Nach dem Stresstest: Keine sichere Bank
Der Stresstest der EZB bringt mehr Transparenz in den Bankensektor - die Ergebnisse täuschen aber auch über Probleme hinweg. Ein Kommentar.
Die meisten Banker können aufatmen. Von den gut 130 Instituten, die die EZB nun einem Stresstest unterzogen hat, sind nur 25 durchgefallen. Alle anderen sollen eine erneute Krise locker überstehen. Selbst die Münchner Hypothekenbank – die einzige deutsche Bank, die im Test durchgefallen ist – will die aufgedeckte Kapitallücke in der Zwischenzeit bereits geschlossen haben. Das alles beruhigt. Doch es wäre fatal, das Finanzsystem deshalb jetzt für stabil zu halten.
Zwar waren die Aufseher bei diesem Stresstest viel strenger als bei den bisherigen Prüfungen. So haben sie sich zum Beispiel nicht auf die Zahlen verlassen, die die Banken ihnen geliefert haben, sondern selbst nachgerechnet. Trotzdem sind die nun vorgelegten Ergebnisse kein Freifahrtschein für die Finanzinstitute. Denn der Bankenstresstest ist nur eine Momentaufnahme. Weder Banker, noch Aufseher oder Politiker dürfen sich darauf ausruhen.
Die neue EZB-Aufseherin muss sich noch beweisen
So steht für die EZB die eigentliche Bewährungsprobe noch aus. Die neue Chefaufseherin Danièle Nouy hat zwar angekündigt, ab November hart durchzugreifen. Doch ob sie das auch tut, zeigt sich erst, wenn sie vor der Frage steht, ob sie ein kriselndes Institut abwickeln lassen soll. Bislang waren die Euro-Länder mit den Banken sehr nachsichtig – haben sie lieber staatlich unterstützt, als die Folgen einer Insolvenz in Kauf zu nehmen.
Dabei zeigt der Vergleich mit den USA, dass dieser bequeme Weg nicht immer der beste ist. Die Amerikaner sind in den vergangenen Jahren rigoros gegen Geldhäuser vorgegangen. Seit Ausbruch der Krise haben sie rund 500 Institute geschlossen. Die Banken, die übrig geblieben sind, stehen heute wieder sehr gut da, während europäische Institute noch immer mit den Folgen beschäftigt sind.
Laut IWF haben wenige Banken ein profitables Geschäftsmodell
Auch darüber, wie nachhaltig die Banken wirtschaften, sagen die Stresstest-Ergebnisse wenig aus. Glaubt man dem Internationalen Währungsfonds, könnten etliche europäische Institute in Zukunft Schwierigkeiten bekommen. Laut IWF-Analyse verfügen weniger als ein Drittel der europäischen Banken derzeit über ein profitables Geschäftsmodell.
Auch politisch ist die Finanzkrise hierzulande noch nicht aufgearbeitet. Die Bundesregierung hat etliche Anstrengungen unternommen, um Anleger besser zu schützen. Doch es gibt Lücken im System. Da sind zum Beispiel die Beratungsprotokolle, mit denen dokumentiert werden soll, wie Bankgespräche ablaufen. Was gut gemeint war, hilft Verbrauchern heute wenig. Viele unterschreiben das Protokoll blind, weil sie dem Berater vertrauen. Mit der Folge, dass sie es nicht belegen können, wenn sie falsch beraten wurden. Das ist nur ein Punkt, an dem die Politik nachbessern muss.
Der Stresstest bringt mehr Transparenz
Umsonst war der Stresstest dennoch nicht. Denn er schafft – und das ist ganz wichtig – mehr Transparenz. Die Prüfer haben die Risiken, die in den Büchern der Banken stecken, aufgedeckt und neu bewertet. Die Institute werden sich daher in den kommenden Tagen fragen lassen müssen, warum sie diese oder jene komplexen Wertpapiere bisher als so viel weniger riskant eingestuft haben als die Prüfer der EZB. Die Banker müssen dann auf einmal über Dinge sprechen, die sie lieber unter den Teppich gekehrt hätten. Und das ist ein großer Schritt in die richtige Richtung.
Carla Neuhaus