EZB nimmt Banken unter die Lupe: Countdown zum Stresstest
Europas Bankenaufseher haben rund 130 Geldhäuser geprüft – mit Spannung werden nun die Ergebnisse erwartet. Unser Video zeigt, wie der Test funktioniert.
Die Nervosität steigt, die Gerüchte werden zahlreicher. Doch die Europäische Zentralbank (EZB) schweigt. Alle Angaben über den Bilanzcheck und den Stresstest der 131 größten Banken der Eurozone seien „hochspekulativ“, heißt es in der EZB. Erst am 26. Oktober soll Klarheit herrschen. Dann wird die Notenbank die Ergebnisse veröffentlichen, 48 Stunden vorher werden die Banken informiert.
„Wir wissen nichts“, versichert Deutsche-Bank-Ko-Chef Jürgen Fitschen. Mit „bösen Überraschungen“ rechne er aber bei deutschen Instituten nicht. Angeblich hat auch die Commerzbank bestanden. Vor kurzem galt sie wegen maroder Schiffskredite als Wackelkandidat, ebenso die NordLB. „Einige werden nachsitzen müssen“, sagt Fitschen. Diese Banken müssen sich zur Abdeckung ihrer Risiken zusätzliches Kapital beschaffen. Klappt das nicht, droht die Abwicklung.
120.000 Kredite, 6000 Aufseher
6000 Bankenaufseher der EZB, der nationalen Aufsichtsbehörden – in Deutschland die Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin und die Bundesbank – und zusätzliche Experten haben die Bücher der Banken in den vergangenen Monaten angeschaut. 120 000 Kredite mit einem Volumen von 1,6 Billionen Euro wurden analysiert und nachgesehen, ob genügend Kapital zur Absicherung der Risiken vorhanden ist. Letzter Schritt war ein Stresstest mit der Annahme eines Konjunktureinbruchs und eines Börsencrashs. Dafür wurden 45 Millionen Daten untersucht.
Sinn der Übung: Die EZB will am 4. November, wenn sie die Aufsicht über die Banken in Europa übernimmt, keine „faulen Eier“ im Nest haben. Verhindert werden soll, dass letztlich der Steuerzahler für die Schieflage einer Bank geradestehen muss, so wie in etlichen Fällen nach der Finanzkrise. Fehlt einer Bank Kapital, hat sie sechs Monate Zeit, die Lücke durch private Kapitalgeber zu schließen. Klappt das nicht, droht das Aus.
Experten: Bankensystem nicht solider
Ob das einer der 131 geprüften Banken – davon 23 deutsche – passiert, weiß aktuell niemand. Nicht alle werden bestehen, sagt Bafin-Chefin Elke König. „Die eine oder andere Bank dürfte die Latte reißen.“ Basis für den Test sind die Bilanzen des Jahres 2013. Seitdem, hält EZB-Präsident Draghi den Instituten zugute, sei viel passiert. „Sie haben ihre Bilanzen seit Sommer 2013 um 203 Milliarden Euro gestärkt.“ Das Kapital wurde erhöht, Gewinne einbehalten, kritische Wertpapiere und Kredite verkauft. Der Test habe bereits dazu geführt, dass die Banken ihre Kapitalbasis gestärkt hätten. Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret sieht das als Erfolg. „Das Bankensystem ist schon heute sicherer.“
Das Mannheimer Institut für Wirtschaftsforschung (ZEW) und die Frankfurt School of Finance warnen hingegen. „Gemessen am absoluten Betrag des Eigenkapitals der Banken hat sich die Solidität des Bankensystem 2013 nicht verbessert“, sagt ZEW-Chef Clemens Fuest. Vor allem die Großbanken, heißt es in einer Studie der beiden Institutionen, hätten Eigenkapital abgebaut, statt es zu erhöhen. Indem die Bilanzsummen schneller geschrumpft seien als das Eigenkapital, hätten sich die Quoten verbessert. Als größtes Risiko betrachten die Ökonomen und Wissenschaftler einen Einbruch an den Finanzmärkten. Im schlimmsten Fall könne sich dadurch bei den 131 Banken eine Finanzlücke von 154 Milliarden Euro auftun, im günstigsten Fall von 58 Milliarden. 14,4 Milliarden davon entfielen auf deutsche Banken.
Die EZB kann Banken schließen
Ob es letztlich zur Abwicklung einer Bank kommt und auch in Zukunft kommen kann, entscheidet die neue europäische Bankenaufsicht (SSM), die am 4. November in Frankfurt ihre Arbeit aufnimmt. Wenn die EZB selbst Anfang 2015 in ihre beiden neuen Hochhäuser im Osten Frankfurts umgezogen ist, werden die rund 1000 neuen Bankenaufseher den Eurotower in Beschlag nehmen. Ihnen direkt unterstellt sind die 120 größten Banken in der Eurozone. Im Auftrag des SSM übernehmen die nationalen Bankenaufseher die Kontrolle über die kleineren und kleinen 4900 Geldhäuser.
Es wird ein laufendes Verfahren, bei dem die Aufseher die Banken regelmäßig vor Ort checken und die Risiken einzelner Vermögenswerte oder Kredite anschauen. Müssen Banken nachbessern und ihr Kapital stärken und fruchten diese Maßnahmen nicht, entscheidet letztlich der EZB-Rat über die Schließung einer Bank.
Rolf Obertreis