zum Hauptinhalt
Britische Politiker fordern die Offenlegung von Unternehmen in Steueroasen. Der Druck auf die Regierung steigt.
© Photocreo Bednarek - Fotolia

Großbritannien: Mays Regierung beschützt Steueroasen

Ein öffentliches Firmenregister sollte Geldwäsche und Steuerhinterziehung erschweren, doch die britische Regierung stellt sich dagegen. Nun wächst der Druck.

Die britische Regierung von Premierministerin Theresa May verweigert sich dem globalen Kampf gegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Im Unterhaus verhinderten ihre Vertreter jetzt eine parteiübergreifende Initiative, die den Steueroasen Jersey, Guernsey und Isle of Man größere Transparenz aufgezwungen hätte. Die dem Kronbesitz zugerechneten Inseln hatten mit der Abspaltung von Großbritannien gedroht. Die Labour-Abgeordnete Margaret Hodge verurteilte das Regierungsvorgehen als "arrogante Brüskierung des Parlaments".

Lobbygruppen erheben Vorwürfe

Bisher sind die semi-autonomen Überreste des britischen Empire von EU-Regeln ausgenommen, die eine Offenlegung der Eigentumsverhältnisse obskurer Finanzvehikel erzwingen. Dies ermögliche illegale und halb-legale Geschäfte in Milliardenhöhe, lautet der Vorwurf von Lobbygruppen. Die Steueroasen stünden im Zentrum "eines globalen Netzwerkes zur Steuervermeidung", das arme Länder jährlich 170 Milliarden Dollar (150 Mrd Euro/170 Mrd Franken) koste, glaubt die Entwicklungsorganisation Oxfam.

Die Finanzzentren im Kanal und in der irischen See weisen die Vorwürfe zurück und beteuern, sie würden zur Vermeidung von Finanzverbrechen mit britischen und anderen Finanzbehörden vertrauensvoll zusammenarbeiten. Tatsächlich heißt es aus dem Londoner Innenministerium, es gebe ein gutes Verhältnis.

Freilich gilt dies auch fürs Finanzzentrum City of London. Dort sind Tausende von Buchhaltern und Anwälten ausschließlich damit beschäftigt, den Superreichen neue Schlupflöcher zu öffnen. Multinationale Unternehmen bunkern mit Hilfe der Londoner Spezialisten ihre Gewinne in Steueroasen. Der Erfolg der britischen Finanzindustrie sei "der Bereitschaft des Landes geschuldet, undurchsichtige und Steuer-vermeidende Kapitalmärkte zu dulden", analysiert das Magazin The Economist.

Politiker fordern Offenlegung

Damit soll nach dem Willen einer Allianz mächtiger Unterhausabgeordneter Schluss sein. Schon im vergangenen Jahr hatte sie gegen den Willen der May-Regierung durchgesetzt, dass die britischen Jungferninseln, Anguilla und Bermuda von 2020 an die Besitzer von dort registrierten Firmen öffentlich machen müssen. Bei diesen Inseln handelt es sich um britische Übersee-Territorien.

Die direkt der Normandie vorgelagerten Inseln Jersey und Guernsey, sowie die Isle of Man zwischen Irland und Großbritannien, genießen hingegen einen anderen Status. Als sogenannter Kronbesitz unterstehen sie direkt dem britischen Monarchen, derzeit also Königin Elizabeth II. Die Kanalinseln blieben 1204 als Reste der damals verloren gegangenen Normandie übrig; die Isle of Man kam Ende des 13. Jahrhunderts zunächst in schottische, später in englische Hand.

Beide Regierungsformen genießen weitgehende Autonomie. Den Eingriff in die Rechte der Inseln rechtfertigt die Abgeordnete Hodge, früher Leiterin des Rechnungsprüfungsausschusses, damit, dass es sich um ein moralisches Problem handle. "Wir wollen den globalen Strom korrupten Geldes und illegaler Finanzpraktiken unterbinden."

Hodge, 74, und der frühere Tory-Entwicklungshilfeminister Andrew Mitchell, 62, führen die Initiative an. Da Mays Minderheitsregierung selbst mit Hilfe der nordirischen DUP nur über eine hauchdünne Mehrheit verfügt, hätte die ungewöhnliche Allianz ihren Willen auch diesmal durchgesetzt. Stattdessen sagte die Regierung die entsprechende Abstimmung kurzerhand ab. Unterhaus-Speaker John Bercow sprach von einer "komischen Geschichte". Als "ausgemachten Taschenspielertrick" verurteilte Mitchell den Versuch des Foreign Office, die Frist um drei Jahre auf 2023 zu verschieben.

Druck auf die Regierung steigt

Insbesondere Vertreter der Kanalinseln hatten zuvor lautstark gegen die Maßnahme protestiert und von "einer Verfassungskrise" gesprochen. Die Finanzindustrie im US-Bundesstaat Delaware sei viel intransparenter. Spekulationen in London zufolge konnten sie mit solchen Argumenten Vertreter des Königshauses, womöglich die Monarchin selbst, beeindrucken und dadurch Druck auf die Regierung ausüben.

Für die Transparenz-Vorkämpfer ist noch nicht aller Tage Abend. Dem Parlamentspräsidenten Bercow zufolge kann die Vorlage von Hodge und Mitchell erneut eingebracht werden. Und da das Finanzdienstleistungsgesetz vor dem geplanten Brexit-Termin (29. März) verabschiedet sein soll, dürfte eine neue Gelegenheit nicht lang auf sich warten lassen.

Zur Startseite