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IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld bei seiner Präsentation auf Bali.
© Stephen Jaffe/IWF

Währungsfonds- und Weltbanktagung: IWF sieht Wolken über der Weltwirtschaft

Handelskonflikte, steigende Zinsen und der starke Dollar belasten das Wachstum, sagt der IWF. Auch für Deutschland sind Ökonomen pessimistischer.

Die Indonesier haben das weltgrößte Treffen der internationalen Finanzszene auf Bali hervorragend organisiert. Doch zum Auftakt der zahlreichen Konferenzen von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank im Ferienparadies drückte IWF-Chefvolkswirt Maurice Obstfeld am Dienstag bereits die Stimmung: Der IWF kappt seine Prognose für das Wachstum der Weltwirtschaft für 2018 und 2019.

Die Hauptgründe: Die weltweiten von US-Präsident Donald Trump angezettelten Handelskonflikte, vor allem der Streit zwischen den USA und China, und die Schwierigkeiten etlicher Schwellenländer durch die höheren Zinsen in den USA und den starken Dollar. Im Juli noch hatte der IWF für 2018 und 2019 ein Wachstum von 3,9 Prozent vorhergesagt. In dem von Obstfeld traditionell kurz vor Beginn der Jahrestagung vorgelegten Wirtschaftsausblick – dem World Economic Outlook – wird die Prognose für beide Jahre auf 3,7 Prozent reduziert.

Abschwächung und Probleme in Europa

„Es sind Wolken aufgezogen“, sagte Obstfeld auf der Ferieninsel Bali. Er machte dafür auch die Abschwächung und Probleme in Europa verantwortlich. Heikel seien zum Beispiel die Entwicklungen in Italien und der Brexit. Auch für die USA und China kappte der Fonds die Prognose. In den USA soll das Wachstum von 2,7 auf 2,5 Prozent sinken, in China von 6,4 auf 6,2 Prozent. In Europa erwartet der IWF 2018 nur noch ein Plus von 2,0 Prozent nach bislang 2,2 Prozent. Für Deutschland wird die Prognose für 2018 von bislang 2,2 auf 1,9 Prozent reduziert, für 2019 von 2,1 ebenfalls auf 1,9 Prozent. Gegenüber der Vorhersage von April bedeutet dies für 2018 sogar Einbußen von 0,6 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt würde damit um 20 Milliarden Euro niedriger ausfallen. Bedingt sei dies vor allem durch einen Rückgang der Aufträge in der Industrie und ein geringeres Handelsvolumen.

Im Mittelpunkt der Jahresversammlung stehen allein schon wegen des Tagungsortes auch die Schwellenländer. Sie werden derzeit durch die steigenden Zinsen in den USA und den stärkeren Dollar belastet. Dies schwächt die jeweiligen Währungen und verteuert damit die Bedienung der auf Dollar lautenden Schulden. Zugleich führt es zu Kapitalabflüssen, was wiederum notwendige Investitionen in die Infrastruktur erschwert. Besonders leiden Argentinien, die Türkei, Südafrika, Brasilien und auch Indonesien, wo die Landeswährung Rupiah gegenüber dem Dollar deutlich verloren hat.

Keine neue Schwellenländerkrise

Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch hatte vor ihrer Abreise ebenfalls auf die höheren Risiken für das noch robuste Wachstum verwiesen. Es bestehe die Gefahr, dass die Risiken unterschätzt würden. Deswegen warnt Buch davor, Reformen für den Finanzsektor aufzuweichen oder gar zurückzunehmen. Vor allem der Privatsektor müsse über ausreichende Puffer sorgen. „Öffentliche Mittel können immer nur eine zweite Verteidigungslinie sein“, sagt Buch. Gleichwohl aber sei der IWF finanziell „komfortabel“ ausgestattet und steht damit für den Krisenfall bereit. Kurz vor der Tagung hatte der Fonds Argentinien mit 57 Milliarden Dollar den bislang höchsten Beistandskredit überhaupt gewährt.

IWF-Chefökonom Obstfeld sieht allerdings keine neue Schwellenländerkrise. Die Staaten seien heute viel widerstandsfähiger als noch in der Vergangenheit. Und nicht in allen Ländern läuft es nach Angaben des Chefökonoms schlechter. Er verwies auf einige Länder Lateinamerikas und auch in Afrika, in denen sich die Wirtschaft gut entwickele. „Wir sehen derzeit ein sehr gemischtes Bild“.

"Indonesien ist eine Erfolgsgeschichte"

Ausdrücklich lobte er das Gastgeberland der Jahresversammlung: „Indonesien ist eine Erfolgsgeschichte“. Das Land kann nach Ansicht des IWF die jüngsten Naturkatastrophen auf Balis Nachbarinsel Lombok und auf Sulawesi aus eigener Kraft bewältigen. IWF-Direktorin Christine Lagarde hatte am Montag das Erdbebengebiet auf Lombok besucht und den Betroffenen sowie der Regierung des Landes ihr Mitgefühl zum Ausdruck gebracht. Der IWF habe überlegt, wie er dem Land in dieser Phase helfen könnte. „Ein Kredit war keine Option, die indonesische Wirtschaft braucht das nicht“, betonte Lagarde. Auch eine Absage der Jahrestagung auf Bali wegen des Erdbebens und des Tsunamis sei keine Option gewesen. Damit wären alle Anstrengungen des Landes in den letzten drei Jahren zunichte gemacht und Ressourcen verschwendet worden. Und Indonesien hätte eine wichtige Gelegenheit verpasst, sich der Welt als erfolgreiche Volkswirtschaft zu präsentieren, sagt Lagarde.

Vor allem Indonesiens Finanzministerin Sri Mulyani Indrawati, eine ehemalige hochrangige IWF-Managerin, hatte dafür gesorgt, dass die Jahrestagung in dem hochmodernen Tagungskomplex auf Bali stattfindet. Tatsächlich war hinter den Kulissen zeitweise erwogen worden, die Jahresversammlung kurzfristig nach Singapur zu verlegen. Das aber, sagen Insider, wäre für Indonesien eine Schmach gewesen. Außerdem wäre es als Arroganz des Stadtstaates gegenüber dem wichtigen Nachbarland ausgelegt worden und hätte das Verhältnis beider Länder belastet.

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