Vorwurf der Schleichwerbung: Justizministerium will mehr Rechtssicherheit für Influencer
Stars im Netz sollen Gewissheit haben, wann sie Beiträge als Werbung kennzeichnen müssen. Ob dafür ein eigenes Influencer-Gesetz kommt, ist noch unklar.
Cathy Hummels, Vreni Frost, Pamela Reif: Die Liste sogenannter Influencer, die sich wegen ihrer Beiträge auf Instagram vor Gericht verantworten mussten, ist lang. Immer wieder geht um den Vorwurf der Schleichwerbung. Wettbewerbsverbände beklagen, die Stars im Netz würden finanzierte Partnerschaften nicht als solche kennzeichnen. Die Influencer wehren sich, auch Beiträge als Werbung zu markieren, für die sie gar kein Geld bekommen haben. Und die Netzwelt stellt sich die Frage: Wann müssen Influencer nun eigentlich von Werbung sprechen? Die Gerichte urteilen dazu jedenfalls nicht einheitlich, noch fehlt ein Grundsatzurteil.
Hinweis nur, wenn Geld fließt
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz will jetzt Rechtssicherheit schaffen. „Influencer brauchen Klarheit, welche Beiträge sie als Werbung kennzeichnen müssen und welche nicht“, sagt Staatssekretär Gerd Billen. Das Ministerium hat deshalb zu einem Dialog mit Influencern, Wissenschaftlern und Juristen eingeladen. Das Ziel: das Geschäft der Influencer zunächst verstehen und anschließend regulieren. Wohin es gehen kann, hat Billen bereits angedeutet: So sei notwendig, dass Beiträge auch weiterhin gekennzeichnet werden müssen, wenn Influencer dafür Geld bekommen.
Die Stars im Netz würden allerdings auch zahlreiche Empfehlungen geben, für die sie keine Gegenleistung erhalten, sagt Billen. „Hier brauchen wir eine Klarstellung, dass solche Empfehlungen nicht als geschäftlich gekennzeichnet werden müssen.“ Davon sollen dann auch die Verbraucher profitieren. Verdient jemand mit seinen Beiträgen Geld, könnten Nutzer das dann zweifelsfrei erkennen. Ob am Ende ein eigenes Influencer-Gesetz kommt, wie das ZDF berichtet hatte, ist noch unklar. Stattdessen halte man die Änderung von bestehenden Gesetzen für wahrscheinlich, heißt es auf Nachfrage aus dem Ministerium. Außerdem müsste ein Vorschlag ohnehin noch mit anderen Ministerien abgestimmt werden.
Gesetze aus der analogen Welt
Bislang stützen sich Richter bei ihren Entscheidungen noch auf die Gesetze der analogen Welt. In fast allen Fällen ziehen sie die Gesetze gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) heran, weiß Karl-Nikolaus Peifer, Medienrechtler an der Universität zu Köln. Das verbietet es etwa, von Unternehmen bezahlte redaktionelle Beiträge zur Verkaufsförderung zu veröffentlichen. Stichwort: Schleichwerbung. So will es der elfte Punkt der sogenannten Verbotsliste im UWG. Was für Zeitungsverlage klar sein dürfte, ist im Netz jedoch die Streitfrage: Sind die Posts der Influencer überhaupt redaktionell? Lautet die Antwort darauf ja, so müssten Influencer jedes Mal kennzeichnen, wenn sie Geld für einen Post bekommen haben. Jeden Beitrag aus Vorsicht als Werbung markieren, bräuchten sie aber nicht mehr. Fließt nämlich kein Geld, ist der Beitrag schließlich auch nicht finanziert.
Und noch ein Teil im UWG betrifft die Influencer. In Paragraph 5a, Abs. 6 heißt es: „Unlauter handelt, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt.“ Fernsehzuschauer dürften wissen, wann Reklame läuft, behauptet Peifer. Im Netz könnte das anders sein. „In den sozialen Netzwerken sind die Gewohnheiten des Nutzers noch nicht so ausgereift, Werbung zu erkennen“, erklärt der Medienrechtler. Doch damit nicht genug: Selbst wenn ein Post eindeutig kennzeichnungspflichtig ist, stellen sich weitere Fragen. Ist der Beitrag eine Anzeige oder eine Unternehmenspartnerschaft? In welcher Farbe müssen die Hinweise erscheinen? „Daran könnte die Gesetzgebung arbeiten“, sagt Peifer.
Kennzeichnung könnte Nutzern egal sein
Die Wirkung der Hinweise scheint aber ohnehin umstritten zu sein. „Ich würde den Effekt nicht überschätzen“, sagt Peter Kenning, Wirtschaftswissenschaftler an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Im Gegensatz zum klassischen Marketing haben Influencer die Möglichkeit, mit ihrer Zielgruppe immer wieder zu interagieren. Sie antworten auf Kommentare, machen Umfragen. Die Folge: Nutzer nehmen das als soziale Beziehung wahr, sie entwickeln Vertrauen und Sympathie, auch wenn sie anfangs gar keine Haltung gegenüber dem Star im Netz hatten. Psychologen nennen das den Mere-Exposure-Effekt. Außerdem bekämen Videos und Bilder in der Wahrnehmung der Menschen ohnehin Vorrang vor dem Text. Ob also ein kleiner Hinweis im Bildtext größeres Bewusstsein für das Geschäftsmodell der Influencer schafft, darf bezweifelt werden. Und dennoch: Es sei eine Frage nach Transparenz, sagt Kenning. Bei verpflichtender Kennzeichnung hätte der Nutzer zumindest die Möglichkeit, sich über kommerzielle Partnerschaften zu informieren.
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