Abgasskandal bei Volkswagen: Israelischer Geheimdienst gab offenbar Hinweise auf VW-Manipulationen
Schlammschlacht bei VW: Ex-Aufsichtsratschef Piëch soll bereits im Februar 2015 durch Israel von dem Skandal gewusst und führende VW-Vertreter informiert haben.
Volkswagen und das Land Niedersachsen wehren sich gegen neue, massive Vorwürfe von Ferdinand Piëch. Der frühere Aufsichtsratschef behauptet, den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) und den früheren IG-Metall-Chef Berthold Huber sowie weitere Aufsichtsratsmitglieder bereits im März 2015 über den millionenfachen Diesel-Betrug des Autoherstellers informiert zu haben. Das Unternehmen und Weil wiesen entsprechende Berichte des "Spiegel" und der "Bild"-Zeitung am Mittwochabend entschieden zurück. Niedersachsen hält 20 Prozent der VW-Aktien.
In dem Skandal soll auch der israelische Inlandsgeheimdienst Schin Bet eine Rolle gespielt haben. Das berichteten am Donnerstag "Spiegel Online" und die "Wirtschaftswoche". Laut "Spiegel Online" besaß der Dienst ein Schreiben, aus dem hervorging, dass US-Behörden Winterkorn frühzeitig über Betrügereien bei Abgaswerten informierten. Dieses Schreiben habe der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, Ende Februar 2015 dem damaligen VW-Aufsichtsratschef Piëch gezeigt. Primor habe damals zwei Begleiter bei sich gehabt - einer sei der ehemalige Schin-Bet-Chef Juval Diskin gewesen, berichtete "Spiegel Online".
Die "Wirtschaftswoche" schrieb ebenfalls, Diskin und Primor hätten im Februar 2015 gemeinsam Piëch getroffen. Primor sagte der "Wirtschaftswoche", er sei mit Diskin befreundet und habe diesem einen Gefallen getan. "Wir waren zusammen bei verschiedenen deutschen Unternehmen, unter anderem bei Volkswagen." Zum Abgasskandal wollte sich der Ex-Botschafter demnach nicht äußern: "Zu allem, was mit dem VW-Skandal zu tun hat, sage ich nichts. Gar nichts." Diskin wollte Volkswagen laut "Wirtschaftswoche" Sicherheitsleistungen verkaufen. "Spiegel Online" berichtete, ein ranghoher Konzernmitarbeiter habe bestätigt, dass Diskin für VW tätig war.
VW-Aufsichtsrat weist Vorwürfe zurück
Piëch soll nun gegenüber der Staatsanwaltschaft Braunschweig ausgesagt haben, er habe auch VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh und Anteilseigner Wolfgang Porsche ein halbes Jahr vor Bekanntwerden des Diesel-Skandals über entsprechende Hinweise der US-Behörden informiert. Weil, Huber, Osterloh und Porsche saßen im Präsidialausschuss des VW-Aufsichtsrates. Laut "Spiegel" hatte Piëch auch Ex-VW-Chef Martin Winterkorn im Frühjahr 2015 auf Informationen aus den USA angesprochen, die er vom früheren israelischen Botschafter Avi Primor erhalten haben will, der ihm ein Schreiben der US-Behörden gezeigt haben soll. Piëch behauptet den Berichten zufolge, den Präsidialausschuss über sein Gespräch mit Winterkorn in Kenntnis gesetzt haben.
"Mir sind diese Vorwürfe seit einigen Monaten bekannt. Sie sind einer unabhängigen Prüfung unterzogen und als unglaubwürdig bewertet worden", teilte Stephan Weil mit. Tatsächlich habe es im Frühjahr 2015 "von keiner Seite Hinweise an mich gegeben, Volkswagen nehme unzulässigerweise Einfluss auf Schadstoffwerte". Davon habe er erst am 19. September 2015 erfahren, erklärte der SPD-Politiker. Jede anderslautende Darstellung sei "schlichtweg falsch".
Auch der VW-Aufsichtsrat wies die Anschuldigungen "mit allem Nachdruck als falsch" zurück. Eine ähnliche Darstellung habe Piëch schon im Frühjahr 2016 im Rahmen der internen, unabhängigen Untersuchungen gegeben. "Diese Darstellung wurde im weiteren Verlauf durch die Kanzlei Jones Day eingehend und detailliert überprüft", teilte VW mit. Dabei hätten sich "keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Behauptungen ergeben". Sie seien vielmehr "insgesamt als unglaubwürdig" eingestuft worden. Der Konzernvorstand werde "mögliche Maßnahmen und Ansprüche gegen Herrn Piëch" sorgfältig prüfen. (mit AFP)