interessante Details: Studenten würden ihre Fahrzeugdaten am ehesten preisgeben (knapp 50 Prozent), hingegen können sich Rentner, Arbeitslose und Selbstständige (um die 30 Prozent) am wenigsten damit anfreunden. Aufgefächert nach den präferierten Parteien zeigt sich, dass mit 77 Prozent die AfD-Wähler am skeptischsten sind gegenüber dem Datenteilen, gefolgt von den Wählern der FDP und den Linken. Bei den Grünen-Wählern haben rund 55 Prozent Bedenken.

Auf die Frage, wem sie ihre gesammelten Fahrzeugdaten am ehesten zur Verfügung stellen würden, geben rund 21 Prozent Universitäten einen Vertrauensvorschuss. Immerhin 18 Prozent würden ihre Daten noch mit den Herstellern, die momentan über die Datenhoheit verfügen, teilen. Die Versicherer, neutrale Datenverwalter und Behörden kommen nur auf Werte zwischen rund elf und acht Prozent.

Daten sollen bei Innovationen helfen

Wirtschaft und Wissenschaft sind jedoch darauf angewiesen, dass Daten künftig verstärkt geteilt werden. Denn laut Studien spielen sich bis zu 60 Prozent der Wertschöpfung der Zukunft im Bereich Software ab: „Das ist eine immense Entwicklung, vor der wir stehen“, sagte Braun im Rahmen der Expertenrunde Ende Januar: „Wenn wir unseren Wohlstand halten wollen, müssen wir an dieser Wertschöpfung teilhaben“, betonte er. Erklärtes Ziel der Strategie ist, die Bereitstellung und Nutzung von Daten in Deutschland „signifikant zu steigern“, um Innovationspotenziale zu erschließen – vor allem für die Wirtschaft.

Die Automobilindustrie will sich in den Entstehungsprozess der Datenstrategie mit teils unterschiedlichen Schwerpunkten einbringen: „Wir erwarten, dass die Regierung damit ein Level Playing Field schafft, also gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer“, sagte ein Sprecher des Verbands der Automobilindustrie (VDA) dem Tagesspiegel Background Mobilität & Transport. Diese Bedingungen müssten so ausgestaltet sein, dass einerseits dem Datenschutz Rechnung getragen werde, Nutzer also sicher sein könnten, dass ihre Daten sicher sind: „Gleichzeitig muss ein Rahmen geschaffen werden, in dem Innovationen vorangetrieben werden können.“

Elektrotechnikverband fordert Datenaustausch durch Verträge zu regeln

Der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI), über den sich etwa Zulieferer Bosch an der Konsultation beteiligen will, verweist auf drei Aspekte, die ihm bei der Datenstrategie der Bundesregierung wichtig seien. Erstens seien Daten für die industrielle Wertschöpfung in Deutschland „essentiell“: „Wir müssen deshalb ermöglichen, das Daten in anonymisierter Form dem gesellschaftlichen Allgemeinwohl zugutekommen können“, sagte ein Sprecher.

Zweitens wolle sich der Verband bei maschinenbezogenen Daten dafür einsetzen, Datenaustausch und -nutzung zwischen Partnern durch Verträge zu regeln, denn „durch fairen Austausch der beteiligten Partner kann digitale Wertschöpfung am besten entstehen“. Drittens sollten sich Unternehmen jedweder Größe an Plattformen beteiligen können. Weder dürften Unternehmen willkürlich“ ausgeschlossen, noch ein eventueller Wechsel auf eine andere Plattform behindert werden.

Daimler teilte mit, „eine Weiterentwicklung der verantwortungsvollen und selbstbestimmten Nutzung von Daten“ im Rahmen der Strategie zu begrüßen, auch Volkswagen will sich an der Konsultation beteiligen. Die Wolfsburger sprechen sich gegen „Datensilos“ aus. Bestimmte Daten, beispielweise sicherheits- und umweltrelevante Daten, sollten auf Wunsch des Kunden auch mit Dritten geteilt werden können, heißt es aus Unternehmenskreisen. Deshalb wolle der Konzern die Diskussion um die rechtlichen Rahmenbedingungen für die wettbewerbsfördernde und diskriminierungsfreie Bereitstellung von Daten „konstruktiv begleiten“. 

BDI will Zulässigkeit von Datenkooperationen klären lassen

Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) will sich an der Konsultation beteiligen, wie Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung, gestern Tagesspiegel Background mitteilte: „Wir brauchen einen Abbau bestehender Rechtsunsicherheiten“, betonte sie. Besonders wichtig seien für Unternehmen „Klarstellungen hinsichtlich der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit von Datenkooperationen und die rechtssichere Anonymisierung personenbezogener Daten“.

Jedoch spreche sich der BDI gegen eine allgemeine gesetzliche Pflicht zur Datenteilung aus. Deshalb unterstütze der Verband den allgemeinen Grundsatz der EU-Kommission, „den freiwilligen Datenaustausch zu erleichtern, um die Innovationsfähigkeit der Unternehmen zu erhalten. Die Bundesregierung sollte sich diesem Ansatz anschließen“.

Auch der Konsultationsprozess auf EU-Ebene läuft

Die EU-Kommission hatte vergangene Woche ihre Datenstrategie vorgelegt. Für sie läuft nun ebenfalls der Konsultationsprozess. Auf der Website können Interessierte den Online-Fragebogen beantworten, der auf unterschiedliche Aspekte des Papiers eingeht und laut Beschreibung innerhalb von circa zehn Minuten ausgefüllt werden kann. Allerdings musste man bisher zumindest Englisch verstehen, um den auf Englisch formulierten Fragebogen ausfüllen zu können. Die Antworten können jedoch auf Deutsch verfasst sein.

Die EU-Kommission will die deutsche Übersetzung der Fragen zeitnah online stellen. Die Konsultation zum KI-Weißbuch, die ebenfalls noch nicht auf Deutsch verfügbar ist, ist hier zu finden. An beiden kann man sich noch bis 31. Mai beteiligen.

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