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N26-Deutschlandchef Georg Hauer sieht in der Krise eine Chance für die Hauptstadt
© Mike Wolff

N26-Deutschlandchef Georg Hauer: "Manche Dinge waren einfach nicht mehr möglich"

Georg Hauer, Deutschlandchef der Digitalbank N26, über Kurzarbeit wegen der Corona-Pandemie und Berlin als Krisengewinner.

Von Laurin Meyer

Georg Hauer ist seit Mai 2019 Deutschlandchef der Berliner Digitalbank N26. Zusätzlich verantwortet er das Geschäft in der Schweiz und Österreich, wo er 2018 begann. Vor seinem Einstieg bei N26 verantwortete Hauer beim Fahrdienstvermittler Uber den Aufbau des Geschäftsmodells sowie des lokalen Kundenservices.

Herr Hauer, viele Geschäfte blieben wegen der Coronapandemie wochenlang geschlossen, die Gastronomie stand still. Wie sehr konnten Sie in dieser Zeit Ihren privaten Geldbeutel schonen?
Wie bei vielen anderen Menschen auch, ist mein Urlaub ins Wasser gefallen. Statt einer Fernreise habe ich aber einen gemütlichen Urlaub in meiner Heimat Österreich gemacht. Ich habe auch weniger Geld für Restaurantbesuche und beim Shoppen ausgegeben, wobei ich letzteres ohnehin überwiegend online mache. Da war der Unterschied nicht so krass.

Als Deutschlandchef von N26 dürfte Ihnen das aber nicht gefallen. Schließlich verdienen Sie über Provisionen daran, wenn Ihre Kunden mit der N26-Karte im Handel viel Geld ausgeben.
Unser Geschäftsmodell ist nur teilweise abhängig von diesen Interchange-Gebühren. Sie machen ungefähr ein Drittel unseres Umsatzes aus. Wenn die Transaktionen heruntergehen, betrifft das unseren Umsatz natürlich auch. Wir sind aber beispielsweise mit unseren Premium-Konten mittlerweile sehr breit aufgestellt, sodass wir es nicht sehr stark spüren.

Und trotzdem hat N26 für einen Teil seiner Mitarbeiter Kurzarbeit angemeldet, in den USA wurde manchen sogar betriebsbedingt gekündigt.
Manche Dinge waren durch die Corona-Krise einfach nicht mehr möglich. Wir wollten etwa eine große Plakatkampagne starten. Die hätte während des Lockdowns aber niemand gesehen. Es kontaktieren auch weniger Menschen unseren Kundenservice. Wenn die Büros geschlossen sind, ergibt es auch keinen Sinn, das Office-Management voll zu beschäftigen.

Deshalb haben wir zehn Prozent unserer weltweiten Belegschaft Kurzarbeit angeboten, wobei die meisten noch zwischen 60 und 80 Prozent ihrer üblichen Wochenarbeitszeit arbeiten. Corona hat aber auch noch etwas anderes bewirkt: Digitales Banking ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Zahl der kontaktlosen Zahlungen ist in die Höhe geschossen. Und gerade ältere Menschen haben während des Lockdowns begonnen, im Internet zu shoppen.

Von denen haben ja aber nicht gleich alle ein Konto bei Ihnen eröffnet.
Tatsächlich haben wir festgestellt, dass unser Durchschnittskunde etwas älter geworden ist. Während er vor fünf Jahren noch Mitte 20 war, ist er heute Mitte 30. Die Tendenz ist steigend. Das ist natürlich auch der Krise geschuldet. Viele haben gemerkt, dass sie keine Bankfiliale mehr brauchen.

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Viele Firmen aus der Fintech-Szene beklagen, dass die Zeit der großen Finanzierungsrunden vorbei ist. Sie konnten mit N26 erst vor wenigen Wochen noch einmal 100 Millionen Dollar einsammeln. Betreffen Sie diese Probleme nicht?
Wir sind finanziell gut und langfristig aufgestellt. Wir haben dadurch noch einmal bewiesen, dass robuste Unternehmen wie wir keinerlei Probleme haben, auch weitere Finanzierungsrunden zu stemmen.

Zählen Sie sich gar nicht mehr zur Szene?
Wir sind kein Start-up mehr. Im Gegenteil. Wir sind eine der größten deutschen Banken und die größte Berliner Bank. Dementsprechend haben wir nicht mehr die Herausforderungen, die kleine Fintechs haben. Was wir uns aber erhalten haben, ist die digitale Unternehmenskultur.

Darauf setzen aber zunehmend neue Konkurrenten. Die russische Tinkoff-Bank ist jüngst auch hierzulande gestartet, ein großes Vergleichsportal hat ein eigenes Konto namens C24 angekündigt. Wie sehr fürchten Sie die neue Konkurrenz?
Der Start von Mitbewerbern zeigt, welche wichtige Rolle der deutsche Markt spielt. Deutsche Bankkunden sind sehr treu. Das erschwert die Kundengewinnung. Es bedeutet aber auch, dass Kunden nach einem Wechsel der neuen Bank lange treu bleiben. Ob es unseren Mitbewerbern gelingt, die Menschen zu einem Kontowechsel zu bewegen, bleibt abzuwarten. Dass sich Mitbewerber an unseren Namen anlehnen und versuchen unsere App nachzuahmen, ist verständlich. Wir sind die größte mobile Bank in Europa. Die Kundenzahlen sprechen für sich.

Sie haben fünf Millionen Kunden zum fünften Geburtstag. Wie viele sollen es zum zehnten Geburtstag sein? 
Unser primäres Ziel ist es nicht, alleine eine große Kundenzahl zu haben. Wir wollen die Bank sein, die die höchsten Zufriedenheitswerte hat, sowohl in Deutschland als auch im Rest Europas und in den USA. Mit einem guten Produkt, kommen auch automatisch mehr Kunden. Alleine 2019 haben wir 1,5 Millionen Neukunden über Weiterempfehlungen gewonnen. Wir haben dadurch die Chance, eine der relevantesten mobilen Banken der Welt zu werden. 

Manche Kunden verbinden mit N26 eher unangenehme Erlebnisse, etwa dass sie keinen Zugriff mehr auf ihre Konten hatten und sich der Kundenservice tagelang nicht zurückmeldete.
Es gab in der Anfangszeit von N26 berechtigte Kritik am Kundenservice. Heute sind wir aber viel weiter. Derzeit wartet ein Kunde im Schnitt weniger als 30 Sekunden auf einen Servicemitarbeiter. Das ist besser als bei den meisten anderen Banken.

Das eine ist die Quantität, das andere die Qualität.
Wir haben die Trainingsprogramme für unsere Mitarbeiter massiv überarbeitet. Bevor ein Mitarbeiter überhaupt eine Kundenanfrage beantwortet, bekommt er erstmal ein vierwöchiges Training. Und danach gibt es regelmäßig Schulungen zu neuen Produkten und neuen Fragen. Wir haben den Stamm im Kundenservice zuletzt auf über 800 Mitarbeiter gesteigert.

Das Bankkonto auf dem Smartphone: N26 bekommt zunehmend Konkurrenz.
Das Bankkonto auf dem Smartphone: N26 bekommt zunehmend Konkurrenz.
© Spiekermann-Klaas/Tsp

Wo haben Sie für die neuen Mitarbeiter denn Platz gefunden?
Wir haben einen neuen Standort in Berlin Mitte eröffnet und damit jetzt drei Büros mit über 1300 Mitarbeitern in der Hauptstadt. Langfristig werden wir uns aber umsehen müssen, vielleicht nach einem Ort, an dem wir alle zusammenarbeiten. Das wird aber sicher noch eine Weile dauern. Wir haben auch zwei weitere Standorte in Barcelona und Wien eröffnet. Es ist sehr schwierig geworden, gute Softwareentwickler in Berlin zu finden, mit denen wir noch nicht gesprochen haben.

Ist Berlin also nicht mehr Ihre erste Wahl?
Berlin ist für uns der attraktivste Standort. Die Hauptstadt hat eine hohe Lebensqualität, ist eine sehr internationale Stadt. Dementsprechend ziehen auch viele unserer Mitarbeiter aus den USA, Australien oder Frankreich sehr gern nach Berlin. Die Innovationen in der Finanzbranche entstehen hier, und eben nicht in Frankfurt oder Paris. Dadurch ist Berlin interessant für internationale Top-Talente.

Die großen der Welt, zu denen Sie sich später zählen wollen, sitzen aber im Silicon Valley.
Deutschland muss sich von einer Industrienation zu einer Digitalnation wandeln, um mit den großen Tech-Firmen der Welt mithalten zu können. Die Krise bietet der Hauptstadt aber viele Chancen. Wir müssen sicherstellen, dass wir nach der Krise große neue Technologieunternehmen in Berlin aufbauen. Viele Berliner Start-ups und Fintechs haben das Potenzial dazu. Wenn sie ihrer Rolle gerecht werden, könnten hier viele neue Großkonzerne entstehen.

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Dafür müssen aber die Rahmenbedingungen stimmen. Was erwarten Sie von der Berliner Politik?
Es sind drei Dinge: Büroraum muss verfügbar sein. Daneben braucht es auch eine bessere Infrastruktur und neue Kieze. Schon heute hat Berlin einen guten Ruf bei ausländischen Mitarbeitern wegen der internationalen Kultur. Es darf aber nicht beim Status Quo bleiben, sondern muss sich stetig verbessern. Drittens muss die Landespolitik Anreize schaffen, damit wir als Gesellschaft offener werden gegenüber neuen Innovationen. Förderungen von digitalen Lösungen sind wichtig. Viel wichtiger ist es aber, dass es ausreichend Investoren und Wagniskapital gibt. 

Sie suchen einen neuen Finanzchef. Wie weit sind Sie damit?
Wir haben vor einer Weile entschieden, dass wir unseren Vorstand ausbauen. Das ist eine langfristige Entscheidung. Wir sind mit einigen interessanten Kandidaten im Gespräch. Ich kann dazu aber noch kein Update geben.

Was ist das Anforderungsprofil? Womöglich Erfahrungen bei Börsengängen?
Ein Bewerber sollte eine vergleichbare Rolle in einem Unternehmen übernommen haben, das ebenfalls aus dem Technologie- und Finanzsektor kommt, schon größer als N26 ist und sehr schnell gewachsen ist. Ein Börsengang ist kein Selbstzweck und auch nicht die Hauptaufgabe eines neuen Finanzchefs. Auch wenn dieser eine realistische Option in den nächsten vier bis fünf Jahren ist.

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