Steueroasen: Auf der "Schwarzen Liste" ist noch viel Platz
Der Kampf gegen Steueroasen ist zäh: Mindestens 20 Länder haben trotz Aufruf keine ausreichenden Reformen durchgeführt - darunter die Schweiz. Ein Gastbeitrag.
Bis zu 40 Prozent der globalen Gewinne multinationaler Unternehmen landen in Steueroasen, schätzt der Ökonom Gabriel Zucman. Das kostet Regierungen und damit die Bürgerinnen und Bürger in der EU jährlich 50 bis 70 Milliarden Euro. Armen Ländern gehen so im gleichen Zeitraum mindestens 100 Milliarden US-Dollar verloren, was Armut und Ungleichheit verschärft.
Es gehört zur Verantwortung der EU-Mitgliedstaaten, dazu beizutragen, die Ära der Steueroasen zu beenden und sicherzustellen, dass Konzerne und Superreiche ihren fairen Beitrag dazu leisten, Gesundheit, Bildung, Infrastruktur und Entwicklung zu finanzieren.
Vor genau einem Jahr hat die Europäische Union ihre erste Schwarze Liste der Steueroasen veröffentlicht. Das war ein wichtiger Schritt gegen den ständig wachsenden Einfluss multinationaler Unternehmen.
Auf dieser Schwarzen Liste standen 17 Steueroasen. Seitdem ist sie auf fünf Länder - alle kleine Inselstaaten - geschrumpft. Gleichzeitig wurde eine "Graue Liste" aus der Taufe gehoben, auf der Länder versammelt sind, die sich verpflichtet haben, ihre Steuersysteme bis Ende 2018 zu reformieren. Diese Liste enthält viele berüchtigte Steueroasen, wie die Bermudas und die Kaimaninseln. Die "Graue Liste" und die daraus folgenden Reformverpflichtungen sind ein wichtiger Etappensieg für die EU und haben Veränderungspotenzial gezeigt. So hat der durch die Liste entfaltete Druck dazu geführt, dass beispielsweise Liechtenstein die von der EU gerügten schädlichen Steuerpraktiken beendet hat.
Die Schweiz müsste schon bald auf die Schwarze Liste
Wenn die Schwarze Liste jedoch ein wirksames Instrument im Kampf gegen die Steuervermeidung bleiben soll, darf die EU an diesem Punkt nicht stehenbleiben. Wenige Wochen vor Ablauf der Reformfrist zeigt eine vorläufige Analyse der Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam, dass mindestens 20 Länder bisher keine ausreichenden Reformen durchgeführt haben, darunter Schwergewichte wie die Schweiz. Sie müssten deshalb schon bald auf die Schwarze Liste gesetzt werden.
Die EU muss aber auch gegen Steueroasen auf ihrem eigenen Territorium vorgehen. Im vergangenen Jahr ermittelte Oxfam, dass vier EU-Länder auf der Schwarzen Liste stünden, würde die EU ihre eigenen Kriterien auch auf ihre Mitgliedstaaten anwenden: die Niederlande, Malta, Irland und Luxemburg. Einige Monate später kritisierte die Europäische Kommission offen sieben EU-Mitgliedstaaten wegen ihrer aggressiven Steuerpraktiken. Aber solchen Worten müssen Taten folgen.
Nach wie vor ist Europa die Region mit dem niedrigsten durchschnittlichen Unternehmenssteuersatz der Welt. Auch schädliche Steueranreize wie z.B. Patentboxen, die Sondersteuersätze für bestimmte Einkommen aus Patenten bieten und mit denen Unternehmen ihre Gewinne nach Belieben zwischen Tochterunternehmen in verschiedenen Ländern hin- und herschieben können, sind weit verbreitet. Dies macht es multinationalen Unternehmen leicht, sich um ihren fairen Beitrag zum Gemeinwesen zu drücken. Damit entgehen den Regierungen sowohl in der EU als auch anderswo dringend benötigte Steuermittel.
Es braucht endlich wirksame Sanktionen gegen Steueroasen
Was also muss die EU tun, um Steuervermeidung und Steuerhinterziehung zu beenden und um ein wirklich glaubwürdiger Akteur im Kampf gegen Steueroasen zu werden?
Erstens muss sie dringend vor der eigenen Tür kehren und schädliche Steuerpraktiken innerhalb der EU beenden, sie sollte die Kriterien für eine gerechte Besteuerung verschärfen, indem sie Instrumente wie Patentboxen verbietet.
Zweitens muss sie alle Länder, die derzeit auf der "Grauen Liste" stehen und die versprochenen Reformen nicht fristgerecht umsetzen, auf die Schwarze Liste setzen. Dies muss Anfang 2019 geschehen, wenn die EU die Listen überprüft hat.
Drittens muss sie sich auf wirksame Sanktionen gegen Steueroasen einigen, die auf ihrer Schwarzen Liste stehen.
Es höchste Zeit, dass unsere Regierungen das umsetzen, was sie versprochen haben. Die jahrelange Austeritätspolitik und ein ins Stocken geratenes Wirtschaftsmodell haben die Kluft zwischen Arm und Reich in Europa vergrößert, zu einer zunehmenden Polarisierung der Gesellschaften beigetragen und die EU in eine Krise gestürzt. Deshalb muss die EU Steueroasen - auch in Europa – trockenlegen. Hierfür muss sie das Instrument der Schwarzen Liste weiterentwickeln, um dafür zu sorgen, dass alle Unternehmen ihren fairen Steuerbeitrag im Dienste des Allgemeinwohls leisten.
- Marissa Ryan ist Leiterin des Brüsseler Büros von Oxfam International
Marissa Ryan