zum Hauptinhalt
Zusatzrente vom Arbeitgeber: Arbeitnehmer sollen sich im Ruhestand nicht nur auf die gesetzliche Rente verlassen, sondern sollen als zweites Standbein eine Betriebsrente haben. Dazu will die Politik Anreize schaffen.
© Getty Images/iStockphoto

Reform der Betriebsrenten: Koalition will Arbeitgeber aus der Haftung entlassen

Nach monatelangen Kontroversen hat sich die große Koalition auf die Reform der Betriebsrenten geeinigt. Die Arbeitgeber sollen aus der Haftung entlassen werden.

Pendler haben am kommenden Mittwoch gute Chancen, auf dem Weg zu ihrer Arbeit Gewerkschaftsprominenz zu treffen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat den 31. Mai ausgewählt, um seine Rentenkampagne fortzusetzen. An mehr als 300 Standorten in Deutschland sollen die Beschäftigten vor der Bundestagswahl mobilisiert werden, gegen sinkende Renten zu kämpfen. Mit dabei: Verdi-Chef Frank Bsirske und DGB-Vorstandmitglied Annelie Buntenbach, die in Berlin am S-Bahnhof Ostkreuz Pendler abfangen wollen.

Während der Kampf um die Rente noch tobt, scheint eine weitere Auseinandersetzung jetzt beigelegt zu sein. Nach monatelangen Kontroversen hat sich die große Koalition auf die Reform der Betriebsrenten geeinigt. Die Betriebsrente ist eine Zusatzvorsorge zur gesetzlichen Rente und wird über den Arbeitgeber organisiert Die Finanzierung ist unterschiedlich. Manchmal übernimmt der Arbeitgeber die Kosten komplett, einige Unternehmen zahlen Zuschüsse, oft aber finanziert der Arbeitnehmer seine spätere Betriebsrente durch einen Gehaltsverzicht in Form der Entgeltumwandlung selbst.

57 Prozent haben Anrecht auf Betriebsrente

Arbeitgeber, Gewerkschaften und die Politik sind sich in einem einig: Je stärker die gesetzliche Rente sinkt, desto wichtiger ist die Betriebsrente, um Altersarmut zu verhindern. Doch es gibt ein Problem: Derzeit haben in Deutschland nur rund 57 Prozent der abhängig Beschäftigten eine Anwartschaft auf eine spätere Betriebsrente. Während in großen Unternehmen die Mehrheit der Mitarbeiter versorgt ist, sieht es in kleinen und mittleren Firmen schlecht aus. Das will die Politik ändern.

Im Dezember hatte das Kabinett daher das Betriebsrentenstärkungsgesetz verabschiedet, das die Verbreitung der Betriebsrenten steigern sollte. Um Geringverdiener für die Betriebsrente zu begeistern, sollten Arbeitgeber steuerlich begünstigt werden, wenn sie für Beschäftigte mit kleinen Einkommen einen Zuschuss zur Betriebsrente zahlen. Zudem sollte ein Teil der späteren Betriebsrente nicht mehr auf die Grundsicherung angerechnet werden und die Riester-Zulage sollte von 154 Euro auf 165 Euro im Jahr erhöht werden.

Dreh- und Angelpunkt der Reform war – und ist – aber ein neues Haftungsmodell. Im Rahmen von Tarifverträgen sollen die Sozialpartner künftig Betriebsrenten ohne Haftung der Arbeitgeber vereinbaren können. Die Idee: Arbeitgeber und Arbeitnehmer können tarifvertraglich festlegen, dass nur noch die Beiträge zugesagt werden, nicht aber die Verzinsung der Einzahlungen. Den Beschäftigten wird kein fester Beitrag oder keine Mindestrente mehr zugesichert, sondern nur noch ein – unverbindliches – Ziel. Wie hoch die Rente im Alter ausfällt, ist offen.

CSU hat kalte Füße bekommen

Der Hintergrund: Angesichts der nicht enden wollenden Niedrigzinsphase wird es für die Anbieter immer schwieriger und teurer, Garantien zu geben. Dennoch wäre in der betrieblichen Altersvorsorge die Abkehr von Garantien ein Systemwechsel. Vor allem die Versicherungswirtschaft hatte dagegen gewettert, auch die CSU hatte kalte Füße bekommen. Über Monate hatten die Fraktionen diskutiert. Nun scheint man sich weitgehend einig zu sein – und sich von den Garantien zu verabschieden.

„Wir sind uns einig geworden“, bestätigte der CDU-Rentenexperte Peter Weiß dem Tagesspiegel. Details sollen am Montag bekannt gegeben werden, wenn die Vereinbarungen schriftlich vorliegen. Am Mittwoch soll der Konsens in den Ausschuss, am Donnerstag soll der Bundestag die Reform verabschieden.

Grüne und Linke sind dagegen

Die Reaktionen sind gemischt. „Das Modell ist ein ausgewogener Kompromiss, von dem alle Beteiligten profitieren“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Oliver Zander. Die Beschäftigten könnten höhere Erträge erwarten, die Arbeitgeber müssten keine Rücklagen für Haftungen mehr bilden. „Das wird mehr Unternehmen dazu bewegen, ihren Beschäftigten eine betriebliche Altersversorgung anzubieten.“ Dagegen kritisieren die Linke und die Grünen das Vorhaben scharf. Das Sozialpartnermodell entlasse die Arbeitgeber aus der Verantwortung, bemängelte der Linken-Rentenexperte Matthias W. Birkwald. Die Grünen wollen am Mittwoch im Ausschuss einen Änderungsantrag stellen. Sie fordern eine gesetzliche Angebotspflicht für alle Arbeitgeber, außerdem müssten die Arbeitgeber einen Eigenbeitrag in die Betriebsrente einbringen. Zudem sei es ein Kardinalfehler, auf die Tarifverträge abzustellen, erklärte der Grünen-Rentenpolitiker Markus Kurth. Die Tarifbindung sei seit Jahren rückläufig, und bei kleinen und mittleren Unternehmen seien Tarifverträge auch heutzutage nicht die Regel. (mit dpa)

Heike Jahberg

Zur Startseite