Keine Nachfrage nach Kreuzfahrtschiffen: Kahlschlag in den Werften
Tausende Arbeitsplätze sollen bei Meyer in Papenburg und in den Werften an der Ostsee verschwinden. Die Politik erwägt dreistellige Millionenhilfe.
Ein knappes Jahr nach Beginn der Pandemie beginnt jetzt ein erheblicher Abbau von Arbeitsplätzen in deutschen Werften. Bei Meyer im niedersächsischen Papenburg sind 1800 Stellen in Gefahr, das ist gut die Hälfte der Belegschaft des Herstellers von Kreuzfahrtschiffen. In den MV Werften an der ostdeutschen Ostsee wird über die Art und Weise des Abbaus von 1200 der knapp 2900 Stellen verhandelt. Und in Kiel teilte die German Naval Yards soeben mit, dass 134 der 500 Beschäftigten in eine Transfergesellschaft wechseln.
Das Marinegeschäft ist stabil
Die Kieler Werft baut Überwasserschiffe für die Marine und hatte im vergangenen Jahr die Fusion mit dem Militärbereich der Lürssen Werft in Bremen angekündigt. Lürssen, wozu auch Blohm & Voss in Hamburg gehört, produziert mit rund 2800 Mitarbeitern Jachten und Fregatten. Der größte deutsche Hersteller von Kriegsschiffen ist Thyssen-Krupp mit rund 3500 Beschäftigten und einer U-Boot-Produktion in Kiel.
Alle Werften leiden unter den Folgen der Pandemie, doch besonders betroffen sind die Hersteller von Kreuzfahrtschiffen, deren dynamisches Wachstum vom Virus abrupt gestoppt wurde. Bei Meyer in Papenburg standen vor Corona Aufträge mit einer Reichweite von knapp vier Jahren in den Büchern. Aber welche Reederei oder welcher Reiseveranstalter braucht in diesen Zeiten Urlaubsschiffe? Das Abarbeiten der Aufträge wird in Papenburg gestreckt, von 3500 Arbeitsplätzen sollen nach Angaben der IG Metall 1800 verschwinden. Wenn es irgendwann weitergeht, dann beauftragen Werften gerne Subunternehmen und Werkvertragsarbeitnehmer.
Nur noch Konstruktion in Stralsund
Auch darum dreht sich derzeit die Auseinandersetzung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern: Wie groß sollte die Stammbelegschaft nach der Pandemie sein? Und was wird an welchem Standort gemacht? Die asiatische Genting Gruppe etwa möchte in der MV Werft in Stralsund nur noch Konstruktionsarbeiten erledigen, die klassische Fertigung wäre dann Geschichte.
Urlaubsschiffe für 10 000 Passagiere
Vor knapp fünf Jahren hatte sich der Tourismuskonzern Genting den Verbund der MV Werften mit Standorten in Wismar, Warnemünde und Stralsund sowie die Lloyd-Werft in Bremerhaven gekauft, um Kreuzfahrtschiffe für den eigenen Bedarf zu bauen. Genting bedient zum Beispiel den riesigen chinesischen Markt und hatte dafür die „Global 1“ und die „Global 2“ in Auftrag gegeben. Riesige Hotels auf See mit einer Kapazität von knapp 10 000 Gästen. Dann kam Corona.
Ein paar hundert Millionen vom Staat
Bis Mitte 2022 könnte in Wismar die „Global 1“ fertiggestellt werden – wenn sich der Bund und das Land finanziell engagieren. Es geht um eine halbe Milliarde Euro, über die seit Monaten zwischen Genting, dem Wirtschaftsministerium in Wismar und dem Bundeswirtschaftsministerium verhandelt wird. Ein erstes Ergebnis gab es im Oktober. Von einem „wichtigen Etappenziel für die Werftstandorte bis in das Frühjahr hinein“, sprach der Schweriner Wirtschaftsminister Harry Glawe. Damals hatte man sich auf eine staatliche Brückenfinanzierung von 193 Millionen Euro geeinigt, damit die laufenden Betriebskosten inklusive Löhne und Gehälter an den drei Werftstandorten gedeckt sind. Auch ein Kredit zur Fertigstellung des Kreuzfahrtschiffes „Endeavor“ für Expeditionsreisen in Stralsund wurde damals freigegeben.
Spezialyacht für die Polarregion
Die „Chrystal Endeavor“ ist eine der weltgrößten Jachten mit sogenannter Eisklasse – sie kann also auch Gegenden in Polarregionen ansteuern. Dieses Spezialschiff für 200 zahlungskräftige Passagiere ist in ein paar Monaten fertig. Was dann mit den gut 600 Werftarbeitern in Stralsund passiert, mitten im Wahlkreis von Angela Merkel, ist offen. In Warnemünde mit rund 900 Beschäftigten und Wismar mit 1200 Arbeitsplätzen werden weiterhin Schiffe gebaut – wenngleich mit stark reduzierter Mannschaft.
Verhandlungen über Stellenabbau laufen
43 Millionen Euro öffentlicher Mittel gab es im Oktober für die vorläufige Fortsetzung der Montage der „Global 1“ am Standort in Wismar. Aktuell wird wieder verhandelt zwischen dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds der Bundesregierung, der Landesregierung in Schwerin sowie der Genting-Gruppe in Malaysia. Die Politik will nur dann einen weiteren dreistelligen Millionenbetrag bereitstellen, wenn die Fertigstellung von „Global 1“ und „Global 2“ von Genting verbindlich zugesagt wird.
Wie auch immer das ausgeht: IG Metall und Betriebsräte verhandeln bereits über einen Sozialplan und Interessenausgleich, um den Stellenabbau so sozialverträglich wie möglich zu gestalten. An diesem Mittwoch gehen die Werftarbeiter in Warnemünde und Stralsund auf die Straße, um in der Öffentlichkeit für ihr Anliegen zu werben.
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