McDonalds-Zukauf Dynamic Yields: "Künstliche Intelligenz könnte bald den Alltag bestimmen"
Dynamic Yields wertet Kundendaten für Weltkonzerne aus – und wurde von McDonalds für 300 Millionen gekauft. Der Gründer erklärt, wie KI unser Leben verändert.
Wenn man Liad Agmon fragt, welche Chancen der Menschheit durch künstliche Intelligenz (KI) entstehen, hält er zunächst inne und denkt einen Moment nach. „Ich glaube, KI wird unser Leben derart verändern, wie wir es uns noch gar nicht vorstellen können“, hebt er schließlich an. „Und wir müssen uns der Risiken bewusst werden.“
Er ist überzeugt, die Auswirkungen würden die Machtverhältnisse zwischen Staaten verschieben; von ihrem strategischen Wert her sei KI in Friedenszeiten mit Nuklear-Kraft vergleichbar. „Mit dem Unterschied, dass KI bald schon unseren Alltag bestimmen könnte.“
Es sind überraschend kritische Worte von einem, der sein Geld mit künstlicher Intelligenz verdient. Und das nicht zu knapp. Agmon – 43 Jahre alt, geboren in Kalifornien und aufgewachsen in Israel – ist ein Seriengründer. 2004 startete er ein IT-Sicherheits-Start-up namens Onigma in Tel Aviv, das McAfee zwei Jahre später für 20 Millionen Euro kaufte. 2007 gründete er Delver, ein Suchunternehmen für Soziale Netzwerke, das ebenfalls zwei Jahre später von einer Holding-Gesellschaft übernommen wurde.
Sein größter Erfolg aber ist Dynamic Yields, sein KI-Start-up, das er vor sieben Jahren ins Leben rief und Ende März für kolportierte 300 Millionen US-Dollar an McDonald's verkauft hat. Die Europa-Zentrale seines Unternehmens ist seit vier Jahren in Berlin beheimatet. Doch was stellt Agmon mit seiner Firma so intelligentes an?
Ikea, Media Markt und Mister Spex sind seine Kunden
„Amazon kann seinen Kunden genau passende Produkte empfehlen, Facebook kann seinen Usern genau die Posts ausspielen, die sie sehen wollen“, erklärt er. „Dahinter stecken tausende Stunden an Entwicklerarbeit und viele Millionen Dollar.“ Da aber nicht jede Firma die Möglichkeiten und auch nicht den Willen hat, das selbst zu programmieren, entwickelt Dynamic Yield diese Algorithmen für andere Firmen. „Wir bieten unseren Kunden die Möglichkeit, den Verbrauchern passgenaue Produkte zu empfehlen“, sagt Agmon.
Bis zur Akquisition durch McDonald's hatte sein Unternehmen rund 83 Millionen Dollar eingesammelt, darunter sowohl Risikokapitalgeber als auch strategische Investoren wie die „New York Times“ oder die Deutsche Telekom. Zu Agmons Kunden gehören Konzerne wie Ikea, Media Markt und Saturn oder auch die Versicherungskammer Bayern.
Auch Berliner Start-ups wie HelloFresh, Home24 oder Mister Spex sind seit Jahren im Kundenstamm von Dynamic Yield – insgesamt nutzen über 300 Firmen die Software. Nach Angaben des Unternehmens werden damit rund 600 Millionen Verbraucher weltweit erreicht. Auch jetzt, da das in Israel gegründete Start-up zu McDonald's gehört, sollen diese Geschäfte weitergeführt werden. Zudem bleibt Agmon als Geschäftsführer im Unternehmen.
Bedenken wegen Datenschutz
Auswertung der Kundendaten von Weltkonzernen – Agmon ist klar, dass sein Geschäftsmodell in Deutschland durchaus skeptisch beäugt wird. Und er zeigt dafür Verständnis. „Es ist immer eine Abwägung zwischen Privatsphäre und dem Gegenwert“, sagt der Gründer, aber: „Für mich als Kunde ist es in Ordnung, mich bei einem Geschäft als reale Person erkennen zu geben, bei dem ich häufig einkaufe, wenn ich im Gegenzug bessere Angebote bekomme.“
Gefährlich wäre aus seiner Sicht eine KI, die Entscheidungen trifft, ohne dass diese von Menschen hinterfragt werden könnten. „Es wäre eine schlimme Entwicklung, wenn wir als Menschen in Zukunft von Maschinen eingeteilt werden, keine Chance mehr hätten, dem zu widersprechen und kein menschliches Gremium mehr als Ansprechpartner hätten.“
Einer Umfrage der Unternehmensberatung Capgemini zufolge würden mehr als zwei Drittel der Deutschen ihre Geschäftsverbindungen zu einem Unternehmen einschränken oder beenden, wenn dieses gegen Datenschutzbestimmungen verstößt. „In Deutschland herrsche eine sehr gesunde Skepsis gegenüber Daten in den Händen von Internetriesen oder auch dem Staat“, sagt Agmon. Er merke im Gespräch mit seinen Geschäftspartnern hierzulande, dass diese Skepsis respektiert auch respektiert wird. „Dieser ungeschriebene Vertrag zwischen Kunden und Unternehmen – der ist sogar noch wichtiger als Gesetze.“
Vor allem aber ist es ihm wichtig zu betonen, dass sein Geschäftsmodell keine wie eingangs geschilderte Bedrohung für das geopolitische Gleichgewicht darstellt. „Wir können dir höchstens das falsche T-Shirt empfehlen“, betont er. „Dann musst du vielleicht etwas länger nach dem richtigen suchen.“ Die Daten würden auch nicht dafür genutzt, um Kreditwürdigkeit von Konsumenten zu bewerten. „Unsere einzige Datenquelle von Daten von Dynamic Yield ist das, was die Firmen uns bereitstellen“, stellt er klar. „Wir vermischen diese niemals.“
Wer Cookies löscht, bleibt für Dynamic Yields anonym
Doch von welchen Daten reden wir überhaupt? „Wenn du auf einer Website etwas anklickst, erzählst du uns damit, woran du interessiert bist“, sagt Agmon. Doch dabei bleibt es nicht: Die Verweildauer, die Art der Interaktion mit der Seite, vorherige Einkäufe – all das wird registriert. Auch ob man beispielsweise von Facebook oder von Google auf eine Seite kommt, ist für Liads KI relevant. „Ich weiß dadurch zwar noch lange nicht, wie all diese Fakten deine Kaufentscheidung beeinflussen“, sagt Agmon. „KI aber schon.“
Durch maschinelles Lernen könne die KI all diese Daten so auswerten, dass genau das angezeigt wird, wonach der Kunde sucht. „Bei unintelligenten Algorithmen muss ein Mensch vorab einstellen, welche Daten auf welches Ergebnis hin überprüft werden müssen“, erklärt der Gründer. „Künstliche Intelligenz kommt selbst auf die Ergebnisse, das heißt, keine menschliche Vorgaben verfälschen das Ergebnis.“
Dabei kann Dynamic Yield nach Agmons Angaben keinerlei Rückschlüsse auf die Personen hinter dem Computer ziehen, solange sie bei dem jeweiligen Unternehmen kein Kundenkonto besitzt. Man könne die Daten dann nur IP-Adressen und Browsern zuordnen. Sobald man seine Cookies löscht oder ein Inkognito-Fenster nutzt und danach schließt, seien die Daten für Dynamic Yield nicht mehr zuzuordnen; beim nächsten Besuch des Online-Shops werde man als neuer Kunde betrachtet.
Bisher wendet Dynamic Yields sein Geschäftsmodell hauptsächlich bei Onlineshops an. Doch Agmon sagt, es funktioniere auch in der analogen Welt. Beispiel McDonalds: So stationär die Fast-Food-Filialen auch sind, so digital ist inzwischen der Kundenkontakt. In der App, an Bestellautomaten, beim Drive-In oder hinter der Theke – überall warten Computerbildschirme auf den Kunden, deren Anzeige sich nach den Analysen von Dynamic Yield richten soll.
Hier sollen auch Faktoren wie das Wetter, die Lage der Filiale, die Tageszeit und die Belegung im Restaurant in den Algorithmus einfließen. In der Praxis heißt das: Wenn eine lange Schlange durch den Laden geht, soll die KI Gerichte empfehlen, die möglichst schnell zubereitet werden können.