Roller-Chaos: Lime-Chef will Autoparkplätze zu Sharing-Parkplätzen machen
Der Deutschland-Chef des Rollerverleihers Lime beklagt, die deutsche Infrastruktur sei nicht auf Roller ausgerichtet. Viele Beschwerden seien aber berechtigt.
Vom Roller-Chaos war die Rede; ähnlich wie im vergangenen Jahr bei den Leihfahrrädern sorgte in diesem Jahr die Flut neuer E-Tretroller in deutschen Großstädten für Ärger. Auch der Deutschland-Chef des Anbieters Lime, Jashar Seyfi, sieht darin ein Problem. Angesichts der steigenden Zahl an E-Tretrollern braucht es nach seiner Einschätzung eine neue Infrastruktur.
„Wenn ich mir die Infrastruktur in den deutschen Städten angucke, ist sie auch für die begrenzte Anzahl an Scootern, die wir jetzt schon haben, eher überschaubar“, sagte Seyfi im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. „Es häufen sich ja jetzt schon Beschwerden darüber, dass Scooter schlecht geparkt sind und teilweise Wege blockieren.“ Das sei zum Teil berechtigte Kritik. „Allerdings stelle ich mir dann auch die Frage, wo sie denn sonst parken sollen.“
Es werde wohl noch eine Weile dauern, bis entsprechende Änderungen passieren, „idealerweise über die Umwidmung von Autoparkplätzen zu Sharing-Parkplätzen“, schlug Seyfi vor. Auch breitere Radwege seien möglich. Hierfür bedürfe es einer engen Zusammenarbeit mit Städten und Kommunen. Seit Mitte Juni dürfen E-Tretroller in Deutschland auf Fahrradwegen und Straßen fahren. Seit Uber kürzlich ebenfalls in den Markt eingestiegen ist, buhlen überregional sechs Anbieter um Kunden.
Lime verteidigt das Freefloat-Modell
Die Roller-Anbieter bewerben die Fahrzeuge als weiteres, elektrisch angetriebenes Element in einem zukünftigen Mobilitäts-Mix, bei dem Kunden kaum noch eigene Autos besitzen, sondern stattdessen unterschiedliche Sharing- und Leih-Angebote nutzen. Wegen zahlreicher Unfälle, der Konzentration auf Innenstädte, unsachgemäßer Nutzung, Behinderungen auf Rad- und Gehwegen und einer zweifelhaften Klimabilanz stehen die Roller allerdings in der Kritik.
In Berlin zum Beispiel sind die Fahrzeuge im sogenannten Freefloat-Modell verfügbar: Es gibt keine festen Stationen, die Elektroroller können an jeder beliebigen Stelle abgestellt werden. Vielerorts wird derzeit diskutiert, das zu ändern, so dass das Abstellen nur noch an bestimmten Orten erlaubt ist.
Doch der Erfolg von sogenannten Ride-Sharing-Diensten liegt für Seyfi gerade in der freien Verfügbarkeit der Fahrzeuge. „Wenn man das jetzt künstlich verknappen würde, indem man etwa sagt, „wir haben jetzt hier 50 Stationen in der Stadt und wer Scooter fahren möchte, muss halt zu einer davon“, das wird nicht funktionieren.“ Er befürworte aber Stationen als Ergänzung zum Freefloating, „was sehr sinnvoll sein kann, vor allem an Knotenpunkten des Öffentlichen Personennahverkehrs“, sagte Seyfi.
Zu viele Wettbewerber am Markt
Deutschland ist für Lime eigenen Angaben zufolge der zweitgrößte Markt weltweit nach den USA. Inzwischen biete das Unternehmen eine fünfstellige Zahl an E-Tretrollern in 15 deutschen Städten an. Fahrräder, auch elektrische, können Kunden in Berlin schon seit 1,5 Jahren über die Plattform buchen. Doch die Nachfrage nach den Rollern sei inzwischen deutlich größer als die nach den Rädern. „Wir haben noch ausreichend Fahrräder hier in Berlin auf den Straßen“, sagte Seyfi, „aber wir haben tatsächlich die Flotte etwas verkleinert zugunsten von mehr Scootern“ - auch wenn sich beide Angebote grundsätzlich ergänzten, weil sie für unterschiedlich lange Strecken genutzt würden.
Einer Untersuchung des Lufthansa Innovation Hubs - einer Marktanalyse-Abteilung des Luftfahrtkonzerns - zufolge, hat Lime den zweitgrößten Marktanteil mit rund einem Drittel. Konkurrent Tier kommt demnach auf 42 Prozent. Allerdings nimmt das Unternehmen dabei einzig die Downloads der jeweiligen Anwendungen in den Blick. Seyfi sieht sein Unternehmen Lime mit Blick auf die tatsächlichen Nutzungszahlen vor jeder Konkurrenz.
Der Deutschland-Chef rechnet zudem mit einer kräftigen Bereinigung des Elektro-Tretroller-Markts. „Es ist einfach eine wahnsinnige Masse an Unternehmen, die gerade versuchen, in diesem Scooter-Business mitzumischen“, sagte er. „Das kann eigentlich so in der Form nicht jahrelang weitergehen.“ Unabhängig vom eigenen Erfolg sei eine Konsolidierung, also eine Konzentration auf wenige Anbieter, „fast zwangsläufig“. (dpa)
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