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Marc Brüggemann verwandelt sich regelmäßig vom PR-Manager zum Scooter-Fahrlehrer.
© Markus Bimüller

Fahrschulen von Voi, Lime und Co.: Wie E-Scooter-Anbieter ihren Kunden Verkehrsregeln beibringen wollen

Immer wieder brechen Nutzer von E-Scootern diverse Verkehrsregeln. Verleiher wollen das Problem nun mit Fahrschulen beheben. Ein Besuch vor Ort.

Der Elektro-Tretroller unter Marc Brüggemann quietscht und krächzt, als er mit voller Wucht auf die Rücktrittbremse tritt. Der Bremstest hinterlässt eine schwarze Linie auf dem Boden der Jugendverkehrsschule am Berliner Wassertorplatz. „Uns wurde in der Vergangenheit vorgeworfen, unser Bremsweg sei zu lang“, sagt er und weist die Kritik direkt von sich. „Dabei muss man nur kräftig treten.“

Brüggemann macht vor, wie es geht. Dann nickt er den restlichen Teilnehmern – unter anderem mir – zu. Wir sind dran. Ich traue mich nicht, kräftig auf die Rücktrittbremse zu treten. Zu wackelig erscheint mir der Roller. Die Ausrede lässt Brüggemann nicht gelten, ich muss noch einmal losfahren und bremsen.

Der 23-Jährige arbeitet normalerweise als PR-Manager beim schwedischen E-Scooter-Verleih Voi. Seit einigen Wochen versucht er sich als Fahrlehrer. Berufsbedingt kann er bereits gut mit dem orange-schwarzen Roller umgehen, denn er fährt selbst jeden Morgen mit dem Roller eine halbe Stunde zur Arbeit.

Regelverstößte durch Roller-Fahrer

„Viele wissen nicht, wo sie mit den Rollern fahren dürfen“, sagt Brüggemann. Deshalb handelt der Verleiher nun und bietet ein Verkehrssicherheitstraining in Berlin an. Auch in anderen Städten wird Voi tätig. In Lübeck hätten vor zwei Wochen 80 Teilnehmer die Roller getestet.

Von solche Teilnehmerzahlen kann Brüggemann in Berlin nur träumen. Kaum einer lässt sich mittwochabends auf dem Übungsplatz blicken. Brüggemann spricht am nächsten Tag von acht Leuten. Davor das Mal sollen es 15 gewesen sein. Sollten weiterhin so wenig Teilnehmer kommen, will er mit den Rollern auf einen belebteren Platz ziehen.

Nötig hätten es die Berliner. Die Polizei sprach in einer Zwischenbilanz von Mitte September davon, dass E-Scooter-Fahrer regelmäßig geltende Verkehrsregeln brechen würden. Seit Zulassung der Roller habe es 74 Verkehrsunfälle mit 16 Schwer- und 43 Leichtverletzten auf den Berliner Straßen gegeben. Zudem zählte die Polizei 233 Verkehrsordnungswidrigkeiten, wozu auch das Fahren auf dem Gehweg zählt. Damit ist Berlin nicht allein: Die Kölner Polizei zählte bislang sogar 620 Verkehrsverstöße.

Auch die Konkurrenz bietet Fahrschulen für E-Scooter an

Der Bedarf ist also da. Das haben andere Verleih-Firmen ebenfalls erkannt. So bietet auch Lime Fahrsicherheitstrainings an, Hersteller Bird Rides plant bald ebenfalls nachzuziehen. Mit sogenannten Gruppenfahrten will Lime zudem erfahrene Nutzer dazu bringen, Freunden einen Scooter zu entsperren. Neulinge sollen so von Vielfahrern lernen. Das Angebot der Fahrschule von Lime werde einer Sprecherin zufolge meist von etwa 30 Nutzern wahrgenommen.

Um für mehr Sicherheit zu sorgen, nehmen die Verleiher Geld in die Hand. Denn die Sicherheitstrainings kosten die Nutzer nichts. Bei Voi können Kunden sich zudem online in einer digitalen Fahrschule durch Fragen zu Vorfahrtsregeln, Alkoholverbot und allgemeinen Verkehrsregeln klicken. Am Ende gibt es für den bestandenen Test sogar zwischen vier und fünf Euro Guthaben. In den ersten zwei Wochen haben nach Angaben des Unternehmens allein in Deutschland bereits 40.000 Nutzer teilgenommen.

Trotzdem scheint Brüggemann auf dem Verkehrsplatz enttäuscht, als er den wenigen Teilnehmern vor ihm verschiedene Verkehrsregeln erklärt. Er spricht von einem strikten Alkohol- und Handyverbot am Lenker, stellt den Roller vorbildlich am Rand des Gehwegs ab. Sollte man eigentlich schon alles einmal gehört haben.

Brüggemann ist die Begeisterung für die E-Scooter anzumerken. Er nennt die anderen Verleiher nicht Konkurrenten, sondern lieber „Mitstreiter“. Diese Begeisterung kann nicht jeder teilen. Eine Touristin verlässt nach kürzester Zeit den Übungsplatz. „Ich würde mich trotz des Trainings nicht trauen, mit einem der Roller zu fahren“, sagt sie auf Englisch.

Der Rest von uns stellt sich der letzten Aufgabe: Dem Parcours. Ohne jegliche Probleme umkreist Brüggemann zuerst Hütchen für Hütchen. Bei den Teilnehmern sieht das schon weniger elegant aus. Ich selbst lenke nicht immer schnell genug und schaffe eins der Hindernisse nicht.

Fuß- statt Handzeichen

Kaum umsetzbar wirkt der Tipp, den Voi-Mann Brüggemann uns als nächstes gibt. Er spricht von einer Alternative zum Blinken, das E-Roller bekanntlich bisher nicht können. Der TÜV-Verband sieht hier Handlungsbedarf und fordert seit längerem eine Blinker-Pflicht für die Scooter. Selbst beim neuen Voi-Modell soll es keinen Blinker geben.

Wenn man Brüggemann glaubt, braucht es den aber gar nicht. Zwar trauen sich wahrscheinlich die wenigsten Fahrer Handzeichen beim Abbiegen zu. Stattdessen rät Brüggemann, mit dem Fuß anzuzeigen, in welche Richtung es geht.

Zu meinem Glück ist diese Fähigkeit nicht nötig, um den symbolischen Führerschein zu bestehen. Und obwohl die Teilnehmer Brüggemann zufolge „alle Aufgaben bestanden“ haben, gibt es an diesem Mittwochabend leider keinen Führerschein für uns. Denn der Voi-Mann hat die schwarzen Papierscheine vergessen. Vorerst muss ich mich also weiterhin mit meinem PKW-Führerschein zufriedengeben.

Hinweis: Das nächste Verkehrssicherheitstraining von Voi findet am Mittwoch, 25. September, ab 18 Uhr bei der Jugendverkehrsschule auf dem Wassertorplatz in Berlin statt. Wenig später will das Unternehmen am Donnerstag, dem 26. September, ab 13 Uhr auf dem Luisenplatz in Potsdam mit Teilnehmern trainieren.

Lisa Oder

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