Gläserne Decke in der Medizin: Klar kann ich Chefin!
Viele Frauen studieren Medizin, doch nur wenige schaffen es in Kliniken und Forschung in Führungspositionen. Was sie daran hindert – und wie der Weg nach oben begehbar wird.
Die Medizin wird weiblicher, wenn man sich die Zahl der Studierenden ansieht. Fast zwei von drei Studienanfängern waren im Wintersemester 2017/2018 im Fach Medizin weiblich. Doch je weiter die medizinische Karriereleiter nach oben führt, desto weniger Frauen finden sich dort. Obwohl laut der Bundesärztekammer im Jahr 2017 knapp 47 Prozent der berufstätigen Ärzte weiblich waren, lag der Anteil von Professorinnen in der Humanmedizin und den Gesundheitswissenschaften bei nur etwa 22 Prozent.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Antiquierte Rollenbilder und eine männlich dominierte, stark hierarchisierte Arbeitskultur, sind das eine. Hinzu kommt, dass Mediziner in der wissenschaftlichen Qualifikationsphase Lehre, Forschung und Krankenversorgung auf dem Programm haben, was zu einer sehr hohe Arbeitsbelastung führt. „Wird in dieser Zeit auch noch eine Familie gegründet, sehen sich viele qualifizierte und ambitionierte Medizinerinnen gezwungen, ihre wissenschaftliche Karriere zu beenden“, sagt Christine Kurmeyer, die Zentrale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Berliner Charité. Denn noch immer seien die institutionellen Rahmenbedingungen zur sogenannten Vereinbarkeit von Kindern und Karriere nicht ausreichend gegeben. Und auch heute noch werde die Betreuung von Kindern gesellschaftlich als hauptsächlich weibliche Aufgabe gesehen.
Familienbüro gegen Männerhierarchien
Um dem entgegenzuwirken und Frauen bei ihrer wissenschaftlichen Karriere zu unterstützen, gibt es an der Charité ein Familienbüro und Kindertagesstätten mit langen Öffnungszeiten. In Seminaren und Workshops werden zentrale Fertigkeiten für den wissenschaftlichen Alltag wie das Schreiben von Anträgen oder das Einwerben von Drittmitteln vermittelt. Und es gibt Stipendien und auch Mentoringprogramme, die die Wissenschaftlerinnen individuell fördern und ihnen die Möglichkeit bieten, sich mit anderen Nachwuchswissenschaftlerinnen auszutauschen und zu vernetzen. Kurmeyer empfiehlt Medizinerinnen, gezielt nach Menschen zu suchen, die sie bei ihrer Karriere unterstützen können.
Die Professorin Andrea Kühn gehört zu den Frauen, die es in eine Führungsposition geschafft haben. Sie ist Leiterin der Sektion Bewegungsstörungen und Neuromodulation am Campus Charité Mitte und am Campus Virchow-Klinikum in Berlin. Bereits in den ersten Semestern ihres Studiums merkte sie, dass sie forschen will. Nach ihrer Promotion und Facharztausbildung in Berlin, während der sie am Wochenende und nach Dienstschluss weiter forschte, ging sie für einen mehrjährigen Forschungsaufenthalt nach London. Wenn man in der Medizin wissenschaftlich arbeiten möchte, sei entscheidend, dass man bei der Forschung seinen eigenen Interessen folge und das untersuche, was einen fachlich begeistert. Dafür müsse man eventuell auch Umwege in Kauf nehmen. „Man sollte von Anfang an Leistungsbereitschaft zeigen und mit Enthusiasmus die eigenen Forschungsprojekte verfolgen, dabei aber auch offen für neue Erfahrungen bleiben“, rät die Professorin. Auch Auslandserfahrung sei wichtig. Bei solchen Aufenthalten lerne man nicht nur eine andere Forschungsgruppe und andere Labore kennen, sondern auch eine andere Wissenschaftskultur – und könne zudem nützliche internationale Kontakte knüpfen. Es sei sehr wichtig, sich zu vernetzen und kooperativ zu verhalten. „Mit einer egoistischen Arbeitseinstellung kommt man in der Wissenschaft nicht voran“, sagt sie.
Ulrike Ley ist Coach und bietet seit mehr als zehn Jahren Fortbildungen für Führungspersonal in der Medizin an. „Ein Coaching kann Medizinerinnen helfen, sich in dieser Situation zurechtzufinden und durchzusetzen“, erklärt die promovierte Sozialwissenschaftlerin. Es biete den Rahmen, zu reflektieren, was man wolle, welche Probleme und Herausforderungen sich einem dabei stellten und wie man diese lösen könne.
Ich will die Klinik leiten
In Mentorings nähmen Nachwuchsmedizinerinnen häufig zum ersten Mal die Gelegenheit war, laut auszusprechen, dass sie Professorin, Chefärztin oder Klinikleiterin werden wollen. Das falle ihnen offenbar wesentlich schwerer als Männern. Ein geschützter Raum mit Gleichgesinnten könne dabei helfen, sich solche Ziele bewusst zu machen. In ihren Trainings lernt man nicht mehr, wie das vor zwanzig Jahren oft üblich war, männliches Verhalten nachzuahmen, um sich durchzusetzen, sagt Ley. Es gehe zwar auch darum, sich männlicher Kommunikationsstrukturen bewusst zu werden und damit umzugehen. Doch wichtiger sei, dass die Teilnehmerinnen einen eigenen Weg finden, Kompetenz und Autorität auszustrahlen. Und das lernen sie zum Beispiel auch in Stimm- und Präsenztrainings.
Ein anderes Thema, das auf ihrem Programm steht: sich sichtbar machen. Frauen hätten häufig das Problem, in großen Besprechungen in hauptsächlich männlicher Runde nicht wahrgenommen zu werden. Ley rät dann, sich auch materiell Raum zu schaffen, etwa indem man sein Tablet oder Unterlagen vor sich platziert. Sie rät Medizinerinnen, klare Forderungen zu stellen und in Bewerbungsgesprächen zu verhandeln – auch in Bezug auf Kinderbetreuung und Arbeitszeiten. Durch den Mangel an Fachkräften habe die junge Medizinerinnengeneration durchaus eine Gestaltungsmacht, die Arbeitsbedingungen grundlegend zu ändern.
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